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Kommentar: Neue Entführungen in Nigeria sind eine Schande

Daniel Pelz19. Dezember 2014

Schon wieder: Kämpfer der radikal-islamischen Boko-Haram-Miliz haben 185 Frauen und Mädchen entführt. Eine Schande, nicht nur für Nigeria, meint Daniel Pelz in seinem Kommentar.

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Proteste gegen Entführungen in Nigeria Foto: AP Photo/Sunday Alamba)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Jetzt also wieder. Mindestens 185 Frauen und Kinder haben mutmassliche Boko-Haram-Kämpfer in ihre Gewalt gebracht, bei einem Überfall auf ein Dorf im Nordosten Nigerias. Ganz in der Nähe: Chibok, wo die Sekte im April mehr als 240 Mädchen bei einem Überfall auf eine Schule verschleppte. Die meisten von ihnen hat die Terrorgruppe noch immer in ihrer Gewalt. Und Nigerias Präsident tut, was er immer in diesen Fällen tut: Schweigen. Kein Wort zu den neuen Anschlägen. In Chibok ist der Präsident auch bis heute nicht gewesen.

Es ist einfach unfassbar. Präsident Goodluck Jonathan und seiner Regierung sind 185 Frauen und Kinder nicht einmal einige warme Worte an die eigene Bevölkerung wert - geschweige denn Taten. Boko Haram kann dagegen im Norden Nigerias die Bevölkerung nach Lust und Laune terrorisieren. Wöchentlich entführen mutmassliche Boko-Haram-Kämpfer Kinder und junge Frauen. Allein im Oktober waren es mehr als 70. Mehr als 13.000 Menschen sind bislang durch die Angriffe von Boko Haram ums Leben gekommen.

Machtlose Armee

Aber es tut niemand etwas dagegen. Nigerias Armee steht auf verlorenem Posten. Schlecht bezahlte, schlecht ausgerüstete Soldaten haben gegen Boko Haram nichts auszurichten. Zudem soll das Militär von Boko Haram längst unterwandert sein. Wie schlecht es um die Moral der nigerianischen Armee steht, zeigt ein Vorfall von dieser Woche. Ein Gericht verurteilte 54 Soldaten wegen Meuterei zum Tode. Sie hatten sich geweigert, an Operationen gegen Boko Haram teilzunehmen.

Das Schicksal der Menschen im Norden Nigerias ist der Elite in der Hauptstadt Abuja ganz egal. Sie kennt nur ein Ziel: Den Machterhalt. Im Februar 2015 sind in Nigeria Wahlen. Präsident Jonathan will im Amt bleiben, die Opposition dagegen endlich wieder an die Macht. Zeit, sich ensthaft mit dem Problem Boko Haram zu befassen, hat da niemand. Während die Politiker Allianzen schmieden, Intrigen gegen den politischen Gegner forcieren und ihre Anhänger mobilisieren, sterben die Menschen im Norden. Denn die dünn besiedelte, arme Region hat offenbar zu wenig Wähler, um politisch interessant zu sein.

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Daniel Pelz, Leiter der DW-Redaktion Englisch für AfrikaBild: DW/P. Henriksen

Desinteressiertes Ausland

Kaum besser sieht es im Ausland aus. Als die Chibok-Mädchen entführt wurden, posierten Prominente von Michelle Obama bis Angelina Jolie im Internet mit Postern, die ihre Freilassung forderten. Das war's. Unterstützung im Kampf gegen Boko Haram haben viele Staaten versprochen, aber konkrete Hilfen bleiben aus. Nicht einmal für eine deutliche Ansage an Nigerias Regierung, jetzt endlich ihrer Verantwortung für die eigenen Bürger gerecht zu werden, reicht es. Wirtschaftliche Interessen sind wichtiger, als das Schicksal irgendwelcher Menschen in entlegenen Landesteilen, die im Ausland kaum jemand auf einer Landkarte zeigen könnte.

Die Menschen im Norden Nigerias werden weiter leben müssen mit dem täglichen Terror, mit Entführungen, mit Überfällen, mit Morden. Doch im Gegensatz zur Regierung bleiben sie nicht tatenlos: Hunderte haben sich in Bürgerwehren zusammengeschlossen, die sich mutig dem Terror entgegenstellen. Sie haben längst gemerkt, dass sie sich selbst helfen müssen - denn sonst tut es niemand.