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"Kinder haften für ihre Eltern"

12. Februar 2014

Eltern können den Kontakt zu ihren volljährigen Kindern vollständig abbrechen, auch jahrzehntelang. Ihren Anspruch auf Unterhalt im Alter verlieren sie dadurch nicht, entschied der Bundesgerichtshof.

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Pflegeheim (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Kinder müssen für Eltern zahlen

Ein einseitiger Kontaktabbruch von Seiten der Eltern zu den erwachsenen Kindern sei allein noch keine "vorsätzliche schwere Verfehlung", die zum Verlust des sogenannten Elternunterhalts führt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem in Karlsruhe verkündeten Beschluss.

Der BGH präzisierte damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Elternunterhalt. Laut BGH verletzen Eltern, die den Kontakt zu ihren Kindern abbrechen, zwar die vom Gesetz geforderte gegenseitige Pflicht auf "Beistand und Rücksicht". Dies sei aber noch keine "schwere Verfehlung", solange sie ihre Elternpflichten bis zur Volljährigkeit des Kindes erfüllt haben. Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt schulden sie Kindern eine "besonders intensive elterliche Fürsorge". Danach dürften Eltern das "familiäre Band" zu ihren Kindern aber "aufkündigen", ohne den Anspruch auf Unterhalt im Alter etwa bei Heimaufenthalten zu verlieren.

Mehr als 40 Jahre kein Kontakt

Im vorliegenden Fall hatte ein zuletzt pflegebedürftiger Vater 1972 den Kontakt zu seinem damals 18-jährigen Sohn abgebrochen. Der Mann bezog später eine geringe Rente und bestimmte in einem Testament, dass sein Sohn nur "den strengsten Pflichtteil" erhalten solle. Nachdem der Vater dann in ein Pflegeheim kam, zahlte die Stadt Bremen rund 9000 Euro der Heimkosten. Laut dem Karlsruher Beschluss hat die Stadt nun gegenüber dem Sohn Anspruch auf Erstattung.

Dass der Vater im nun entschiedenen Fall seinen Sohn auch noch enterbte, ist aus Sicht des BGH keine zusätzliche "Verfehlung". Der Mann habe damit "lediglich sein Recht auf Testierfreiheit" genutzt, heißt es. Anders hatte der BGH 2004 im Fall eines minderjährigen Kindes entschieden. Demnach verlieren Eltern den Unterhaltsanspruch, wenn sie den Kontakt zu minderjährigen Kindern abbrechen.

Kommunen hoffen auf Geld

Der jüngste Beschluss des BGH zur Unterhaltspflicht ist auch für Kommunen von Bedeutung. Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes mussten Kommunen im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Euro für die sogenannte Hilfe zur Pflege ausgeben. Das sind jene Kosten, die an den Kommunen hängen bleiben, wenn die Renten der Betroffenen nicht ausreichen, oder bei den Kindern der mittlerweile 2,5 Millionen Pflegebedürftigen nichts zu holen ist.

"Angemessener Selbstbehalt"

Für die Höhe des Elternunterhalts setzten die Karlsruher Richter Grenzen: Kinder müssen für bedürftige Eltern Unterhalt nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zahlen. Der eigene, angemessene Unterhalt geht also vor. Das nennt man einen "angemessenen Selbstbehalt". Der gewohnte Lebensstandard darf nicht gefährdet werden. Zunächst haben Kinder Anspruch auf einen Selbstbehalt von mindestens 1600 Euro und die Hälfte des darüber hinaus reichenden Einkommens. Zudem gelten verschiedene Freibeträge. Dazu kommen noch fünf Prozent des Bruttoeinkommens für den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge. Dass zum Selbstbehalt auch ein Eigenheim zählen kann, bestätigte das Bundesverfassungsgericht 2005.

qu/uh (dpa, apf, kna, epd)