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Energiegipfel als Trippelschritt

Jens Thurau2. April 2014

Bund und Länder haben sich auf eine Ökostromreform geeinigt: Eine Deckelung bleibt moderat und die Industrie bekommt weiter Rabatt. Jens Thurau vermisst angesichts der Herkulesaufgabe eine klare Ansage von oben.

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DW-Mitarbeiter Jens Thurau (Foto: DW/D. Engel)
Bild: DW/D. Engels

Auf internationalen Klima- und Energie-Konferenzen hört man oft diese Einschätzung: Toll, was ihr Deutschen da macht, Respekt, und wenn es jemand schafft, dann ihr. Aber nehmt ihr euch nicht ein bisschen viel vor?

Noch mal zum Mitschreiben: raus aus der Kernenergie in gut zehn Jahren; aus der Kernenergie, die früher fast 30 Prozent des Stroms in Deutschland erzeugte. Rein in die Erneuerbaren, die in wenigen Jahren Dank üppiger Förderung aus dem Nischendasein zu einem Industriezweig geworden sind. Bau neuer Leitungen quer durchs Land, um Windstrom vom Norden in den industriestarken Süden zu bringen, vorbei an wütenden Bürgern - wer will schon neben riesigen neuen Strommasten wohnen?

All das passiert natürlich zeitgleich. Und es spielen mit: die Industrie, die höhere Kosten fürchtet, die Energiewirtschaft, die lange Jahrzehnte gut von Atom und Kohle lebte - ebenfalls dank üppiger Förderung, was viele gern vergessen. Und die neue Wind-, Sonnenkraft- und Biomassebranche, die sich an die bisherigen hohen Förderungen gewöhnt hat. Und die 16 Bundesländer, die ohne ein gemeinsames Konzept mal hier auf Wind setzen und dort auf Biomasse oder Sonne. Und die Regierung darf stets darauf achten, dass die Kosten im Rahmen bleiben, denn den Umstieg vom Atom auf Wind oder Sonne zahlen in Deutschland die Stromkunden. Und weiter: Dem Klimaschutz soll das Ganze auch noch dienen, Deutschland gilt ja weltweit als Vorreiter beim Kampf gegen die Treibhausgase. Auf schmutzige Verfahren wie das Fracking, um Gas aus tiefen Schichten zu fördern, verzichten die Ehrgeiz-Deutschen auch: Wäre wohl auch kaum durchsetzbar gegen die mächtigen Bürgerinitiativen und Umweltverbände.

Der all das koordinieren und irgendwie mit einer Richtung versehen darf, heißt Sigmar Gabriel und ist Wirtschafts- und Energieminister sowie Chef der SPD. Mitleid muss man nicht haben mit ihm: Er hat es so gewollt. Er hätte Fraktionschef werden können, und wenn die SPD stur geblieben wäre, vielleicht sogar Finanzminister. Er wollte aber dieser Super-Minister sein für Wirtschaft und Energie, um die Energiewende zu stemmen, jetzt muss der SPD-Chef damit leben, wie kompliziert das ist mit dem deutschen Sonderweg in Sachen Energieversorgung.

Beim Gipfel im Kanzleramt bekam er am Dienstag (01.04.2014) einen kleinen Eindruck davon, wer so alles mitspielt beim Milliarden-Geschäft Energie, und wie wenig von seinen Plänen übrig blieb, die Preise stabil zu halten, indem alle Beteiligten ihre Ambitionen ein wenig deckeln: Weniger Windförderung im Norden, weniger Biogassubventionen in Bayern - und die Industrie, die lange wenig, bis gar nichts beitragen musste zum Öko-Umbau, die wollte Gabriel moderat an den Kosten beteiligen. Durchgesetzt hat sich fürs Erste die Wirtschaft: Sie bleibt von allzu hohen Belastungen verschont. Ein paar Wochen harter Lobbyarbeit haben genügt, um die Stimmung zu wenden. Und die Länder dürfen doch wieder mehr Windräder bauen und Biogasanlagen. Die Strompreise werden wohl weiter steigen, wenn auch nur moderat, wie Gabriel beteuert.

Ohnehin war das Treffen im Amt der Kanzlerin nur einer von vielen Trippelschritten, um der Wende eine Richtung zu geben. Nötig wäre mal eine klare Ansage, die ungefähr so lauten könnte: Die Energiewende ist richtig, denn sie modernisiert das Land und macht uns unabhängiger von Energieimporten vor allem aus Russland. Sie nützt dem Klima. Sie kostet viel Geld, das alle gemeinsam aufbringen müssen, auch die Industrie, die immer über zu hohe Belastungen jammert und trotzdem international blendend dasteht. Der Strompreis wird weiter steigen - die Kosten fürs Autofahren und fürs Heizen steigen ja auch, aber darüber wird nicht so hitzig gestritten. Der Bau neuer Leitungen gehört zur Energiewende, auch wenn das vielen nicht passt.

Wäre nicht schlecht, wenn solch eine klare Ansage mal von ganz oben käme, von der Kanzlerin etwa, die so gern moderiert und die Detailarbeit lieber ihrem Vize überlässt - das macht sich besonders gut, wenn das Ganze vor die Wand fahren sollte.

Denn es stimmt ja, was da auf internationalen Konferenzen so geraunt wird: Die Energiewende ist schon sehr, sehr ehrgeizig, aber schaffen können wir das, wir Deutschen. Man muss es aber als ein nationales Großprojekt begreifen. Ein kluger Mensch hat mal gesagt, das Ganze hätte etwas von einer Mondlandung.