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Kommentar: Nigeria verschärft Anti-Schwulen-Gesetze

Thomas Mösch14. Januar 2014

Nigerias Präsident hat ein Gesetz unterschrieben, das Homosexuelle mit langen Haftstrafen bedroht. Ein schwerer Rückschlag für die Menschenrechte in Afrikas bevölkerungsreichstem Land, meint Thomas Mösch.

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Thomas Mösch, Leiter des Haussa-Programms der DW (Foto: DW)
Thomas Mösch, Leiter des Haussa-Programms der DWBild: DW

Präsident Goodluck Jonathan hat für seine Verhältnisse geradezu schnell gehandelt. Erst im Dezember hatten sich die beiden Kammern des nigerianischen Parlaments auf eine gemeinsame Version des so genannten "Gesetzes über das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen" geeinigt. Nur wenige Wochen später hat Jonathan jetzt das Gesetz trotz internationaler Proteste unterschrieben. Diese Entscheidungsfreude sähen die Nigerianer bei ihrem Präsidenten gern auch auf anderen Gebieten, doch nach fast drei Jahren im Amt hat er bisher nicht all zu viel vorzuweisen.

Anstatt Politik für das Land zu machen, kämpft er seit Monaten an mehreren Fronten gegen Versuche, ihn an einer erneuten Kandidatur bei den Wahlen 2015 zu hindern. Bei dem jetzt unterschriebenen Gesetz kann sich Jonathan nun endlich einmal der Zustimmung fast des gesamten Volkes sicher sein.

Trotzdem: Der Tag der Unterschrift ist ein schwarzer Tag für die Menschenrechte in Nigeria, auch wenn die meisten Nigerianer das anders sehen.

Feindbild "Westen"

Erstens geht es bei dem Gesetz nicht nur darum, die Ehe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts zu verbieten. Das wäre die ganze Aufregung kaum wert, denn niemand in Nigeria fordert dieses Recht. Das Gesetz definiert eine „gleichgeschlechtliche Ehe“ allerdings als jede Form einer sexuellen Partnerschaft von zwei Männern oder zwei Frauen. Dies ist so allgemein, das es tief in das Privatleben von Menschen eingreift. Was zwei Erwachsene im gegenseitigen Einvernehmen in ihren Häusern tun, geht den Staat nichts an. Auch eine große Mehrheit in der Bevölkerung rechtfertigt nicht, einer Minderheit ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Privatleben zu nehmen.

Zweitens bedroht das neue Gesetz auch diejenigen mit Strafe, die solche Partnerschaften unterstützen oder sich in Organisationen für die Rechte Homosexueller einsetzen. Dies ist eine Gefahr für Freunde und Familienangehörige, die ihren Sohn oder ihre Tochter nicht nur deshalb verstoßen wollen, weil er schwul oder sie lesbisch ist. Und es bedroht alle die Menschen, die darüber aufklären wollen, wie man sich gegen HIV und andere Geschlechtskrankheiten schützt, denn sie dürfen möglicherweise über bestimmte Sexualpraktiken nicht mehr offen reden.

Homosexualität ist längst verboten

Überhaupt fragt man sich, wozu dieses Gesetz dienen soll. Schon bisher waren homosexuelle Handlungen in Nigeria mit langen Haftstrafen bedroht. Im muslimischen Norden des Landes können Scharia-Gerichte sogar die Todesstrafe verhängen. Offensichtlich benutzt hier die politische Elite eine ohnehin ausgegrenzte Minderheit, um auf deren Rücken wenigstens ein bisschen ihrer längst verlorenen moralischen Autorität zurückzugewinnen.

Für dieses Ziel haben die nigerianischen Politiker in den letzen Jahren jede mögliche Lüge und Falschinformation genutzt.

Beispiel eins: "Der Westen will uns etwas aufzwingen", heißt es immer wieder. Keine westliche Regierung hat jemals verlangt, dass ein Land die gleichgeschlechtliche Ehe legalisieren soll. Es geht lediglich darum, Menschen nicht ins Gefängnis zu werfen oder gar zu töten, weil sie auf eine Art und Weise lieben, die die Mehrheit nicht akzeptiert.

Beispiel zwei: "Alle großen Religionen lehnen homosexuelle Beziehungen aufs schärfste ab." In Nigeria und den meisten afrikanischen Ländern mag das stimmen. Weltweit gesehen ist das aber gelogen. Schon in Südafrika hat die anglikanische Kirche Homosexuelle längst als gleichwertige Mitglieder akzeptiert. In Europa sehen das die großen protestantischen Kirchen ähnlich. Und selbst Papst Franziskus fordert, dass die katholische Kirche Homosexuellen mit Barmherzigkeit begegnen solle und nicht mit Hass und Verfolgung.

Nigeria hat wichtigere Probleme

Auch in Afrika gibt es Länder, in denen Homosexualität nicht verboten ist, darunter auch Nachbarländer Nigerias. Südafrika gilt sogar weltweit als Vorreiter für die Gleichstellung Homosexueller. Keines dieser Länder steht besser oder schlechter da als andere.

Fazit: Nigerias Politiker sollten sich endlich wieder um die wirklichen Probleme im Lande kümmern. Wann beschließt das Parlament endlich effektive Maßnahmen dagegen, dass vom Reichtum des Landes nur einige wenige profitieren, während die Straßen voller Bettler sind und die meisten Menschen sich weder Bildung noch Gesundheit leisten können? Die Zeit seit der letzten Wahl 2011 nehmen die meisten Nigerianer als verlorene Zeit wahr, weil keines der großen Probleme gelöst wurde. Ein Gesetz gegen die ohnehin längst verbotene Homosexualität ändert daran nichts.