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Kleiner Biss, große Gefahr

Claudia Witte7. April 2014

Wenn es nach der Weltgesundheitsorganisation geht, sollte im 21. Jahrhundert niemand mehr am Biss einer Mücke oder Zecke sterben. Die WHO hat den sogenannten Vektorkrankheiten den Kampf angesagt.

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Malaria-Mücke - Foto: Patrick Pleul (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist nur ein kurzer Stich einer Tigermücke oder ein kleiner Biss einer Zecke - doch beides kann fatale Folgen haben. Malaria, Dengue- und Gelbfieber, Chikungunya und Lyme-Borreliose werden auf diese Weise übertragen - um nur einige zu nennen. Experten sprechen von sogenannten vektorübertragenen Krankheiten. Der Fachbegriff klingt abstrakt, die gesundheitlichen Folgen aber sind real: Jedes Jahr erkranken weltweit mehr als eine Milliarde Menschen an vektorübertragenen Krankheiten. Der diesjährige Weltgesundsheitstag (07.04.2014) ist diesen Krankheiten gewidmet.

Als Vektoren werden solche Organismen bezeichnet, die Krankheitserreger von Mensch zu Mensch oder auch von Tier zu Mensch übertragen. Vektorkrankheiten sind zwar hauptsächlich in den Tropen und Subtropen verbreitet. Immer häufiger aber tauchen sie auch in klimatisch gemäßigten Zonen auf. Mediziner in Europa und auch in Deutschland schlagen Alarm, weil die Zahl dieser Art Erkrankungen dort deutlich zunimmt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht derzeit von 77.000 Fällen pro Jahr in Europa aus. Das hängt einerseits mit der gestiegenen Mobilität der Menschen zusammen.

Maßnahmen gegen Dengue-Fieber-Überträger in Honduras - Foto: Gustavo Amador (EPA)
Maßnahmen gegen Dengue-Fieber-Überträger in Honduras: "Betroffen sind die Ärmsten der Armen"Bild: picture-alliance/dpa

Ein Großteil der vektorübertragenen Erkrankungen wird von Reisenden eingeschleppt. Andererseits verschafft der Klimawandel auch dort günstige Bedingungen, wo vektorübertragene Krankheiten bislang unbekannt oder zumindest ausgerottet waren. "Die freie Bewegung von Menschen und von Gütern ermöglicht auch die freie Bewegung von Vektoren", sagt Raman Velayudham von der Abteilung für vernachlässigte Tropenkrankheiten bei der WHO. "Die Menschen sind dabei die hauptsächlichen Träger des Virus. Wir tragen es von Ort zu Ort und stellen es den Moskitos zur Verfügung."

Es trifft die Ärmsten der Armen

Die Entwicklungen in Europa sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Länder des Südens sind, welche die Hauptlast der vektorübertragenen Krankheiten schultern, stellt Velayudham klar. "Im Wesentlichen sind davon die ärmsten Bevölkerungsgruppen der Welt betroffen. Genau das macht die vektorübertragenen Krankheiten aus. Sie treffen die Ärmsten der Armen."

Afghanisches Kind mit Leishmaniose - Foto: C. Black (WHO)
Afghanisches Kind mit Leishmaniose: "Stille Gefahr"Bild: WHO/C.Black

Mehr als eine Million Menschen sterben jedes Jahr an Krankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber, Chagas oder der Japanischen Enzephalitis. Es sind in der Regel Kleinkinder, die diese Infektionen nicht überleben. Für manche der Vektorkrankheiten gibt es zwar mittlerweile wirksame Arzneimittel wie im Fall der Malaria. Oftmals aber helfen die Medikamente nur, die Symptome zu lindern. Die meisten der Erkrankten bleiben ohne Behandlung über Wochen oder gar Monate mit Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen, Geschwüren und Hirnhautentzündungen ans Bett gefesselt und arbeitsunfähig.

