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Lasst den Rottweiler von der Leine!

Robert Mudge27. März 2015

Dass Interviews in Großbritannien mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit geführt werden, erfuhren David Cameron und Ed Miliband - mal wieder. Robert Mudge wünscht sich diese journalistische Kultur auch für Deutschland.

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David Cameron (links) im TV-Interview mit Jeremy Paxman (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/S. Rousseau

Es war ein heißer Start in den britischen Wahlkampf. Der konservative Premierminister David Cameron und sein Herausforderer der Labour-Partei, Ed Miliband, stellten sich den Fragen von Jeremy Paxman, einem der Großen seiner Zunft. Das klingt harmlos, aber wer Paxman kennt, weiß, dass dies keine plauschige Gesprächsrunde werden würde. Paxman ist bekannt für seine unnachgiebige, teils aggressive Art, Antworten einzufordern. Manchmal schlägt er dabei auch über die Stränge, aber dafür schätzen ihn die britischen Sender und das TV-Publikum – und auch am Donnerstag enttäuschte er nicht.

In getrennten Interviews wurden Cameron und Miliband in die Mangel genommen, bis ihnen die Worte fehlten – oder sie endlich mit richtigen Antworten herausrückten, denn Paxman gibt sich nicht mit den üblichen Plattitüden ab. Wer sich die Zusammenfassungen der Interviews anschaut, bekommt fast schon Mitleid mit den beiden Kontrahenten, aber genau diese Interview- und Debatten-Kultur erwarten die Briten. Sie wollen klare Antworten auf ihre Probleme und Sorgen und schicken dafür ihren "Rottweiler" Paxman ins Geschehen.

Hier in Deutschland wäre so etwas undenkbar - aber dennoch wünschenswert. Wenn man sich die TV-Debatte der Spitzenkandidaten vor der letzten Bundestagswahl 2013 anschaut, hat man das Gefühl bei einem Kaffeeklatsch zu sitzen. Allein der Unterhaltungsprofi Stefan Raab verstand es pointierte Fragen zu stellen - das sagt schon alles.

Deutsche Welle Robert Mudge
DW-Redakteur Robert MudgeBild: DW

Schuld daran ist sicherlich auch die Häufung belangloser und langweiliger Talk-Runden, bei denen Politiker wissen, dass sie ihre üblichen Phrasen von sich geben können, ohne kritische Nachfragen befürchten zu müssen. Das ist erschreckend und beschämend für die demokratische Kultur in Deutschland!

Verpasste Chance

Als die Talkshow "Hart aber Fair" auf den TV-Markt kam, hatte ich große Hoffnungen - alleine schon wegen des Namens, - dass es endlich auch mal hierzulande ein Format geben würde, bei dem Politiker und Experten intensiv befragt werden, und der Moderator sich nicht gleich mit der erstbesten Antwort oder Plattitüde zufrieden gibt. In meinen Augen verpasste man auch die Chance, das Format der Sendung mit einer Fragerunde aus dem Publikum zu ergänzen.

Auch hier ist wieder Großbritannien Vorbild. In der Sendung "Question Time" sitzen vier oder fünf Gäste aus Politik, Wirtschaft oder Kultur an einem Tisch und müssen sich Fragen aus dem Publikum stellen - Fragen, die sie vorher nicht kennen. Bei einer unzulänglichen Antwort mischt sich der Moderator David Dimbleby - eine weitere britische Journalisten-Ikone - ins Geschehen ein und lässt bei den Befragten nicht locker.

Sicherlich, nicht jeder Journalist kann ein Jeremy Paxman oder David Dimbleby sein. Aber es gibt hier in Deutschland genügend scharfsinnige und gute Journalisten, die das Handwerk erlernt haben, Politiker in die Mangel zu nehmen, ohne - und das ist wichtig - unfair oder unverschämt zu werden. Lasst sie doch mal von der Leine!