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Kommentar: Keine Entwarnung!

Hans Pfeifer6. August 2014

Die Aufklärung der rassistischen Mordserie des selbsternannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" kommt voran. Aber der spektakuläre NSU-Prozess zeigt, dass die Neonazi-Szene gefährlich bleibt, meint Hans Pfeifer.

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Neonazi - Foto: Sebastian Kahnert (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In dem Gerichtssaal bekommen sie ein Gesicht: Männer und Frauen, die mit der mutmaßlichen Mörderin und Terroristin Beate Zschäpe befreundet waren. Sie kennen die Hauptangeklagte noch als junge Frau aus der rechtsextremen Szene im Osten Deutschlands. Es waren die 90er Jahre, als in Deutschland der Hass explodierte und die Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe oder anderer politischer Gesinnung stark zunahm. Damals, als Beate Zschäpe und ihre Freunde anfingen, politisch aktiv zu werden, war es an der Tagesordnung, dass Neonazis Flüchtlingsheime überfielen, dass Rechtsextremisten durch ost- und westdeutsche Klein und Großstädte marschierten.

Verdienst des Richters

In dem Münchener Strafprozess, der jetzt Sommerpause macht, wird diese Hass-Welt genau beleuchtet. Das Gericht nimmt sich in diesem außergewöhnlichen Verfahren viel Zeit, um das Umfeld von Beate Zschäpe, ihre Freunde und ihre mutmaßlichen Helfern zu verstehen. Das ist ein Verdienst des Vorsitzenden Richters, Manfred Götzl. Im Laufe der bislang 135 Verhandlungstage erscheinen die Männer und Frauen immer wieder als Zeugen. Sie erzählen viel über einen deutschen Alltag, der sich unterhalb des Radars der großen öffentlichen Aufmerksamkeit abspielt, den viele Menschen gar nicht wahrnehmen, weil sie ganz einfach nicht im Visier der rassistischen Hassprediger sind.

Diese Zeugen erzählen davon, dass "Ausländer raus!"- Rufe ja nun wirklich nicht besonders politisch seien, dass Neonazis eigentlich ganz normale Jungs sind, dass es bei den Hass-Konzerten der Szene nur um ein bisschen Spaß ging. Die vielen Zeugen - egal ob Freunde, Sympathisanten, Unterstützer oder Nachbarn - erzählen am Ende davon, dass Vorurteile gegen andere Menschen ein Teil unserer Alltagskultur sind. Daraus muss noch keine Gewalt entstehen - aber für Gewalttäter ist es leicht, in diesem Umfeld abzutauchen.

Keine Distanzierung

Besonders erschreckend an diesen Einblicken: keiner der Zeugen aus dem Umfeld von Beate Zschäpe distanziert sich von der mutmaßlichen Mörderin. Keiner distanziert sich von der Grausamkeit der Taten. Keiner distanziert sich von der Ideologie des Hasses. Im Gegenteil: Sie versuchen die Angeklagten durch Schweigen zu schützen.

Beate Zschäpe hat das bislang nicht viel geholfen. Die Beweise sprechen in diesem besonnen geführten Strafprozess klar gegen sie. Ihr droht als Mittäterin von zehn Morden eine lebenslange Haftstrafe. Eine Gefahr aber bleiben die vielen Unterstützer aus ihrem Umfeld. Sie bleiben ein Nährboden des Hasses. Und damit eine Bedrohung für Menschen in Deutschland.