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Die Ukraine im Info-Krieg

Roman Goncharenko25. Februar 2015

Die Ukraine bläst zu einem Gegenangriff auf das, was man in Kiew "russische Propaganda" nennt. Bürger sind aufgerufen, sich als "Informationskrieger" zu engagieren. Auch ein neuer Auslandsfernsehsender soll entstehen.

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Ukraine Armee Propaganda Bilder Facebook (Foto: Informationsministerium/Facebook)
Kampf um die Wahrheit - Facebook-Auftritt des ukrainischen Ministeriums für InformationspolitikBild: Facebook-Account des ukrainischen Informationsministeriums

"Sei gegrüßt, Rekrut XY. Es meldet sich das Kommando der Informationstruppen der Ukraine. Deine erste Aufgabe wird sehr einfach sein: Lade Deine engsten und zuverlässigsten Freunde ein, den Informationstruppen der Ukraine beizutreten und sich für die tägliche Verteilung von Aufgaben einzutragen. Das ist sehr wichtig für unseren Informationskampf gegen den äußeren Aggressor. Warte auf die nächste Aufgabe in naher Zukunft. Bis bald!"

Was sich wie eine mäßig spannende Aufgabe aus einem Computerspiel für Teenager liest, ist die neueste Initiative des ukrainischen Ministeriums für Informationspolitik. Eine solche Mail bekommt jeder, der sich auf der Internetseite www.i-army.org mit seinem Namen und und seiner Email-Adresse registrieren lässt. Einfache Bürger sollen vor allem in sozialen Netzwerken "wahre Informationen verbreiten und russische Propaganda bekämpfen", heißt es dazu im Kiewer Ministerium.

Juri Stez (Foto: Informationsministeium, MIP)
"Wahrheit ist die beste Propaganda", sagt Juri StezBild: MIP Ukraine

Kiew will Moskau auf der Medienfront Paroli bieten

Gemeint sind Falschmeldungen über die Lage in der Ostukraine. Seit Beginn des Konflikts wurden russische Medien mehrmals von ukrainischen Kollegen beim Lügen ertappt. Für Aufsehen sorgte zum Beispiel die Behauptung eines staatlichen russischen TV-Senders, in der ostukrainischen Stadt Slowjansk sei ein kleiner Junge von ukrainischen Soldaten lebendig gekreuzigt worden. Erst Monate später gab der russische Sender kleinlaut einen Fehler zu.

"Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Wahrheit schnell übers Internet verbreitet wird", sagte Juri Stez, Minister für Informationspolitik der DW über künftige "Informationskrieger". Wahrheit sei die beste Propaganda. Sein Ministerium scheint entschlossen, Russland an der Medienfront Paroli zu bieten.

Umstrittenes Ministerium mit Präsidentenfreund an der Spitze

Das Informationsministerium ist ein Novum für die Ukraine. Es wurde erst im Dezember 2014 geschaffen. Der 39-Jährige Minister Stez ist ein erfahrener Medienmanager und enger Vertrauter des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Bis vor kurzem leitete Stez den privaten Nachrichtensender "Kanal 5", der vom Milliardär Poroschenko gegründet wurde und den er trotz seiner Wahl zum Präsidenten nicht verkaufen will. Poroschenko und Stez sind indirekt verwandt.

Ukraine ukrainische Soldaten verlassen Debalzewe (Foto: REUTERS/Gleb Garanich )
Aus Debalzewe mussten sich die ukrainischen Soldaten zurückziehen...Bild: Reuters/G. Garanich

