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Kommentar Merkel China Bilanz

Matthias von Hein8. Juli 2014

Viel Routine und wenig Überraschendes brachte der Besuch von Kanzlerin Merkel in China. Ein gutes Zeichen für den Stand der Beziehungen, die vor möglicherweise schwierigen Zeiten stehen, meint Matthias von Hein.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Chinas Premier Li Keqiang in China (Foto: REUTERS/Andy Wong/Pool)
Bild: Reuters

Zwei Dinge werden von diesem Besuch der Kanzlerin in Peking im Gedächtnis bleiben: Dass sie ausgerechnet neben dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang die amerikanische Ausforschung des NSA-Untersuchungsausschusses kritisieren musste. Und dass deutsche Wirtschaftsvertreter offenbar der Meinung sind, es müsse für eine "positivere Berichterstattung" über China gesorgt werden. Bei aller Liebe zum mittlerweile unverzichtbaren Wirtschaftspartner: Deutsche Unternehmer sollten wissen, dass Medien in Deutschland anders funktionieren als in China - nicht von der Politik gelenkt, sondern unabhängig und ihren Nutzern verpflichtet.

Institutionalisierte Beziehungen

Dass der Besuch einer deutschen Kanzlerin in Peking mittlerweile neben diesen Randgeschichten wenig andere Schlagzeilen produziert, ist ein Zeichen für die zunehmend engen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Was gestern noch als außergewöhnlich galt, ist heute fast Normalität. Dabei war es nicht selbstverständlich, dass beim Besuch von Angela Merkel in Peking Salutschüsse über den Platz des Himmlischen Friedens donnerten. Nicht jeder Staatsgast wird so geehrt. Und dass die feierliche Unterzeichnung von Wirtschaftsverträgen in Milliardenhöhe mittlerweile zum festen Ritual von Kanzlerreisen nach China gehört, nimmt ihnen nichts von ihrem Wert. Der Besuch von Kanzlerin Merkel bewegte sich im Bereich des Erwartbaren: Dialogforen, Wirtschaftsgespräche, Besuch in der Provinz, Rede vor Studenten - und vermutlich auch das Ansprechen von Menschenrechtsfragen hinter verschlossenen Türen. Die mittlerweile siebte Reise der Kanzlerin nach Peking zeigt: Arbeitsbesuche in Peking werden mittlerweile mit ähnlicher Routine abgewickelt, wie Arbeitsbesuche in Frankreich. Sie sind überraschend weit institutionalisiert.

Deutsche Welle Chinesische Redaktion Matthias von Hein (Foto: DW)
Leiter der DW-China-Redaktion Matthias von HeinBild: DW

Sind die "goldenen Jahre" vorüber?

Das ist gut. Denn möglicherweise stehen dem von der Wirtschaft getriebenen deutsch-chinesischen Tandem schwierigere Zeiten bevor: Der Präsident der Europäischen Handelskammer in China warnt, die "goldenen Jahre in China" seien vorüber. Und obwohl Ministerpräsident Li Keqiang bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel von sich aus über Menschenrechte sprach, wächst der Druck auf Oppositionelle im Inneren. Und auch im Außen wachsen die Spannungen, etwa im Süd- und Ostchinesischen Meer.

Es war sicher Zufall: Aber Merkels Besuch in China fiel auf den 77. Jahrestag des Beginns der japanischen Invasion in China. Staatspräsident Xi Jinping nahm an den Feierlichkeiten teil. Die auch sonst allgegenwärtige Erinnerung an die - in der Tat furchtbaren - japanischen Kriegsgräuel erfüllt in diesen Tagen einen politischen Zweck: Der äußere Feind soll die Nation hinter der KP Chinas einigen. Zugleich soll Chinas Position im Streit um die Senkaku/Diaoyu Inseln gestärkt werden. Ebenso ist es Zufall, dass schon einen Tag nach Merkels Abreise in Peking der sogenannte amerikanisch-chinesische strategische und Wirtschaftsdialog beginnt. Hier wird es deutlich kontroverser zugehen als bei den Gesprächen Merkels. Angesichts eines nach außen immer offensiver und aggressiver auftretenden Chinas schreibt die Washington Post gar von den schlechtesten Beziehungen seit Richard Nixon. Noch kann Berlin eine Position als Mittler einnehmen. Sollten die latenten Konflikte aber eskalieren, wird Deutschland Position beziehen müssen.