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Licht und Schatten in Nigeria

Thomas Mösch 13. April 2015

Nigerias Wähler haben bei den Gouverneurswahlen am Wochenende wieder für einige Überraschungen gesorgt. Doch neben viel Hoffnung gibt es auch Anlass zur Sorge, meint Thomas Mösch.

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Stimmabgabe bei Regionalwahlen in Nigeria
Bild: DW/Uwaisu A. Idris

Bei den Regionalwahlen in Nigeria hat die bisherige Regierungspartei PDP ("People's Democratic Party") eine weitere schwere Niederlage erlitten. Sie verlor mindestens acht Gouverneursposten an die APC ("All Progressives Congress") des zukünftigen Präsidenten Muhammadu Buhari. In einigen Bundesstaaten, zum Beispiel im nordnigerianischen Kano, konnte die PDP nicht einmal mehr einen einzigen Sitz im Landesparlament erringen. Behaupten konnte sich die Partei, die Nigerias Politik 16 Jahre lang dominiert hatte, nur noch in einigen ihrer Hochburgen - in manchen allerdings nur knapp. Nigerias Wähler haben also zum zweiten Mal seit den Parlaments- und Präsidentenwahlen vor zwei Wochen deutlich gemacht, dass sie von den bisher Regierenden bitter enttäuscht sind.

Opposition zu schwach?

Allerdings stellt sich die Frage, ob sie dabei nicht über das Ziel hinausgeschossen sind, wenn sie die zukünftige Opposition dermaßen klein halten. Buharis APC hat nun eine klare Mehrheit in beiden Häusern des nationalen Parlaments und dominiert außerdem drei Fünftel der 36 Bundesstaaten. Mit der Abwahl eines regierenden Präsidenten und der bisherigen Regierungspartei haben die Nigerianer weit über ihr eigenes Land hinaus ein klares Signal der Demokratie gesetzt. Doch die Kontrolle der Mächtigen wird auch in Zukunft mehr auf den Schultern von Zivilgesellschaft und Medien liegen als auf denen einer starken Opposition innerhalb der politischen Strukturen.

Optimistisch stimmt dagegen, dass sich viele Wähler ähnlich wie bei den Präsidentschaftswahlen nicht mehr an alte religiöse und ethnische Frontlinien gehalten haben. Deutlichstes Beispiel dafür ist der überraschende Sieg der APC im Bundesstaat Plateau. Dieser Bundestaat liegt an der Schnittstelle zwischen dem muslimisch dominierten Norden des Landes und dem christlich dominierten Süden. Der Kampf um fruchtbare Böden und andere Ressourcen führte wiederholt zu furchtbaren Massakern. Bisher konnte sich die PDP gerade in diesem Bundesstaat auf die Stimmen der christlichen Mehrheit verlassen. Nun ist es dem Kandidaten der APC offensichtlich gelungen, eine Koalition aus unzufriedenen Christen und den sich seit langem an den Rand gedrängt fühlenden Muslimen zu schmieden.

Deutsche Welle Afrika Haussa Thomas Mösch
Thomas MöschBild: DW

Knapp vorbei an der Sensation in Taraba

Eine echte Sensation hätte es beinahe im Nachbarbundesstaat Taraba gegeben. Dort hat Aisha Jummai Al-Hassan die Wahl nur knapp verloren. Die Juristin wäre Nigerias erste Frau auf einem Gouverneursposten gewesen - und das ausgerechnet in einer der am wenigsten entwickelten Regionen des Landes.

Allerdings sieht die Bilanz dieser Wahlen für die Frauen in Nigeria insgesamt schlecht aus. Selbst die Beobachtermission der Europäischen Union kritisierte, dass der Frauenanteil in beiden Häusern des nigerianischen Parlaments weiterhin sehr gering ist.

Gewalt im Delta

Doch die Regionalwahlen hatten auch viele Schattenseiten. So kam es in einigen Bundesstaaten zu deutlich mehr Gewalt als am ersten Wahlwochenende. Insbesondere im Bundesstaat Rivers gab es mehrere Tote und viele Verletzte. Dort war der Gouverneur erst 2013 zur Oppositionspartei APC gewechselt. Das ölreiche Niger-Delta, in dem Rivers liegt, wird jedoch von der PDP quasi als Privateigentum angesehen. Die exzentrische Gattin des bisherigen Präsidenten Goodluck Jonathan stammt aus diesem Bundesstaat und hat schon vor der Wahl die Stimmung kräftig angeheizt. Der Sicherheitschef wurde kurz vor der Gouverneurswahl auf Befehl aus Abuja abgezogen. Beides wurde von vielen als Signal dafür verstanden, dass die Schlägertrupps der PDP freie Bahn haben würden. In diesem Klima musste in den Wahllokalen selbst gar nicht mehr viel manipuliert werden, denn APC-Wähler trauten sich dort gar nicht erst hin. Wenn Buhari die Demokratie in Nigeria tatsächlich weiter voranbringen will, muss er sich Gedanken machen, wie er solche indirekten Manipulationen in Zukunft verhindern will.

Gedanken machen muss sich Buhari außerdem über den tiefen politischen Riss, der sich jetzt zwischen dem Südosten und dem Rest des Landes auftut. War die politische Landkarte Nigerias nach den Wahlen 2011 eindeutig zwischen dem Norden und dem Süden, also vor allem Muslimen und Christen, geteilt, so zeichnen sich auf der aktuellen Karte die Grenzen des zwischen 1967 und 1970 während eines blutigen Bürgerkriegs abtrünnigen Biafra ab. Die Trennung verläuft jetzt also wieder zwischen den diese Region dominierenden Ibos und den Völkern des Niger-Deltas auf der einen und dem Rest des Landes auf der anderen Seite. Der Erfolg der neuen Regierung wird sich auch daran messen, ob sie es schafft, diesen Teil des Landes mitzunehmen auf dem Weg des von Buhari versprochenen Wandels.