Mit rund 30 Mitarbeitern und einem Jahresetat von vier Millionen Hrywna (umgerechnet rund 100.000 Euro) ist das von Stez geleitete Ministerium wohl das kleinste und ärmste in der ukrainischen Regierung. Seine Gründung war umstritten. Kritiker sprachen von einem "Propagandaministerium" oder "Ministerium der Wahrheit" - in Anlehnung an George Orwells Roman "1984". Der Vorwurf: Kiew kopiere Moskaus undemokratische Methoden. "Ich habe bisher nicht viel gesehen, was das Informationsministerium für Menschen in der Ostukraine tut", sagte Diana Duzyk, Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation "Telekrytyka" (Fernsehkritik) der DW. Dabei sei dies bei der Gründung des Ministeriums als eines der Ziele vorgegeben worden. In den selbst ernannten Republiken Donezk und Luhansk schalteten die prorussischen Separatisten ukrainische Sender aus und russische ein. Kiew versucht, den Sendebetrieb wiederaufzunehmen.

Auch im Ausland gibt es Kritik an der neuen Initiative Kiews. Die Berliner Osteuropa-Expertin Gemma Pörzgen nannte Kiews Informations-Armee "den nächsten Fehler der falsch angelegten Informationspolitik". Auch die Schaffung des Ministeriums bezeichnete sie gegenüber der DW als falsch. "So lässt sich russischer Propaganda sicher nicht entgegensteuern", meinte Pörzgen.

Ukraine Armee Propaganda Bilder Facebook (Foto: Informationsministerium/Facebook)
...umso mehr versuchen sie, im "Informationskrieg" gegen Russland zu punktenBild: Facebook-Account des ukrainischen Informationsministeriums

Neuer Auslandssender wohl im April

Auch international will Kiew aktiver werden. Zu den neuesten Initiativen des Informationsministeriums gehört die Gründung eines Nachrichtensenders "Ukraine Tomorrow". Er soll zunächst auf Ukrainisch, Russisch und Englisch für Zuschauer im Ausland senden und zumindest teilweise als das ukrainische Pendant zum weltweit erfolgreichen russischen Staatssender RT (früher Russia Today) fungieren. "Das Ziel des Senders ist, die offizielle Position Kiews über Reformen zu verbreiten", sagte der Informationsminister Stez.

"Ukraine Tomorrow" soll voraussichtlich im April an den Start gehen. Der Sender soll von der Regierung, aber auch vom Westen finanziert werden, so die Hoffnung. Die USA habe Kiew bereits um finanzielle Hilfe gebeten, so Stez.

Medialer Machtkampf der Oligarchen?

Es ist bereits der dritte Versuch der Ukraine, auf dem hart umkämpften internationalen Markt der Nachrichtenfernsehsender Fuß zu fassen. Seit Jahren bemüht sich das staatliche ukrainische Fernsehen, Nachrichten aus Kiew auf Englisch weltweit zu verbreiten - ohne nennenswerten Erfolg.Aus Kiew heißt es, der neue Sender soll auf der Basis des Bankenkanals BTB und möglicherweise des staatlichen Senders UTR entstehen.

Ukraine Armee Propaganda Bilder Facebook (Foto: Informationsministerium/Facebook)
"Wahre Informationen verbreiten und russische Propaganda bekämpfen"Bild: Facebook-Account des ukrainischen Informationsministeriums

Der staatlich finanzierte Kanal "Ukraine Tomorrow" steht in direkter Konkurrenz zu dem privaten English-sprachigen Sender "Ukraine Today", der im August 2014 vom Medienmagnaten Igor Kolomojski ins Leben gerufen wurde. Kolomojski ist ein einflussreicher Geschäftsmann und Gouverneur des Gebiets Dnepropetrowsk. Beobachter sehen nun die Gefahr, dass ein innerpolitischer Machtkampf ukrainischer Oligarchen auf internationaler Fernsehbühne ausgetragen werden könnte.

Das Informationsministerium in Kiew will bis Mai ein Konzeptpapier über Informationssicherheit in der Ukraine erarbeiten, das vom Parlament verabschiedet werden soll. Hätte die Ukraine so ein Konzept vor rund 20 Jahren gehabt, glaubt der Minister Stez, hätte das Land den Informationskrieg gegen Russland in der Ostukraine nicht verloren.