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Kommentar: Nichts zu feiern

Daniel Pelz9. Juli 2014

Vor drei Jahren wurde der Südsudan unabhängig. Trotz Bürgerkrieg und drohender Hungersnot feiert die Regierung in Juba. Für die Bürger ein Schlag ins Gesicht, meint Daniel Pelz.

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Rebellen im Südsudan Ivan Lieman/AFP/Getty Images
Bild: AFP/Getty Images

Tausende Tote, mehr als 1,5 Millionen Vertriebene, eine drohende Hungersnot. In dieser Situation Geburtstag zu feiern, ist schlicht zynisch. Wenn Südsudans Führung in den letzten drei Jahren irgendetwas geschafft hat, dann das, einen Staat mit riesigem Potenzial in Grund und Boden zu regieren. Südsudans Bevölkerung hat mehr verdient, als Präsident Salva Kiir und Rebellenführer Riek Machar, die vorgeben, für das Wohl ihrer Bürger zu kämpfen und in Wirklichkeit nur an Macht und an den Einnahmen aus dem Ölgeschäft interessiert sind - und dabei hinnehmen, dass hunderttausende Menschen sterben könnten.

Wer zur Unabhängigkeit im Südsudan war, möchte angesichts der aktuellen Situation nur noch weinen. Vor drei Jahren wuchsen die Bäume im ganzen Land in den Himmel. Nach dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit dem Norden träumten die Menschen von den Dingen, die in vielen Ländern der Welt selbstverständlich sind: Ein Leben ohne tägliche Todesangst, Krankenhäuser, damit ihre Kinder nicht mehr an Durchfall oder Malaria sterben, Schulen, damit ihre Kinder ein besseres Leben haben. All das wäre möglich - der Südsudan ist reich an Öl, Ackerland und anderen Ressourcen.

Stimmen für Frieden und Versöhnung

Doch ins Land investierte die Regierung nichts. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft: Für die Gehälter der aufgeblähten Armee und für schicke Dienstwagen verschwendet. Den Aufbau des Gesundheitssystems: Ausländischen Nichtregierungsorganisationen überlassen. Straßenbau: Fehlanzeige.

Die südsudanesische Bevölkerung leistete dagegen Beeindruckendes: Nach Jahrzehnten auf der Flucht kehrten viele Menschen in ihre Dörfer zurück und versuchten, irgendwie zu überleben. Manch ein Exil-Südsudanese gab seine gute Stellung im Ausland auf und kehrte zurück, um beim Aufbau des neuen Staates zu helfen - vergebens. Viele von ihnen sind heute schon wieder auf der Flucht. Andere werden mit billigen Versprechen von einer der beiden Seiten als Kämpfer angelockt, um als Kanonenfutter in einem brutalen Machtkampf zu sterben.

Daniel Pelz Foto: DW/Per Henriksen
Daniel Pelz, Leiter der Redaktion Englisch für AfrikaBild: DW/P. Henriksen

Es ist zum Weinen, denn im Südsudan gibt es viele Stimmen für Frieden und ein Ende der Gewalt - doch weder Kiir noch Machar hören zu. Hinter den Kulissen arbeiten Kirchenvertreter über Konfessionsgrenzen hinweg unentwegt daran, Machars und Kiirs Lager zu einem Ende der Kämpfe zu bewegen. Die Kirchen sind eine der lauten Stimmen für einen friedlichen und demokratischen Südsudan - durch ihre Vermittlung haben sie zahlreiche Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen in den letzten Jahren beenden können. Doch in Machars und Kiirs Weltbild werden Konflikte durch Kämpfe gelöst. Wieviele Menschen wegen ihrer Machtgier sterben müssen, scheint beiden egal zu sein.

Moderate Stimmen sind verstummt

Auch die moderaten Kräfte in der Regierungspartei SPLM, die gegen die überbordende Korruption, den totalitären Führungsstil Kiis und die fehlende Kompromissbereitschaft der Regierung in den vergangenen Jahren eingetreten sind, sind in der Krise längst verstummt und an den Rand gedrängt worden. Viele haben die Partei frustriert verlassen oder stehen unter Hausarrest. Dissens tolerieren Machar und Kiir längst nicht mehr, es gilt für beide nur noch die schlichte Devise: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

Zum Weinen ist auch, wie die internationale Gemeinschaft die Engagierten im Südsudan im Stich gelassen hat: Nach dem Friedensschluss mit dem Sudan 2005 eroberten internationale Entwicklungsorganisationen das Land, bauten Schulen und Krankenhäuser. Die internationale Gemeinschaft wollte beweisen, dass sie fähig ist, einen funktionierenden Staat aufzubauen. Doch die Regierung nahm sie nicht in die Pflicht. Über Korruption und Machtwillkür schaute das Ausland großzügig hinweg - und ließ damit zu, dass sich die Strukturen und die Herrschermentalität festigten, die jetzt den Südsudan in den Abgrund zu reißen drohen. Inzwischen erschöpft sich das internationale Engagement in hilflosen Appellen, den Krieg zu beenden. Doch das Leben der Menschen im Südsudan scheint vielen Regierungen in der Welt nicht genug wert zu sein, als dass diese die völlig überforderte UN-Friedenstruppen durch eigene Soldaten verstärken würden.

Am dritten Geburtstag des Südsudans heißt es für die Mehrheit der Bevölkerung wieder Überlebenskampf, nicht Party. Hätte Südsudans Führung einen Hauch von Anstand, dann hätte sie die offiziellen Feierlichkeiten abgesagt. Denn im Moment gibt es im Südsudan nichts zu feiern.