Dengue kommt

Unter allen Vektorkrankheiten gibt es eine, die sich schneller ausbreitet als alle anderen und das ist das Dengue-Fieber. Die WHO und die Internationale Rotkreuzföderation (IFRC) warnen eindringlich vor den Auswirkungen dieser Viruserkrankung, die sie als "stille Gefahr" bezeichnen. Noch vor fünfzig Jahren war das von der Aedes-Mücke übertragene Dengue-Fieber lediglich in neun Ländern verbreitet, heute sind es über Hundert. 40 Prozent der Weltbevölkerung sind einem akuten Dengue-Risiko ausgesetzt. 50 bis 100 Millionen Menschen infizieren sich Jahr um Jahr neu mit der Krankheit, die nicht selten falsch diagnostiziert wird, weil die Symptome denen der Malaria gleichen.

Dengue-Patientin in Honduras - Foto: Gustavo Amador (EPA)
Dengue-Patientin: Moskitonetze und Insektengitter als einfache VorsichtsmaßnahmeBild: picture-alliance/dpa

"Bei Dengue ist es nicht unbedingt die Zahl der Todesfälle, die wir hervorheben. Es ist vielmehr der Verlust der Arbeitsfähigkeit, es sind die Folgekosten von Dengue", so Amanda McClelland von der Rotkreuzföderation. "Familien, die ohnehin an der Armutsgrenze leben oder die schon für andere kranke Mitglieder aufkommen müssen, können es sich gar nicht leisten, diese Krankheit zu bekommen. Sie können es sich erst recht nicht leisten, dass mehrere Personen in der Familie gleichzeitig an Dengue erkranken."

Dengue ist auf dem Vormarsch. Weltweit sind nach WHO-Schätzungen zwischen 100 und 380 Millionen Menschen infiziert. Nach der Malaria ist das Dengue-Fieber inzwischen die zweithäufigste Fiebererkrankung, die europäische Reisende bei ihrer Rückkehr aus dem Ausland mitbringen. Allein in Deutschland sind es über 500 Fälle pro Jahr. Gleichzeitig setzt sich die Aedes-Mücke, die neben dem Dengue-Virus auch das Chikungunya-Virus und das Gelbfieber-Virus übertragen kann, in Europa fest. Seit 2010 wurden lokale Denguefieber-Übertragungen aus Portugal, Südfrankreich und Kroatien gemeldet.

Eigentlich ist es ganz einfach

Aus Anlass des Weltgesundheitstags ruft die WHO jetzt zum besseren Schutz gegen vektorübertragene Krankheiten auf. Große Wirkung lasse sich oft schon mit einfachen persönlichen Schutzmaßnahmen erreichen, sagt WHO-Experte Velayudham. "Gegen die Malaria helfen Bettnetze, die mit einem Insektizid besprüht werden. Gegen Dengue helfen einfache Dinge wie Insektenschutzmittel oder Insektenschutzgitter vor den Fenstern. Das hilft wirklich, die Moskitos draußen zu halten." Eine der wirkungsvollsten Maßnahme besteht darin, die Brutstätten von Stechmücken zu beseitigen und die Wasser-Reservoirs, in denen Moskitolarven gedeihen, trockenzulegen - seien es Pfützen, Eimer oder alte Autoreifen.

Moskito Brutplätze in alten Autoreifen - Foto: J. Gusmao (WHO)
Alte Autoreifen: Brutstätten von StechmückenBild: WHO/J. Gusmao

Doch individuelle Schutzmaßnahmen würden Regierungen nicht von ihrer Pflicht entbinden, die Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten einzudämmen, stellt die WHO klar: Gesundheitsbehörden müssen invasive Organismen beobachten und bekämpfen. Sie müssen die gefährdete Bevölkerung epidemiologisch überwachen, um Krankheitsausbrüche zu verhindern. Das Gesundheitspersonal muss so geschult sein, dass es Vektorerkrankungen rechtzeitig erkennt und eindeutig diagnostiziert. Die Botschaft der WHO zum Weltgesundheitstag an diesem Montag (07.04.2014) ist einfach: Vektorübertragene Erkrankungen sind vermeidbar. Niemand sollte im 21. Jahrhundert am Biss eines Moskitos, einer Sandfliege oder eine Zecke sterben."