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Kommentar Argentinien

Uta Thofern3. Juli 2014

Eine winzige Gruppe von Kapitalisten will aus Geldgier eine ganze Volkswirtschaft ruinieren, behauptet die argentinische Regierung. Präsidentin Kirchner spielt ein gefährliches Spiel, meint hingegen Uta Thofern.

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Symbolbild Argentinien Wirtschaft Banco Central
Bild: picture alliance/Demotix

Cristina Kirchner hat in der Schuldenkrise immer schon hoch gepokert - bisher mit Erfolg. Was die Vorgängerregierungen Meném und de la Rúa erst ihrem Mann, dann ihr als Präsidentin hinterlassen hatten, schien aus dem Weg geräumt. Mit den hart verhandelten Umschuldungen 2005 und 2010 schien Argentinien wieder auf einem Weg der Stabilisierung, die Wirtschaft wuchs und der Schuldendienst wurde pünktlich bedient. Die kleine Gruppe von Investoren, die sich nicht auf eine Umschuldung eingelassen hatte, wurde zunächst beharrlich ignoriert, dann kriminalisiert. "Geierfonds" nennt Kirchner die Hedgefonds, die inzwischen erfolgreich geklagt und damit Argentinien bereits in die technische Zahlungsunfähigkeit getrieben haben, weil ihre Forderungen den Schuldendienst an alle anderen blockieren.

Eine Darstellung, die auf den ersten Blick überzeugend wirkt - nicht nur, weil sie das Vorurteil von der "hässlichen Fratze des Kapitalismus" auf das Schönste bedient. Tatsächlich stellt sich ernsthaft die Frage, warum eine kleine Minderheit unter den Gläubigern die große Lösung torpedieren und damit die Zahlungsfähigkeit eines ganzes Landes gefährden kann - auf Kosten nicht nur der anderen Gläubiger, sondern vor allem auf Kosten der Menschen in Argentinien. Moralisch steht das Urteil hier schnell fest, und genau darauf setzt Cristina Kirchner.

Moral vor Recht?

Nach der Gruppe der 77 wird mit ziemlicher Sicherheit auch die Organisation Amerikanischer Staaten - bei Enthaltung der USA, vielleicht auch noch Kolumbiens - auf eine internationale Regelung dringen und Kirchner in ihrer Kritik an den Hedgefonds unterstützen. Sollten die Fonds ihre Forderungen komplett durchsetzen, wären die Konsequenzen tatsächlich gravierend: Auch wenn das internationale Finanzsystem heute schon vielfach nach anderen Regeln spielt, würden nicht nur im Fall Argentinien weitere Gläubiger eine Gleichbehandlung verlangen. Die Signalwirkung würde Umschuldungen weltweit viel komplizierter machen.

Allerdings sind erstens die Hedgefonds juristisch vollkommen im Recht. Zweitens vertreten sie nicht nur gewiefte Finanzjongleure, sondern auch Kleinanleger, die ihre Ersparnisse in argentinische Staatsanleihen investiert haben. "Geier" sind eben auch Menschen. Menschen, die naiv darauf vertraut haben, dass Staatsanleihen sicher sind, weil Staaten internationales Recht achten und deshalb ihre Zusagen einhalten. Das Argentinien der Kirchners hat das nicht getan. Und: Der wirtschaftliche Aufschwung, der durch die Umschuldungen erkauft wurde, ist nicht etwa für eine solide Umstrukturierung oder den Ausbau der Infrastruktur genutzt worden, sondern in Konsum, Subventionen und Sozialprogramme geflossen. Eine Wirtschaftspolitik zwischen Enteignung, Preiskontrollen und bizarrer Devisenbewirtschaftung führte Argentinien zurück in die Krise. Schuld daran aber, so die Regierung, seien nur die Altschulden.

Spiel auf Zeit

Die "Geierfonds" liefern den Kirchneristas eine weitere Ausrede, ihre verfehlte Politik nicht nur Anderen anzulasten, sondern möglicherweise auch noch die Kosten dafür zu internationalisieren. Argentinien spielt auf Zeit: Entweder verzichten die Hedgefonds unter internationalem Druck auf einen Großteil ihrer Forderungen und der Staatsbankrott ist innerhalb der verbleibenden Frist bis Ende Juli abgewendet. Oder aber Argentinien schlittert auf dem Rücken der eigenen Bevölkerung bewusst hinein in die nächste Pleite und wartet, bis Ende des Jahres eine Klausel zur Gleichbehandlung aller Gläubiger ausläuft. Die Schuldfrage ist ja schon gedeutet und dürfte im bevorstehenden Wahlkampf sogar noch ausgeschlachtet werden. Nicht zuletzt würde eine erneute Umschuldung die Schuldenlast am Ende weiter mindern.

Das aber ist ein Szenario, das mindestens ebenso verheerend ist wie die Vorstellung, die Hedgefonds könnten sich vollständig durchsetzen. Die internationale Gemeinschaft muss für Argentinien einen Kompromiss finden und langfristig auf Regelungen bestehen, die Rechtssicherheit schaffen, für Investoren ebenso wie für Staaten. Ein einseitiges Urteil nach moralischen Kriterien hilft dabei nicht weiter. Ein einheitliches internationales Insolvenzrecht muss die wichtigste Währung der Weltwirtschaft schützen: Vertrauen.