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Koalition zwischen Linken und Rechten

Jannis Papadimitriou, Athen 27. Januar 2015

Gegensätze ziehen sich an: Alexis Tsipras, der neue Premier Griechenlands, koaliert ausgerechnet mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen. Ein zentrales Thema eint die beiden Parteien schon lange.

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Die neue Koalition steht: Tsipras und Kamennos 26.01.2015 Athen
Bild: AFP/Getty Images/L. Pitarakis

Völlig überraschend war diese politische Hochzeit nicht. Genauso wie die griechische Linkspartei bezeichnen die Unabhängigen Griechen die internationalen Kreditgeber gelegentlich als "Besatzer Griechenlands". Beide Parteien sprechen sich vehement gegen die Sparauflagen der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalem Währungsfonds aus. Mit viel Eifer unterstützen die Unabhängigen Griechen auch die Geltendmachung von Reparationsforderungen an Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg - genauso wie die Athener Linke. Schon als beide Parteien im Jahr 2012 gegen das vom damaligen Premier Antonis Samaras vorgestellte Sparprogramm gestimmt haben, sind sie einander nähergekommen: Seit jenem Zeitpunkt haben sie sich kaum mehr gegenseitig im Parlament angegriffen. Nun dienen die Unabhängigen Griechen dem neuen linken Premier Alexis Tsipras (oben rechts im Bild) als Mehrheitsbeschaffer.

Programmatisch liegen die Parteien trotz ihrer gemeinsamen Positionen in Bezug auf die Sparpolitik bei anderen zentralen Fragen aber weit auseinander. Die Rechtspopulisten stellen sich gegen die Trennung von Kirche und Staat, plädieren für Steuererleichterungen als Investitionsanreiz und wollen, dass Einwanderer ohne Papiere ausgewiesen werden. All diese Forderungen sind für die meisten linken Syriza-Wähler inakzeptabel.

"Zwischen den beiden politischen Lagern gibt es grundlegende Unterschiede, vor allem in der Außen- und in der Einwanderungspolitik. Das wird in der politischen Alltagsarbeit bestimmt auch auffallen", meint der Direktor der liberal-konservativen Tageszeitung Kathimerini, Alexis Papachelas. Dass sich die beiden Parteien überhaupt zusammentun, würde im Ausland als Zeichen für eine unnachgiebige Position gegenüber den Kreditgebern gewertet, sagt Papachelas. Andererseits dürfe man nicht vergessen, "dass die Politik im Zuge der Wirtschaftskrise immer wieder für Überraschungen sorgt. Oft erleben wir, dass ein Politiker nach seinem Eintritt in die Regierung auch seine Meinung ändert."

Syriza-Unterstützer mit griechischen Fahnen in der Wahlnacht (Foto: Reuters)
Syriza-Anhänger feierten den Wahlsieg der Linken auf der StraßeBild: picture alliance/ZUMAPRESS.com

Politischer Ein-Mann-Betrieb

Bei den Unabhängigen Griechen (Anel) zählt in der Regel vor allem eine Meinung, nämlich die von Parteichef Panos Kammenos. Der ehemalige Vize-Schifffahrtsminister gründete die Partei im Jahr 2012, nachdem er die damals mitregierenden Konservativen wegen seiner lautstarken Ablehnung der Sparpolitik verlassen musste. Heute besticht seine Partei mit einem hohen Prominenten-Faktor: Zu seinen politischen Weggefährten zählt Kammenos den TV-Moderatoren Terence Quick, die ehemalige Schönheitskönigin Helena Kountoura und Pavlos Haikalis, einen der beliebtesten Komiker Griechenlands. Im EU-Parlament stehen die griechischen Rechtspopulisten von Anel der britischen nationalistischen Ukip-Partei nahe, die gegen die europäische Integrationspolitik wettert. In der Brüsseler Fraktion der "Konservativen und Reformer" ist der Anel-Abgeordnete Notis Marias stellvertretender Vorsitzender. Doch das hindert ihn nicht daran, die eine oder andere Pressekonferenz der griechischen Linkspartei im EU-Parlament zu besuchen.

Im persönlichen Umgang kann Parteichef Kammenos sehr freundlich sein. Gleichzeitig ist er ein Meister des populistischen Wahlkampfes: Wenige Tage vor der Parlamentswahl polterte er gegen das "Spardiktat" der internationalen Geldgeber und die wachsende Armut in Griechenland, die viele Menschen zur Migration zwinge. "Wir bringen eure Kinder wieder nach Hause", versprach er dem sichtlich gerührten Publikum. Anel-Abgeordneter Nikos Nikolopoulos steht seinem Chef an politischer Leidenschaft in nichts nach: Er kämpfe für die "Befreiung des Landes" von den Kreditgebern, damit Griechenland seine nationale Souveränität wieder erlange, donnerte er auf einer Wahlkundgebung im westlichen Peloponnes. Seinen Wählern verspricht Nikolopoulos nichts Geringeres als ein "Europa der Völker" als Gegenentwurf zur "Diktatur der Märkte".

Pleiten, Pech und Pannen

Parteichef Kammenos hat sich schon längst einen Namen als Außenpolitiker gemacht, dessen Positionen nicht unumstritten sind. Im Dezember 2011 erschien er vor einem Militärgericht als ungebetener Verteidiger von Elitesoldaten, die wegen rassistischer und volksverhetzender Parolen angeklagt worden waren. In den 1990er Jahren veröffentlichte der Anel-Chef ein viel beachtetes Buch über den internationalen Terrorismus, das ihm heute allerdings Kopfzerbrechen bereitet: Denn der bisher unbekannte Verfasser dieser Schrift hat sich angeblich zu Wort gemeldet, um sein Honorar einzufordern. Schlimmer noch: Der Ghostwriter soll Giorgos Georgalas gewesen sein, ein nationalistisch veranlagter Journalist und ehemaliger Sprecher der griechischen Militärjunta, die zwischen 1967-1974 an der Macht war. Kammenos selbst bestreitet den Deal mit Georgalas.

Symbolbild: Euromünzen vor einer griechischen Fahne (Foto: dpa)
Die Kritik am Sparkurs eint die linke Syriza und die rechtspopulistischen Unabhängigen GriechenBild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Für Schlagzeilen sorgte im Zuge der gescheiterten Präsidentschaftswahl in Griechenland auch der Anel-Abgeordnete Pavlos Haikalis. Der Parlamentarier und Komiker beschuldigte einen Politikberater, ihm drei Millionen Euro angeboten zu haben, damit er für den Kandidaten der Regierungskoalition im Parlament stimmt. Auftraggeber sei der damalige Ministerpräsident Antonis Samaras höchstpersönlich gewesen, donnerte der Anel-Abgeordnete. Wenig später hat Haikalis diese Anschuldigungen fallen lassen, nachdem heimlich aufgezeichnetes Material von seinen Gesprächen mit dem dubiosen Mittelsmann in Umlauf kam.

Auf solche Intrigen lässt sich die ehemalige Anel-Politikerin Rachel Makri nicht ein. Nachdem sie in einer außergerichtlichen Mitteilung an Anel-Chef Kammenos Ende 2014 über Parteimobbing klagte, trat sie mit sofortiger Wirkung zurück. Seitdem engagiert sie sich bei der Linkspartei.