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Haften und hoffen

Bernd Riegert20. Juli 2012

Spaniens Banken erhalten bis zu 100 Milliarden aus dem europäischen Rettungsfonds. Die Euro-Zone macht damit einen weiteren Schritt hin zur "Haftungsunion", meint Bernd Riegert.

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Der spanische Staat war finanziell nicht mehr in der Lage, maroden Banken aus der Patsche zu helfen. Lange hat die spanische Regierung versucht, diese Tatsache zu verschleiern und zu verschleppen. Mit dem Beschluss der Finanzminister der Euro-Gruppe hängt Spanien jetzt voll am Rettungsschirm der solventen Euro-Länder. Da hilft auch wortreiche Rhetorik nichts. Die 100 Milliarden Euro werden zwar kunstvoll zunächst an den spanischen Bankenrettungsfonds überwiesen. Falls diese Kredite nicht zurückgezahlt werden können, haftet aber der spanische Staat für die abenteuerlichen Fehlspekulationen der Banken.

Damit wird vermieden, dass der europäische Rettungsfonds direkt zahlreiche auch bereits verstaatlichte Banken in Spanien vor der Pleite bewahrt. Das führt aber dazu, dass die 100 Milliarden Euro, wenn sie in mehreren Tranchen ausgezahlt werden, die spanische Staatsverschuldung erhöhen werden. Eine höhere Verschuldung drückt die Kreditwürdigkeit. Die Finanzmärkte haben bereits entsprechend reagiert. Die Zinsen, die Spanien für seine Staatsanleihen berappen muss, sind abenteuerlich hoch. Auf Dauer wird Spanien diese Refinanzierung nicht durchhalten können. Unterm Strich: Die Banken sind vielleicht gerettet, der Staat wird aber weiter belastet.

Deutsche Welle Bernd Riegert Zentrale Programmredaktion, Querschnittsthemen. (Foto DW)
Bernd Riegert, EuroparedaktionBild: DW

Geld ohne viel Gegenleistung

Für die Euro-Zone bedeutet die Bankenrettung über Umwege, dass die Haftung ausgeweitet wurde, ohne dass die Euro-Zone direkten Zugriff auf das Geschäftsgebaren der Banken bekommt. Als Gegenleistung für die riesige Summe gibt es nur das Versprechen des Staates, den Banken auf die Finger zu sehen und eine Restrukturierung einzuleiten. Das ist neu. Denn bislang gab es Geld für Griechenland, Portugal oder Irland nur gegen knallharte Auflagen. Spanien bekommt für diese 100 Milliarden mildere Konditionen. Andere Schuldenstaaten könnten bei der nächsten Rettungsrunde ebenfalls auf Milde drängen. Irland tut dies bereits. Griechenland verlangt eine Lockerung der Auflagen.

Die Bankenrettung durch den Rettungsschirm birgt noch große Risiken. Unklar ist, wie hoch der tatsächliche Finanzbedarf der maroden Banken tatsächlich ist. Der soll erst bis Ende September feststehen. Unklar ist auch, wie hoch die finanziellen Risiken aus faulen Immobilienkrediten tatsächlich sind. Ein spanisches Gericht hat gerade privaten Gläubigern Entschädigungen für ihre wertlos gewordenen Anteile an maroden Banken zugesprochen. Sollte sich dieser Trend durchsetzen, müsste der europäische Rettungsfonds womöglich bald private Gläubiger entschädigen. Europäische Steuerzahler haften dann für spanische Anleger. Aus der Währungsunion würde ziemlich schnell eine Haftungsunion, die es ja laut deutscher Regierung, nicht geben soll.

Hoffnung auf Besserung könnte trügen

Das ist Augenwischerei, denn die nächsten Schritte zur gemeinsamen Haftung werden schon gegangen. Sollte der permanente Rettungsfonds ESM nach der Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts im September irgendwann seine Arbeit aufnehmen, wird die gemeinsame Haftung zur Regel. Die Bankenrettung soll dann europaweit möglich sein, sobald eine gemeinsame Bankenaufsicht installiert ist. Außerdem soll der ESM direkt Staatsanleihen überschuldeter Staaten aufkaufen können. Die Schleusen für eine Vergemeinschaftung von Schulden werden weit geöffnet werden. Davor warnt sogar Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

Die deutsche Bundesregierung verbreitet immer noch die vage Hoffnung, dass es so weit schon nicht kommen werde. Finanzminister Wolfgang Schäuble setzt also mehr auf eine "Hoffungs-Union", um die Haftungsunion in Europa zu kaschieren. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die Rettungsmaßnahmen leider nicht fruchten. Mit Spanien und Zypern hängen nunmehr fünf Staaten am Tropf. Italien und Slowenien könnten bald dazu kommen. Die Ansteckungsgefahren sind entgegen aller Hoffnung nicht gebannt worden. Ohne gemeinschaftliche Haftung, die für die Steuerzahler in solventen Staaten wie Deutschland teuer werden wird, ist die Schuldenkrise wahrscheinlich nicht zu lösen.

Ach ja, die Hoffnung, dass die Finanzminister für die Schuldenkrise irgendwann eine Lösung finden, sollte man trotz der bedrohlichen Szenarien natürlich nicht aufgeben.