1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Europa kann doch Krisenmanager

Barbara Wesel13. Februar 2015

Die EU muss sich häufig außenpolitische Uneinigkeit und Unfähigkeit vorwerfen lassen. In der Ukraine-Krise haben Frankreich und Deutschland alles getan, um dieses negative Bild zu korrigieren, meint Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/1EazM
Merkel und Hollande erleichtert nach den Gesprächen in MinskBild: Reuters/V. Fedosenko

Erschöpft, skeptisch, aber auch ein bisschen zufrieden - die Teilnehmer am Verhandlungsmarathon von Minsk konnten sich beim Gipfeltreffen in Brüssel der Anerkennung ihrer europäischen Kollegen erfreuen. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte ihre Augenringe und ihr unglaubliches Stehvermögen und blieb bei einer vorsichtigen Bewertung des überarbeiteten Abkommens: Sie und ihr Mitstreiter, Frankreichs Präsident Francois Hollande, sprachen lediglich von einer Hoffnung auf Frieden. Mehr konnten Merkel und Hollande unter den gegebenen Umständen nicht erreichen. Aber sie haben damit gezeigt, dass die Europäische Union durchaus als Krisenmanager und außenpolitischer Akteur auftreten kann.

Frankreich und Deutschland wieder als Tandem

Das hat in diesem Fall auch deshalb funktioniert, weil nur zwei große Mitgliedsstaaten beteiligt waren, die zwar durch persönliche Differenzen getrennt, aber doch durch die Geschichte der deutsch-französischen Zusammenarbeit miteinander verbunden sind. Merkel und Hollande sind erwachsen genug, um kleinteilige Streitereien um nationale Defizite, Konjunkturmaßnahmen und dergleichen zurückzustellen, weil es wichtiger war, gemeinsam auf den russischen Präsident Waldimir Putin einzuwirken. Die Erfahrung, dass man in Europa zu Ergebnissen kommt, wenn Frankreich und Deutschland zusammenarbeiten, hat sich in der Ukraine Krise einmal mehr bestätigt. Selbst wenn ein wirklich positives Ergebnis nicht mehr in der Hand der Unterhändler liegt. Jedenfalls war dieser europäische Ansatz, quasi unbegrenzte diplomatische Geduld und Beharrlichkeit zu zeigen, zunächst erfolgreicher als die amerikanische Drohung mit Waffenlieferungen und begleitender Haudrauf-Rhetorik.

Barbara Wesel Porträt (Foto: DW)
Barbara Wesel, DW-Korrespondentin in BrüsselBild: Georg Matthes

Gemeinsamkeit als Schlüssel der Ukrainepolitik

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko lobte denn auch, seiner Angst vor der Fortsetzung der Kämpfe zum Trotz, die Einigkeit der Europäischen Union. Dabei gibt es die nicht wirklich. Die Ukrainepolitik ist ein Minenfeld, und Länder wie Österreich oder Ungarn zucken jedes Mal zusammen, wenn es um die Ausweitung der Sanktionen gegen Russland geht. Frankreich blieb auf einem Kriegsschiff für eine halbe Milliarde Euro sitzen, das wegen der Sanktionen nicht geliefert werden durfte. Auch die deutsche Wirtschaft musste Einbußen im Russlandgeschäft verkraften. Und polnische Bauern bekamen von der EU Schadensersatz für ihre Apfelernte, die von Russland nicht mehr abgenommen wurde. Aus diesen und anderen Gründen hat es in der Europäischen Union in den vergangenen Monaten durchaus im Gebälk geknirscht. Aber man hat sich zusammengerauft.

In anderen Fällen hat das nicht geklappt: Die Europäer haben in Syrien ebenso kläglich versagt, wie die Vereinigten Staaten. Da haben die einen auf die Entscheidung der anderen gewartet und am Ende hat niemand gehandelt. Der Aufstieg des "Islamischen Staates" und die aus diesem Machtvakuum entstandene Bedrohung durch seine Terrorkämpfer haben seit den Anschlägen von Paris den europäischen Regierungschefs brutal vor Augen geführt, dass man sich inzwischen nur noch zum Abwehrkampf gegen gewaltbereite Islamisten zusammenschließen kann. Es ist auch ein Ergebnis versäumter Außenpolitik, dass die EU jetzt die Speicherung von Fluggastdaten, mehr Zusammenarbeit der Geheimdienste, das Löschen von Terrorhetze im Internet und ähnliches vereinbart hat. Das ist die Reaktion auf eine Notlage, an der man mit Schuld trägt.

Großbritannien im europapolitischen Abseits

Schade übrigens, dass sich Großbritannien durch die Absetzbewegungen seines Premiers David Cameron europapolitisch völlig an den Rand manövriert hat. Aus der Außenpolitik hat sich London völlig verabschiedet, obwohl die Briten neben die Franzosen die größte Erfahrung etwa im Nahen und Mittleren Osten haben. Aber die von den Konservativen gepflegte Europa-Feindschaft hat dazu geführt, dass Großbritannien die Politik in Brüssel generell nur noch von der Seitenlinie betrachtet. Abgesehen von unerheblichen Bemerkungen zum Euro und zu Griechenland, mit denen sich London in und wieder zu Wort zu meldet. Apropos: Zu dem Thema hat die energische litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite beim Gipfeltreffen das abschließende Wort gefunden: "Griechenland ist nun wirklich nicht unser größtes Problem". Aber weiß man das auch in Athen? Die vorübergehende Ruhe dürfte nur bis zum nächsten Finanzministertreffen am kommenden Montag halten. Dann darf der Schwanz wieder mit dem Hund wackeln, und ein kleines Land seine Wünsche über das Gemeinschaftsinteresse stellen.