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Kommentar: Noch ist nichts erreicht

Andreas Sten-Ziemons16. Mai 2014

Katar kündigt an, die moderne Sklaverei für ausländische Arbeiter abzuschaffen. Die FIFA ist erfreut, doch darf die Reform nur ein erster Schritt sein, meint DW-Sportredakteur Andreas Sten-Ziemons.

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Andreas Sten-Ziemons
Bild: DW

Der Gastgeber der Fußball-WM 2022 ist offenbar lernfähig. Katar kündigt an, das Kafala-System und die dadurch bedingte Abhängigkeit ausländischer Arbeitskräfte von ihrem jeweiligen Arbeitgeber abzuschaffen. Joseph Blatter, umstrittener Präsident des Fußballweltverbands FIFA, reagiert prompt und begrüßt diese Absicht. Blatter und sein Verband, der die WM 2022 im Dezember 2010 an Katar vergeben hatte, war wegen der menschenunwürdigen Zustände für ausländische Arbeitskräfte und nach zahlreichen Todesfällen auf Baustellen in Katar selbst massiv in die Kritik geraten. Daraufhin hatten er und sein Verband begonnen, die katarische Regierung unter Druck zu setzen.

Nun spricht Blatter von einem bedeutenden Schritt "in die richtige Richtung zu einem nachhaltigen Wandel bei den Lebensbedingungen der Arbeiter in Katar". Er freue sich auf die Umsetzung der Reformen in den kommenden Monaten. Allerdings ist mit der bloßen Ankündigung von Reformen noch gar nichts erreicht. Zwar will Katar, so heißt es in der offiziellen Mitteilung, das Kafala-System künftig durch ein System ersetzen, "das auf Arbeitsverträgen basiert". Auch das Einbehalten der Pässe der Arbeiter durch den Arbeitgeber soll künftig bestraft werden. Doch inwieweit das die Bedingungen der Arbeiter tatsächlich verbessert, muss sich erst noch zeigen.

Tatsächliche Verbesserung?

Das Kafala-System und das Einziehen der Pässe durch den Arbeitgeber sind nämlich nur ein Teil dessen, was im sonst so noblen Emirat am persischen Golf zum Himmel stinkt. Die Scheichs leisten sich ihren durch Öl und Gas erlangten Wohlstand auf Kosten derer, die für sie arbeiten. Zahlreiche Missstände kamen im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit: stundenlanges Schuften bei Temperaturen um die 50 Grad Celsius ohne ausreichendes Trinkwasser, Arbeiten ohne entsprechende Schutzkleidung oder Sicherheitsvorkehrungen, Unterbringung in überfüllten und verdreckten Gemeinschaftsunterkünften, in denen sich hunderte Menschen nur wenige Toiletten teilen müssen, die völlig überlastet sind und vor Fäkalien überquellen. Teilweise arbeiteten die Ausländer monatelang, ohne entlohnt zu werden. Wird sich das nun ändern, weil die Pässe der Arbeiter nicht mehr im Besitz ihrer Arbeitgeber sind?

Ohnehin muss sich erst erweisen, wie liberal künftig mit der Vergabe von Ausreisevisa umgegangen wird. Bislang brauchten die ausländischen Arbeitskräfte die Erlaubnis ihres Arbeitgebers, um das Land verlassen zu dürfen. Die Entscheidung darüber soll künftig das Innenministerium Katars treffen. Eine Garantie dafür, dass künftig jeder Ausländer, der ausreisen möchte, auch tatsächlich ausreisen darf, ist das aber noch nicht.

FIFA-Präsident Joseph Blatter (Foto: dpa)
Blatter: "Bedeutender Schritt"Bild: picture-alliance/dpa

Dass die Vergabe der WM an das Wüstenemirat, von der nach wie vor nicht klar ist, ob sie im Sommer oder im Winter stattfinden soll, immer mehr zum Problem wird, hat man mittlerweile auch bei der FIFA eingesehen. "Sicher war das ein Fehler", räumte Blatter an diesem Freitag freimütig ein und ergänzte lapidar: "Aber wie sie wissen, macht man viele Fehler im Leben."

Druck erhöhen

Die FIFA sollte daher nun nicht auch noch den Fehler machen, sich zu früh zu freuen und bereits die bloße Ankündigung der Scheichs als Erfolg verbuchen. Vielmehr wäre es angebracht, den Anlass dazu zu nutzen, den Druck weiter zu erhöhen und weitere, konkrete Verbesserungen für ausländische Arbeitskräfte verbindlich einzufordern.

Erst wenn die ausländischen Arbeiter in Katar menschenwürdige Arbeits-, Lohn- und Lebensbedingungen vorfinden, darf man sich bei der FIFA zufrieden zurücklehnen und - wie man es dort so gerne macht - behaupten, der Fußball habe die Welt mal wieder zum Besseren verändert.