1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Junckers wunderbare Geldvermehrung

Barbara Wesel26. November 2014

Jean-Claude Juncker, der neue Präsident der EU-Kommission, will mit finanziellen Zaubertricks aus wenig eigenem Geld Investitionen in Milliardenhöhe schaffen. Das verdient Lob und nicht Kritik, meint Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/1Dtww
Jean-Claude Juncker Pressekonferenz 12.11.2014
Bild: picture-alliance/dpa/Olivier Hoslet

Wer Weihnachtsgeschenke bringt, muss mit Enttäuschungen rechnen. Und so gesehen ist Jean-Claude Junckers Investitionspaket tatsächlich nicht die reine Freude: Es erinnert an einen großen, hübsch verpackten Karton, in dem schließlich ein paar Knäuel Wolle und der Hinweis zu finden sind, man könne sich einen schönen warmen Schal daraus stricken. Denn mit nur 21 Milliarden Euro aus europäischen Töpfen will er das fünfzehnfache, also über 300 Milliarden an Investitionen zaubern. Und zwar indem er private Investoren anlockt.

Die EU hat kaum eigenes Geld

Jeden Privathaushalt muss das an Magie erinnern, und selbst Befürworter des Plans geben zu, dass dieses Ziel sehr ehrgeizig ist. Die Begeisterung hält sich also in Grenzen. Das Problem des EU-Kommissionpräsidenten dabei ist aber, dass er überhaupt kein Geld mehr zu verschenken hat: Geld aus Brüssel, mit dem in der Vergangenheit Tausende nutzloser Kilometer Autobahn, Brücken nach Nirgendwo und Flughäfen für Niemanden vor allem in Südeuropa finanziert wurden. Und das ist im Prinzip auch gut so.

Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Und finanziell muss Juncker schon für die geplante, sehr bescheidene Grundausstattung seines Fonds auf dem Boden der Tonne kratzen. Denn die Mitgliedsländer haben ihm in seinem mehrjährigen Haushalt bis 2020 zusätzliches Geld einfach nicht bewilligt. Es ist aber das übliche billige Schwarze-Peter-Spiel in Brüssel, die Kommission jetzt wegen ihres "Abrakadabra- Investitionspaketes der wunderbaren Geldvermehrung" zu verspotten, obwohl man doch zuvor dafür gesorgt hat, dass sie kein Geld in der Kasse hat.

Barbara Wesel (Foto: Georg Matthes)
Barbara Wesel, DW-ReporterinBild: Georg Matthes

Die Mitgliedsstaaten geizen gegenüber Brüssel

Die EU soll großzügig die Milliarden in lahmende europäische Volkswirtschaften schaufeln? Wer das will, muss ihr welches bewilligen! Wenn die Linke also im Europäischen Parlament frisches Geld verlangt und einmal mehr die von Deutschland dominierte Sparpolitik anklagt, hat sie in gewisser Weise Recht. Bundeskanzlerin Angela Merkel gehörte auch zu denen, die gegen eine Erhöhung des EU-Haushaltes kämpften. Und darüber hinaus dürfen sich die Kritiker auch noch beim britischen Premier David Cameron bedanken: Er will nicht einmal seine Beiträge aus der Vergangenheit bezahlen.

Ein weiterer Vorwurf gegen die Pläne von Jean-Claude Juncker heißt: Warum nimmt er nicht einfach falsch eingesetzte Mittel aus dem EU Haushalt, zum Beispiel fehlgeleitete Energiesubventionen oder unnütze Hilfen aus dem Agrarbudget, und schnürt die so gesparten Milliarden zu einem echten großen Investitionspaket? Wer so redet, weiß entweder nicht, wie Europa funktioniert oder polemisiert einfach. Jeder Euro aus diesen Töpfen wurde im harten Ringen der Mitgliedsländer verteilt. Es ist unmöglich, daraus Geld zu entnehmen - Paris, Rom oder Madrid würden ein Riesengeschrei machen. Denn eines ist doch klar: Das Geld der EU kommt von den Mitgliedsländern. Wenn die nichts geben, ist nichts da. Juncker jetzt für sein spärlich ausgestattetes Programm zu prügeln, ist deswegen unlauter.

Junckers Vorschläge sind kreativ

Und schließlich: Was spricht eigentlich gegen ein bisschen kreatives Denken? In Zeiten der Knappheit muss man Ideen haben, wie zum Beispiel, die Experten der Europäischen Investitionsbank zum Wächter über neue Projekte zu machen, die die Konjunktur in den Mitgliedsländern anschieben sollen. Sie müssen dafür sorgen, dass nicht mehr in Beton investiert wird wie früher, sondern in Zukunftsprojekte bei Forschung, Bildung und nachhaltiger Entwicklung. Das könnte besser funktionieren, als die Wunschliste der Mitgliedsländer abzuarbeiten. Und die Tatsache, dass die EU-Staaten dabei einen Teil des eingesetzten Geldes selbst garantieren sollen, könnte auch institutionelle Investoren wie etwa Pensionsfonds anlocken, die Risiken scheuen müssen.

Gleichzeitig steht und fällt der Brüsseler Plan mit der Reformbereitschaft der Mitgliedsländer. Gerade in Frankreich und Italien sind die Übel von Überregulierung und verkrusteten Arbeitsmärkten lange bekannt. Investoren werden nur kommen, wenn die Länder endlich etwas dagegen unternehmen. Und so hängt selbst ein bescheidener Erfolg dieses Investitionspaketes davon ab, dass die Regierungen in Europa seinen Erfolg auch wollen. Sie müssen aktiv dafür arbeiten, dass von der Riesenmenge ungenutzten Kapitals an den internationalen Finanzmärkten endlich etwas bei ihnen landet. Denn tatsächlich kann die Europäische Kommission nicht zaubern. Ihr Präsident Jean-Claude Juncker kann bestenfalls so tun als ob.