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Papst Franziskus - eine Name ist Programm

Felix Steiner13. März 2015

Seit genau zwei Jahren steht Jorge Mario Bergoglio an der Spitze der Katholischen Kirche. In Vielem unterscheidet sich Papst Franziskus deutlich von seinem Vorgänger Benedikt - aber nicht in allem, meint Felix Steiner.

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Papst Franziskus Fresko Franz von Assisi
Bild: picture-alliance/dpa

Der neue Papst eroberte die Herzen der Gläubigen im Sturm: Sein lapidares "Buona Sera" vom Balkon des Petersdoms, seine Bitte, für ihn zu beten, noch bevor er erstmals den Gläubigen den päpstlichen Segen erteilte - all das machte schon am Abend der Wahl deutlich, dass da einer sein Amt ganz anders versteht, als seine Vorgänger.

Und er setzte weitere Signale: das kleine Appartement im Gästehaus Santa Marta statt der päpstlichen Wohnung im Apostolischen Palast, der gebrauchte Kleinwagen an Stelle der Staatskarosse mit dem Stern, die ausgetretenen schwarzen Schnürschuhe statt der traditionellen roten Slipper. Und vor allem der Name: Franziskus. Der Bettelmönch aus dem Mittelalter. Der Sohn aus reichem Hause, der sein Erbe verschenkte, sich den Armen widmete und zu einer Reform des kirchlichen Lebens aufrief.

Reformversprechen im Vorkonklave

Insofern ist der Name in doppelter Hinsicht Programm. Zum einen: Die Kirche will sich, ja sie muss sich reformieren. Genau deswegen wurde Kardinal Bergoglio von seinen Amtsbrüdern gewählt. Weil er die Reform der römischen Kurie im so genannten "Vorkonklave" am deutlichsten einforderte. Weil Geldwäsche und Postenschacher in der Kirche grundsätzlich keinen Platz haben dürfen. Weil überbordender römischer Zentralismus nicht in die vielfältige Weltkirche des 21. Jahrhunderts passt. Und nicht zuletzt, weil sein Vorgänger Benedikt an dieser Kurie gescheitert ist.

Zum anderen: Kirche muss nach Ansicht von Papst Franziskus vor allem eine Kirche für die Armen sein. Sie muss - so ein inzwischen geflügeltes Zitat von ihm - "an die Ränder gehen". Schon als Erzbischof von Buenos Aires eckte er in der römischen Zentrale an, weil er seine besten Priester nicht an die päpstlichen Akademien, sondern in die Elendsviertel der Millionenstadt schickte. Als Papst führte ihn seine erste Reise nach Lampedusa - mitten in den Brennpunkt des afrikanisch-europäischen Flüchtlingsdramas. In Manila traf er Straßenkinder und weinte mit ihnen angesichts ihrer Lebensberichte. Nach dem Showmaster Johannes Paul II. und dem Gelehrten Benedikt XVI. ist Papst Franziskus in erster Linie ein Seelsorger.

Felix Steiner
DW-Redakteur Felix SteinerBild: DW/M.Müller

Seelsorger mit klarer Sprache

Genau wie ein Seelsorger in einem Armenviertel redet Franziskus auch: zumeist frei, in klarer und einfacher Sprache, mitunter auch in drastischen Worten und Vergleichen. Ein Papst, den man endlich auch ohne vorheriges Theologiestudium versteht - so sollte man sich eigentlich einhellig freuen. Doch inzwischen beginnt das Grummeln über den Reformer von Rom. Das sei der Würde des Papstamtes unangemessen, beschweren sich die besonders Frommen, die sich am Hinweis stoßen, Katholiken müssten sich "nicht vermehren wie die Karnickel". Die Sittenwächter der politischen Korrektheit - vornehmlich in Europa - mokieren sich über die Erzählung des Papstes, beim Schlagen eines Kindes sei dessen Würde zu beachten.

Der Papst macht zunehmend die Erfahrung, dass er es trotz des einhelligen öffentlichen Jubels vor zwei Jahren längst nicht allen recht machen kann. Wie auch? Steht er seinen Vorgängern theologisch weitaus näher, als viele im anfänglichen Überschwang wahrhaben wollten. So wird es auch unter Franziskus weder das Priestertum der Frau, die Homosexuellen-Ehe, noch ein Ja zur Abtreibung geben. Und ob die katholischen Verbote von Verhütungsmitteln, vorehelichem Sex und der Wiederheirat von Geschiedenen wirklich fallen, ist längst noch nicht ausgemacht - egal wie sehr deutsche Leitartikler sich dies herbeisehnen.

Ansprüche des Papstes an seine Ortskirche

Überhaupt: Deutschland. Wie sehr passt die katholische Kirche hier eigentlich zum päpstlichen Idealbild? Sie ist vermutlich die wohlhabendste Ortskirche im Orbit, hat also auch die größten Möglichkeiten an den Rändern der Gesellschaft zu helfen. Aber tut sie das in ausreichendem Maß? Verlässt sie überhaupt noch das selbstreferenzielle, innerkirchliche Biotop, in dem "nur die einen die anderen beweihräuchern", wie es Franziskus vor seiner Wahl formulierte? Dienen wirklich alle ihre Einrichtungen in erster Linie der Verkündung des Wortes Gottes, wie es der Papst erwartet? Und wie es im Übrigen auch schon Papst Benedikt forderte - bei seiner legendären Rede über die "Entweltlichung der Kirche" 2011 in Freiburg, die so viele in Deutschland nachhaltig verstörte.

Ein banales Beispiel nur: Die katholischen Schulen in Deutschland genießen einen hervorragenden Ruf. Aus diesem Grund schicken gut verdienende Eltern ihre Kinder gerne dort hin, lieber als auf staatliche Schulen. Nach der Logik von Franziskus müsste der hervorragende Ruf eigentlich darauf beruhen, dass Kinder aus benachteiligten Familien dort in besonderer Weise und mit besonderem Erfolg gefördert werden! Allein dieses Beispiel macht deutlich: Der Papst in Rom wünscht viel mehr Reform, als manchem lieb sein dürfte. Dieses Pontifikat bleibt spannend!