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"Großkapital fordert hohen CO2-Preis“

Irene Hell11. November 2014

Globale Finanzgiganten, die über 24 Billionen Dollar verfügen, wollen hohe CO2-Abgaben. "Der Klimawandel bedroht Vermögen", so Georg Kell. Im DW-Interview erklärt der Direktor von UN Global Compact den Sinneswandel.

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Georg Kell
Bild: DW/I. Hell

DW: Herr Kell, auch führende globale Wirtschaftvertreter wollen jetzt einen hohen CO2-Preis. Eine wichtige Kehrtwende für den Klimaschutz?

Georg Kell: Zum ersten Mal hat sich die Wirtschaft dafür ausgesprochen, für ihre Verschmutzungen zu zahlen. Das ist ein historischer Durchbruch, denn bisher blockierte die Lobby der Unternehmer die Regierungen dabei, Klimaabgaben durchzusetzen. Jetzt setzten sich Firmenchefs und Investoren für einen signifikanten CO2-Preis weltweit ein. Das gab es noch nie. Diese wichtige Entwicklung wird Politiker und Regierungen ermutigen.

Die Klimaverhandlungen brachten bisher kaum Ergebnisse, weil die Lobbyarbeit der Wirtschaft Klimagesetzte erschwert hat. Ist das jetzt anders?

Jetzt haben 73 Staaten, einschließlich Russland und China, eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die sich für eine weltweite CO2-Abgabe einsetzt. 120 Staatschefs, sogar US-Präsident Barack Obama und der französische Präsident François Hollande, kamen im September zum UN-Klimagipfel. Ban Ki-moon mobilisierte auch auf der Straße: Mehr als 400 000 Menschen nahmen gemeinsam mit dem UN-Generalsekretär am Klima-Marsch teil.

Am wichtigsten ist jedoch, dass 1000 Unternehmen, darunter viele Milliardenkonzerne, einen Preis für CO2 verlangen. Vor zwei Jahren war das noch undenkbar.

Was hat diesen Sinneswandel verursacht?

Extreme Unwetter und ein Anstieg der Meeresspiegel sind keine Horrorszenarien mehr. Stürme, Fluten, Dürren und Wasserknappheit können fast jede unternehmerische Tätigkeit stören. Es gibt eine große Nervosität - zu Recht. Die Anfälligkeit für solche Risiken hat enorm zugenommen. Der Klimawandel ist schlecht fürs Geschäft.

Hurrikan Sandy hat 2012 weite Teile New Yorks überflutet. Unterstützen große Immobilienbesitzer wie die Rockefellers die UN, weil sie "nasse Füße" bekommen haben?

Ja, da spielen viele Dinge mit. Ganz offensichtlich ist die Angst vor einem Wertverlust der Immobilien ein wichtiger Faktor. Ein großer Teil des weltweiten Vermögens, etwa 60 Prozent, ist gebunden in Immobilien und Infrastruktur. Zum ersten Mal begreifen Investoren, dass die Wertentwicklung ihres Vermögens bedroht ist.

UN-Klimagipfel in New York 2014 Private Sector Forum
Fordern hohen CO2-Preis: Georg Kell (links) mit Helge Lund (CEO Statoil), José Manuel Entrecanales (CEO Acciona) und Frank Pegan (CEO australischer Pensionsfond Catholic Super) beim UN-Klimagipfel in New YorkBild: DW/I. Hell

Finanzielle Großkaliber wie BlackRock, BT Pension Scheme und die Rothschild & Cie Gestion Group, haben jetzt eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie die Regierungen dazu aufrufen, signifikante, globale CO2-Preise durchzusetzen. Einige Unterzeichner, die gemeinsam mehr als 24 Billionen Dollar verwalten, gingen noch einen Schritt weiter. Wer war dabei?

Der Rockefeller Brothers Fund, dessen Vermögen von den Urgroßväter mit der Ölfirma Standard Oil geschaffen wurde, ist nicht nur dabei, Beteiligungen an fossilen Brennstoffen zu verkaufen, sondern übt auch Druck auf Firmen aus, die zur Erderwärmung beitragen. Die Rockefeller Brothers stoßen Kohle- und Ölsandfirmen ab.

Warum?

CO2 ist die Ursache des Übels. Das hat man jetzt erkannt. Es gibt fundierte wissenschaftliche Beweise, dass CO2 die Erderwärmung verursacht. Man kann das nicht mehr leugnen.

Jahrzehntelang war die Ölindustrie der mächtigste und erbittertste Gegner von erneuerbaren Energien. Jetzt unterstützen auch Royal Dutch Shell, BP und Statoil die Einführung einer globaler CO2 Abgaben. Sind Sie zufrieden?

