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Viel Programm und wenig Zeit

Kommentarfoto Bettina Marx Hauptstadtstudio
Bettina Marx
15. April 2015

3500 Polizisten, Hunderte Journalisten, Diplomaten und Kofferträger - das G7-Außenministertreffen in Lübeck sprengte alle Dimensionen. Die Gespräche waren zwar wichtig, der Aufwand aber zu groß, meint Bettina Marx.

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Deutschland Treffen der G7 Außenminister in Lübeck (Foto: Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images/J. Macdougall

Knapp 24 Stunden haben die Außenminister der sieben führenden Industrienationen in Lübeck über die Krisen der Welt beraten. Doch wenn man die Stunden zusammenzählt, in denen sie wirklich ungestört miteinander sprechen konnten, kommt man auf viel weniger. Denn das umfangreiche Rahmenprogramm beanspruchte viel kostbare Zeit: Begrüßungszeremonien mit Shanty-Chor und Eintrag ins goldene Buch der Stadt, eine kurze Bootsfahrt auf der Trave, Familienfoto und Pressekonferenzen. Für ernsthafte Beratungen über die vielen drängenden Themen – von der Ukraine über die Atomgespräche mit dem Iran bis zu den Konflikten im Nahen Osten – blieb da nur wenig Zeit.

Darüber hinaus tagten fast durchweg nur sechs der sieben Außenminister. Denn John Kerry, der mit den USA immerhin die wichtigste und immer noch mächtigste Industrienation der Welt vertritt, kam erst am zweiten Morgen und konnte nur wenige Stunden bleiben. Er musste dem Kongress in Washington über die Verhandlungen mit Teheran Rede und Antwort stehen. Die US-Regierung steht unter massivem Druck, denn führende Republikaner wollen ein Abkommen mit dem Iran verhindern.

Wenig Zeit für Gespräche

Wenig Zeit also, um über die zahllosen Konflikte und Krisen zu beraten, die derzeit die Welt erschüttern. Darum ist es vielleicht nicht überraschend, dass bei dem Treffen in Lübeck außer drei Erklärungen kaum greifbare Ergebnisse erzielt wurden. Aber das war auch nicht der Sinn des Außenminister-Gipfels. Er sollte vor allem der Vorbereitung des großen Gipfels der Staats- und Regierungschefs dienen, der im Juni auf Schloss Elmau in Bayern zusammenkommen wird.

War das Treffen der Außenminister, das Lübeck für zwei Tage in eine Festung verwandelt und das öffentliche Leben der Stadt weitgehend lahmgelegt hat, also überflüssig? Außer Spesen nichts gewesen?

Bettina Marx, DW- Hauptstadtstudio (Foto: DW)
Bettina Marx, DW- HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Nein, so einfach kann man den Außenminister-Gipfel nicht wegwischen. Bei solchen Treffen geht es schließlich in erster Linie darum, miteinander im Gespräch zu bleiben, ohne Druck über anstehende Probleme zu beraten, Krisen zu entschärfen und nach Lösungen zu suchen. Das ist der Kern der Diplomatie und wenn nicht bei solchen Gelegenheiten, wann dann sollen die Außenminister der wichtigsten Industriestaaten miteinander beraten?

Ein Beitrag zum Weltfrieden

Natürlich kann man, wie der Linken-Abgeordnete Jan van Aken, beklagen, dass die G7 nicht die Mehrheit der Weltbevölkerung vertreten und ohne Russland keine Lösung der meisten Krisen denkbar ist. Doch man kann dieses Argument auch umdrehen: gerade weil sie die wichtigsten Industriestaaten vertreten und über mehr Macht verfügen als andere, tragen diese sieben Minister eine außerordentliche Verantwortung für den Zustand der Welt. Und man wird weder Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der mit Engagement und sichtlicher Freude Gastgeber in Lübeck war, noch einem seiner Amtskollegen den ehrlichen Willen absprechen können, zu einer Entschärfung der mörderischen Konflikte beitragen zu wollen, die den Weltfrieden gefährden.

Das Treffen der Außenminister war also nützlich und wichtig und sinnvoll. Noch besser aber wäre es gewesen, wenn mehr Zeit geblieben wäre für die eigentlichen Beratungen. Es wäre darum gut und der Ernsthaftigkeit des Anliegens angemessen, wenn die G7 wieder zurückfinden würden zu den bescheidenen Anfängen ihrer Treffen in den siebziger Jahren. Ein bisschen weniger Tourismus und weniger Aufwand, dafür mehr Zeit für den so dringend gebotenen politischen Austausch.

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