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Kommentar: Die Illusion vom einfachen Ausweg

Christoph Hasselbach24. Mai 2012

Der EU-Sondergipfel hat gezeigt: Mehr und mehr Regierungen wollen sich vom harten Konsolidierungskurs verabschieden. Das ist ein Irrweg, meint Europakorrespondent Christoph Hasselbach in Brüssel.

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Christoph Hasselbach (Foto: DW)

Wachstum ist das neue Zauberwort in Europa. Wachstum war auch das große Thema dieses Sondergipfels. Die Initiatoren verkaufen die Wachstumsidee als etwas ganz Neues, als Wundermittel gegen die Krise. Und sie bringen sie in einen fatalen Gegensatz zur Konsolidierungspolitik. Dass das Sparen und Reformieren in Athen, Lissabon oder Madrid keine Begeisterungs- sondern eher Proteststürme auslösen, ist verständlich. Von Griechenland abgesehen, wurde der mühsame Weg aber insgesamt akzeptiert. Doch der Wind hat sich gedreht mit der Wahl des neuen französischen Präsidenten Hollande. Jetzt verspüren alle diejenigen Oberwasser, denen die ganze Richtung noch nie gepasst hat. Sie behaupten, das Sparen habe ja offensichtlich nichts genützt, es habe die Staaten im Gegenteil noch tiefer ins Elend gestürzt - Wachstum soll es nun richten.

Wachstum, ja klar, aber wie?

Nun hat niemand etwas gegen Wachstum, auch die Bundeskanzlerin nicht. Doch die Politiker verstehen darunter unterschiedliche Dinge. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob Wachstum aus Reformen entsteht, die ein Land wettbewerbsfähiger machen, oder ob man öffentliche Gelder für ein Konsum-Strohfeuer verpulvert und damit die Schulden noch mehr erhöht, ohne die eigene Volkswirtschaft auch nur einen Meter voranzubringen. Wer das zweite im Sinn hat, hütet sich, das offen zu sagen. Doch darauf laufen einige der Vorschläge hinaus.

Solidarität ohne Gegenleistung ist nicht vermittelbar

So ist es auch mit der Idee der Gemeinschaftsanleihen, auch Eurobonds genannt. Ein einheitlicher Zinssatz für gemeinschaftliche Staatsanleihen ist für die unsoliden Staaten so attraktiv, wie er für die stabilen Länder abschreckend ist: Warum sollen sich Spanien oder Italien weiter anstrengen, wenn sie nicht mehr durch hohe Zinssätze diszipliniert werden? Die Zeche würden die soliden Länder zahlen, zum Beispiel Deutschland. Der Zinssatz dort würde steigen. Die Deutschen haben ihr Land durch schmerzhafte Reformen und relativ niedrige Lohnabschlüsse wettbewerbsfähig gemacht. Sie ernten nun nach Jahren die Früchte. Sie sind auch überwiegend bereit, für die schwachen Länder des Südens einzustehen - aber nur, solange sie wissen, dass sich die Empfänger reformieren. Welcher Politiker wollte den Deutschen jetzt erklären, sie sollten ohne Gegenleistung für andere haften, die dann schön weiter über ihre Verhältnisse leben könnten wie bisher?

Standhaft bleiben

Dieser Sondergipfel hat keine Beschlüsse gebracht. Er war nur das Vorspiel für den entscheidenden Junigipfel. Er hat aber die Stimmung und eine Verschiebung der Kräfte deutlich zum Ausdruck gebracht. Frau Merkel hat es immer schwerer, ihre Linie einer konsequenten Konsolidierung und Haushaltsdisziplin zu verteidigen. Sie sollte es trotzdem tun, auch wenn ihr französische Unterstützung abhandenkommt. Es ist ein anstrengender Weg, aber auch der einzig erfolgversprechende.