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Sturm: Boxer mit sanfter Seite

Mehmed Smajić6. Dezember 2013

Boxprofi Felix Sturm steht vor einem wichtigen Kampf: Er will zum vierten Mal Weltmeister werden. Der Sohn bosnischer Gastarbeiter, in Leverkusen geboren, vereinigt zwei Identitäten.

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Der Ringrichter hebt den linken Arm von Boxer Felix Sturm und kürt ihn so zum Sieger
Bild: picture-alliance/dpa

Wer wissen will, wer Felix Sturm wirklich ist, muss zunächst Adnan Ćatić kennenlernen. "Ich bin als Adnan Ćatić geboren und werde als Adnan Ćatić sterben", erkärt Sturm gern immer wieder. "Es hatte marketingtechnische Gründe, warum ich damals den Künstlernamen gewählt habe", sagt er. Man sollte sich den Namen besser merken können, denn der sollte eine Marke werden. Das war nötig, als Ćatić im Oktober 2000 ins Profilager wechselte. Da ging es plötzlich um viel Geld, um mächtige Manager und wichtige Fernsehverträge. Man brauchte einen Namen, der im Showbusiness gut klingt: Felix, der Glückliche, der seine Gegner wie ein Sturm wegfegt. "Mir hat das sehr geholfen und ich war auch ein bisschen Vorreiter. Heute ist es alltäglich, dass sich Boxer Künstlernamen geben."

Geboren ist Adnan Ćatić 1979 in Leverkusen. Seine Eltern kamen wenige Jahre davor als Gastarbeiter nach Deutschland. Der Vater arbeitete als Bauarbeiter, die Mutter war Hausfrau. Ćatić wollte nicht zum Bau, er wollte Sportler sein. Er probierte vieles aus - Fußball, Handball, Basketball - und hatte auch Spaß daran, aber Boxen war von der ersten Minute seine große Leidenschaft. Anfang der 90er Jahre, als auf dem Balkan noch der Jugoslawienkrieg tobte, entdeckten deutsche Sportfunktionäre Ćatićs Talent. Er bekam 1997 die Gelegenheit, für die deutsche Nationalmannschaft anzutreten. Er nutzte die Chance und wurde auf Anhieb Junioren-Europameister. "Deutschland hat mir alles gegeben: Zukunft und die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Zu dieser Zeit, zwei Jahre nach dem Krieg, hatte Bosnien und Herzegowina kein Geld, um in mich zu investieren", sagt Ćatić.

Boxer mit Herz

Felix Sturm legt seinen Arm um seinen Fan Danny Omerovic
Schöne Überraschung: Felix Sturm (r.) mit seinem Fan Danny Omerovic (l.)Bild: DW/M. Smajic

Er hilft gerne denen, die nicht von der Sonne geküsst sind. Ein Beispiel ist der 14-jährige Danny Omerovic, der an einer seltenen Krebsart im Magen-Darm-Bereich erkrankt ist. "Meine Lehrerin hat ihn über meine Krankheit informiert. So ist es zu einem Treffen gekommen", sagt Danny, der ein großer Fan von Felix Sturm ist. Die Lehrerin hatte um ein Autogramm gebeten. Doch er bekam viel mehr von Sturm: eine Einladung zum Kampf mit Ehrenrunde im Ring. Außerdem eine großzügige Spende über 50.000 Euro für Dannys Operation, die dringend erforderlich war. Auch Danny kommt ursprünglich aus Bosnien und Herzegowina.

Danny ist nicht einzige, dem Ćatić hilft. Er engagiert sich auch beim Projekt "Kids for Future" in Köln, welches Kindern aus sozialen Brennpunkten die Möglichkeit gibt zu boxen und aus dem Sport Selbstvertrauen zu ziehen. Mit diesem Projekt zeigt Ćatić den Kids, dass es im Leben außerhalb der Clique noch andere Freizeitmöglichkeiten gibt und dass man aus seinem Leben etwas machen kann. "Auch wenn es nicht zu einer Profikarriere reicht, helfen wir ihnen, zusammen mit den Sozialpädagogen und vielen Ehrenamtlichen einen Ausbildungsplatz zu finden oder unterstützen sie in der Schule", sagt Ćatić. "Ich versuche, problematische Jugendliche auf den richtigen Weg zu bringen. Sie werden vielleicht bessere Boxer als ich. Es ist sehr wichtig, dass sich Ausländer in Deutschland integrieren. Die fremde Sprache und schlechte Ergebnisse in der Schule sind Gründe für eine langsame Integration. Und sie sind auch der Grund, weswegen Jugendlichen versuchen, an das Geld auf eine andere, kriminelle Art und Weise zu kommen", so Ćatić.

Boxen mit Allahs Hilfe

Felix Sturm schlägt beim Training gegen einen Sandsack
Boxen erfordert hartes TrainingBild: picture-alliance/dpa

Neben dem harten Training hat Adnan Ćatić aber noch eine andere Quelle der Kraft, und zwar nicht nur für das Boxen, sondern auch für das gesamte Leben: Er ist ein praktizierender Muslim. "Meine Mutter hat mich mit fünf Jahren in die Moschee geschickt. Der Glaube ist ein wichtiger Faktor in meinem Leben". Freitags betet er regelmäßig in der kleinen Moschee der bosnischen islamischen Gemeinde in Köln.

Mit Allahs Hilfe will Ćatić Geschichte schreiben. Er hat die Chance, am Samstag (07.12.2013) als erster deutscher Boxer in seiner Gewichtsklasse zum vierten Mal Weltmeister zu werden - weil er den Titel bereits drei Mal verloren hat. Zum letzten Mal war er vor 15 Monaten Titelträger. Der 34-jährige Mittelgewichtler boxt in Stuttgart gegen Titelverteidiger Darren Barker aus England. Barker hat von seinen bislang 27 Profi-Kämpfen 26 für sich entschieden. Der gebürtige Leverkusener Sturm gewann 38 von 44 Duellen, davon 17 durch K.o.. Gelingt Sturm kein Sieg, könnte es schlimmstenfalls sogar das Ende seiner Karriere bedeuten, denn so schnell gäbe es voraussichtlich für ihn erstmal keine Chance mehr auf einen weiteren WM-Kampf.