Es ist extrem wichtig, die Ölindustrie auf unsere Seite zu ziehen. Seit fast 10 Jahren arbeiteten wir, der UN Global Compact, gemeinsam mit anderen Organisationen daran, den Wirtschaftsunternehmen diese wichtige Botschaft zu ermitteln: Nachhaltigkeit und eine Natur, die uns alle versorgen kann, ist gut fürs Geschäft. Viele Firmen haben erkannt, dass Energieeffizienz und ein geringer CO2 Ausstoß, ein Wettbewerbsvorteil sind. Die Emission von Treibhausgasen wird in Zukunft sehr teuer.

Wie teuer?

Norwegens Regierung verlangt von seiner Öl- und Gasindustrie eine CO2-Steuer von bis zu 75 Dollar pro Tonne. Dadurch wurde die Öl- und Gasproduktion Norwegens führend in der Reduktion von Emissionen. Helge Lund, der Geschäftsführer von Statoil sagte, ein internationaler CO2-Preis sollte bei mindestens 100 Dollar pro Tonne liegen. Das ist ein Anfang.

Warum ist ein hoher CO2-Preis im Kampf gegen die Erderwärmung so wichtig?

Ein hoher Preis schafft Anreize für geringere CO2-Verschmutzung bei Produktionen und Konsum. Die Energie wird dadurch effizienter genutzt.

Viele Firmen verhalten sich aber noch widersprüchlich. Auf der einen Seite zeigen sie ein bisschen grünes Alibiverhalten und gleichzeitig betreiben sie bei ihren Regierungen Lobbyarbeit gegen wirkungsvolle Gesetze zur Bekämpfung von Treibhausgasen. Sie konzentrieren sich auf kurzfristige Gewinne.

Deshalb müssen wir starke Signale und starke Anreize geben. Schnelle Veränderungen sind möglich. Philips Lighting hat bereits 40 Prozent seines Umsatzes auf energieeffiziente LED-Beleuchtung umgestellt. Unilever und Nestlé investieren hohe Summen in eine nachhaltige Wertschöpfungskette.

Was ist mit den Verlierern, beispielsweise der Kohleindustrie?

Es gibt immer Gewinner und Verlierer. Die Welt muss sich an Veränderungen gewöhnen. Eine emissionsfreiere Welt eröffnet ein ganzes neues Universum an Geschäftschancen: neue Produkte, neue Dienstleistungen, neue Lösungen. Grünes Wachstum wird gefördert und viele neue Arbeitsplätze werden geschaffen. Durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien wurde Dänemark auch führend beim Export von umweltfreundlichen Technologien. Der dänische Think Tank Sustainia hat gerade Newlight Tech für seinen Preis nominiert. Die amerikanische Firma hat ein Patent entwickelt, mit dem CO2 aus der Luft gefiltert und zu Plastik verarbeitet werden kann.

China ist der größte Verursacher von Treibhausgasen. Macht China bei einer CO2-Abgabe mit?

Der Kampf um die Rettung des Weltklimas bietet eine große Chance für das Aufleben einer transnationalen Zusammenarbeit. China führt nächstes Jahr landesweit eine Abgabe für CO2 ein. Das wird der weltweit größte Emissionsmarkt und China ist schon jetzt der größte Investor in Erneuerbare Energien.

Derzeit wird 82 Prozent der Energie weltweit mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Glauben Sie, dass es beim Klimagipfel in Paris im nächsten Jahr eine globale Vereinbarung zur CO2-Abgabe geben wird?

Das liegt im Bereich des Möglichen. CO2-Verschmutzungen zuzulassen, ohne die Verursacher dafür zur Kasse zu bitten, ist die größte Marktverzerrung in der Menschheitsgeschichte. Die Stimmen derer, die signifikante CO2-Abgaben verlangen, werden lauter und stärker. Unser Job ist es jetzt mehr Unternehmen für eine Lobbyarbeit zu gewinnen, damit Sie ihre Politiker dabei unterstützen, mutige Entscheidungen zu treffen. Die Welt sehnt sich nach Lösungen.

Georg Kell ist der Gründer und Executive Director von UN Global Compact, der Wirtschaftssektion der Vereinten Nationen in New York. Die Mitglieder vom UN Global Compact unterzeichnen eine Erklärung, in der sie sich und ihre Firmen zu einer ethischen Unternehmensführung verpflichten. Mit mehr als 8000 Mitgliedern ist der UN Global Compact die größte Corporate Sustainability Organisation weltweit.

Das Interview führte Irene Hell.