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Adieu G8 - und nun?

Bernd Riegert25. März 2014

Die westlichen Industrienationen haben Russland die Tür gewiesen. Ein diplomatischer Punktsieg für US-Präsident Obama. Doch was folgt jetzt, fragt Bernd Riegert in seinem Kommentar.

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Deutsche Welle Bernd Riegert (Foto: DW/Per Henriksen)
Bernd Riegert, Europakorrespondent, Studio Brüssel

Der russische Außenminister hat ja eigentlich recht. Die G8-Gipfel haben in den letzten Jahren wenig konkrete Entscheidungen gefällt. Das stimmt. Oft haben Kommentatoren schon das Totenglöcklein für dieses Gipfelformat geläutet, weil die G20 mit den Schwellenländern, China, Brasilien, Indien mittlerweile wichtiger ist. Wenn Sergej Lawrow, aber behauptet, darum sei es gar nicht so schlimm, wenn Russland künftig nicht mehr dabei sein dürfe, wenn sich die sieben führenden Industrienationen treffen, dann kauft man ihm diese Coolness nicht ab. Es wird den Herrn im Kreml heftig nerven, wenn er jetzt nicht mehr am Tisch der Großen sitzen darf. Es war nicht wichtig, was bei G8-Treffen entschieden wurde, wichtig war, dabei zu sein. Eben, weil der Klub so exklusiv ist.

Gorbatschow, Jelzin, Putin, sie alle wollten dabei sein und haben lange dafür geackert, dass sie gleichberechtigt am Tisch der Superreichen sitzen durften. Auf Augenhöhe, wie man so schön sagt. Das ist jetzt vorbei. Und das schmerzt den Machtmenschen Putin. Diplomatisch wird Russland auf den Stand von 1991 zurückkatapultiert. Da durfte KPdSU-Generalsektretär Michail Gorbatschow der G7 bei ihrem Gipfel in London wenigstens einen ersten Besuch abstatten. Und er war stolz.

Stolz wollte Wladimir Putin im Sommer sein herausgeputztes Sotschi vorzeigen. Daraus wird nun nichts. Doch wird ihn das zum Nachdenken bringen? Seinen Expansionskurs wird er deshalb nicht gleich radikal ändern, aber vielleicht legt er eine Pause ein. Die bewundernswerte Geschlossenheit der sieben übrigen Klubmitglieder bei der Androhung weiterer Sanktionen und bei der Zurückweisung der Krim-Annexion sollte die russische Führung nicht unbeeindruckt lassen. US-Präsident Barack Obama hat sich ohne wenn und aber zur Ukraine, zu Europa und zur NATO bekannt. Und die übrigen sechs fanden es gut. Ein diplomatischer Punktsieg für den neuen Westen und eine Niederlage, ja eine Ohrfeige für Putin.

Wie wird er jetzt reagieren? Erst recht wütend um sich schlagen und die Hand nach der Ostukraine ausstrecken? Oder wird er versuchen, einen Gegengipfel zu organisieren? Einen Gipfel der Willigen oder so etwas in der Art. Aber viele Willige sind nicht auszumachen. Russland hat zurzeit keine wirklichen Verbündeten. Auch China zeigt sich reserviert. Kann Putin diese Isolation auf internationalem Parkett lange durchhalten? Die Abspaltung der Krim wird der diplomatische Schachzug von Den Haag nicht mehr rückgängig machen, aber vielleicht kann das Signal der G7 wenigstens helfen, eine Ausweitung der Krise zu verhindern und eine neuerliche Spaltung Europas, den Weg zurück in den Kalten Krieg zu verlangsamen. Das hängt jetzt von Putin und der Reaktion der russischen Führungselite ab. Sollte die russische Armee in der Ukraine vorrücken, könnte man als nächste Eskalationsstufe versuchen, Russland aus der G20 zu drängen. Wäre Sergej Lawrow dann immer noch so cool?

Die Wirtschaft nimmt die Reaktion schon vorweg. Investoren ziehen ihr Geld aus Russland ab. Von deutschen Unternehmen ist zu hören, das in Jahrzehnten aufgebaute Vertrauen bröckele. Es braucht gar keine förmlichen Wirtschaftssanktionen. Der Erosionsprozess hat schon begonnen. Das sollte Putin wirklich zu denken geben. Jetzt müssen die G7 und die europäischen Staaten Kommunikationskanäle offenhalten und Russland irgendwie an den Verhandlungstisch mit der Ukraine bringen. Die Absage der G8-Treffen darf auf keinen Fall das Ende der Diplomatie bedeuten.

Ein Gewinner steht übrigens schon fest, auch wenn es wahrscheinlich Zufall war: Zum ersten Mal wird nicht ein Mitgliedsland, sondern die Europäische Union in Brüssel Gastgeber eines G7-Gipfels sein. Europa auf Augenhöhe.