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Biedermann und Brandstifter

Volker Wagener5. Januar 2015

Ist Pegida nichts als berechtigter Widerstand gegen Islamisten? Oder geht es schon längst gegen den Islam als solchen? Und welche Rolle spielt dabei die AfD? Mindestens eine gefährliche, meint Volker Wagener.

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Pegida-Demonstration in Berlin - Foto: Odd Andersen (AFP)
Bild: O. Andersen/AFP/Getty Images

"Wer hat Angst vor'm schwarzen Mann?" war einmal ein beliebtes Kinderspiel - damals, als Smartphones noch nicht erfunden und Nachrichten abends im Fernsehen und morgens in der Zeitung konsumiert wurden. Das Angst-machen-Spiel des analogen Zeitalters ist nicht wirklich tot. Es wird inzwischen von Erwachsenen gespielt. Woche für Woche, immer montags, wenn Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) zu Demonstrationen in verschiedenen deutschen Städten aufruft.

Tausende besorgte Abendländer geben vor, sich vor dem Islam zu fürchten und bekunden das öffentlich mit ritualisierten Demonstrationszügen. Tausende und noch ein paar mehr machen Front dagegen und bekommen verbalen Flankenschutz durch Spitzenpolitiker fast aller Parteien. Denn die Gegendemonstranten prangern das Ausländerfeindliche in den Pegida-Protesten an. Viele haben ein bisschen Recht, wenige den Durchblick. Es geht um die Frage, ob alle Pegida-Protestler den Zorn der Gegendemonstranten und die Kritik der Politik verdienen. Es fehlt die richtige Einordnung des neuen Phänomens. Und das ist gefährlich, denn politisch kann das Thema entgleiten!

Wenn der Stammtisch auf die Straße geht

Gefährlich ist die Pegida-Bewegung allein schon deshalb, weil sie ein diffuses Islamverständnis transportiert. Am Anfang ging es um mordende Islamisten, um Fanatiker im Namen Allahs, die Geiseln vor laufenden Kameras köpfen. Inzwischen steht bei einem Großteil der Montagsdemonstranten der Islam generell unter Anklage.

Volker Wagener - Foto: Per Henriksen
Volker Wagener, DW-RedakteurBild: DW

Und längst geht es auch um Asylbewerber, um Flüchtlinge - eben alle, die angeblich das Abendland bedrohen. So ist das, wenn der Stammtisch auf die Straße zieht mit seinen ausgesprochen simplen Vorschlägen zur "Rettung Deutschlands". Pegida ist ein Forum für einfache Lösungen. Was schlimm genug ist. Wenn die Vereinfachung der Welt aber obendrein von einer Partei - nämlich der AfD - mitgetragen wird, die inzwischen in drei Landesparlamenten vertreten ist, dann ist Gefahr im Verzuge.

AfD, das parlamentarische Sprachrohr der Pegida-Bewegung

Unter den rund 30 Prozent der Deutschen, die hinter Pegida ein berechtigtes Anliegen sehen, sind besonders viele AfD-Anhänger. Der schon etwas längere Disput darüber, ob denn die AfD (Alternative für Deutschland) aus der Mitte der Gesellschaft entspringe oder eine eher ausländerfeindliche Partei ist, erhält seine Antwort: Weite Teile der neuen Partei sind Brandstifter im Biedermann-Gewand. Dass die als eurokritische Partei populär gewordene AfD ausgerechnet im Osten Deutschlands nun mit fremdenfeindlichen Tönen durchstartet, ist brisant, aber nicht zufällig.

Während Pegida den Westen der Republik nur mäßig bewegt, zeigt sich der Osten empfänglich für eine allgemeine Stimmung gegen alles Nicht-deutsche. Wenn in Dresden "Wir sind das Volk!" skandiert wird, hat das nicht mehr den urdemokratischen Klang von Leipzig 1989. Es hört sich nach Abgrenzung an. "Ihr Muslime gehört nicht dazu und alle Asylbewerber und Flüchtlinge auch nicht!" Und die AfD geriert sich dabei als Mentor der Pegida. Sie ist das parlamentarische Sprachrohr der Straße. Sie trägt die Proteste in die Parlamente. Eine Allianz mit Folgen. Die oft gepriesene gesellschaftliche Mitte driftet gerade spürbar nach rechts ab - und das bildungs- und generationsübergreifend.

Pegida, der Nach-Wende Protest des Ostens

Regelmäßige Beobachter der Dresdner Montags-Demos entdecken Woche für Woche brave Hausfrauen, spießige Rentner, Jung-Akademiker mit Kind und Verfassungsschutz bekannte Neonazis einträchtig im Schweigen vereint. Die Breite der Bewegung ist das beängstigende: Es ist wie ein ostdeutscher Generalprotest gegen das multikulturelle Westdeutschland. Mittlerweile weitet sich der Protest ins Allgemeine. Verarmungsängste werden laut, indem miese Renten in Zusammenhang mit den Kosten für Flüchtlingsbetreuung gesetzt werden. Die Erfahrungen nach der deutschen Einheit brechen sich bei tatsächlichen und scheinbaren Verlierern Bahn. Eine Groß-Baustelle für die Parteien, doch denen fallen derzeit nur Empörungsreden ein. Überlassen wird das Feld allein der AfD.