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Klare Ansage, schlecht verpackt

Bernd Riegert29. Juli 2014

Ob die Sanktionen gegen Russland die gewünschte Wirkung haben werden, weiß niemand. Die EU muss es aber wenigstens versuchen, meint Bernd Riegert.

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Symbolbild EU: Flaggen der EU (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Endlich! Es ist vollbracht. Nach Monaten des Zögerns und Zauderns hat die Europäische Union potenziell wirkungsvolle Wirtschaftssanktionen auf den Weg gebracht. Die 28 Mitgliedsstaaten taten sich nicht leicht, sich auf eine einheitliche Position zu verständigen, weil jeder seine eigenen wirtschaftlichen Interessen im Auge hat und haben muss. Jetzt ist doch eine Einigung gelungen. Das ist an sich schon einmal positiv. Hätte die EU nicht gehandelt, wäre ihre Glaubwürdigkeit verloren gegangen. Nach all den Ankündigungen und Drohungen in Richtung Moskau musste jetzt eine klare Ansage erfolgen.

Der russische Präsident spielt auf Risiko und hat trotz des tragischen Todes von fast 300 völlig unbeteiligten Flugzeuginsassen in der Ostukraine die von ihm entfesselte Soldateska der Rebellen nicht zurückgepfiffen. Da konnte die EU nicht mehr anders. Die Besetzung der Krim hat sie hingenommen. Sie hat zugesehen, wie in der Ostukraine ein bewaffneter Aufstand in eine Art Bürgerkrieg übergeht. Sie hat sich von Moskau demütigen und schu­ri­geln lassen. Sie hat Wladimir Putin etliche diplomatische Angebote gemacht. Aber erst der Abschuss von MH-17 hat zur Einsicht geführt: Jetzt ist es genug.

Ob die Wirtschaftssanktionen die gewünschte Wirkung entfalten und den russischen Präsidenten zum Einlenken bringen, kann niemand mit Gewissheit vorhersagen. Es wird aber sehr lange dauern. Die russische Wirtschaft wird leiden, vielleicht wird es eine Rezession geben, aber Wladimir Putin kann wahrscheinlich länger durchhalten, als dem Westen lieb sein kann. Die Bevölkerung scheint hinter ihm zu stehen. Werden auch die Oligarchen noch zu ihm stehen, wenn sie miterleben, wie ihre Vermögen anfangen zu bröckeln? Die EU hat leider versäumt, ihren Bürgerinnen und Bürger zu sagen, dass sie die Sanktionen auch etwas kosten werden. Im schlimmsten Fall könnte ein in die Ecke gedrängter Putin die Energielieferungen aus Russland nach Europa drosseln.

Deutsche Welle Bernd Riegert (Foto: DW)
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Seltsamerweise haben es die Staats- und Regierungschefs ihren stummen Botschaftern in Brüssel überlassen, zu beschließen. Keine öffentliche Erklärung vor Kameras, nichts. Für alles Mögliche veranstaltet die EU inzwischen Sondergipfel, für diesen drastischen politischen Angriff auf Moskau aber nicht. Ein PR-Desaster. Schlechter kann man EU-Politik nicht öffentlich verkaufen.

Die Europäer und die USA handeln in Sachen Sanktionen jetzt wieder synchron. Die EU hat sich dem latent härteren Kurs des Weißen Hauses angenähert. Das ist richtig, denn nur eine geschlossene Gemeinschaft kann Putin vielleicht noch beeindrucken. Allerdings hat er noch andere Optionen. Er ist nicht so isoliert, wie es sich die EU vielleicht wünscht: China und die übrigen Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika (BRICS) biedern sich dem autokratischen Herrscher im Kreml ja geradezu an - erst kürzlich zu besichtigen beim BRICS-Gipfel in Brasilien. Auf lange Sicht könnte es Russland gelingen, seine Energie nicht mehr nach Europa zu liefern und seine Maschinen aus China zu importieren.

Die EU hat einen ersten Schritt hinein in eine Sanktionsspirale getan. Er war unvermeidbar. Jetzt muss sie schleunigst auch auf dritte Staaten zugehen, um eine Umgehung ihrer Sanktionen durch Banken in Asien oder Lateinamerika zu verhindern. Ziel der EU muss es bleiben, Russlands imperiale Gelüste einzudämmen, die Ukraine wieder zu befrieden und die bedrohte Friedensordnung in Europa zu wahren. Mit den Sanktionen hat die EU ihre schärfste politische Waffe gezückt. Jetzt hat Russland die Wahl: Eskalieren oder Einlenken.