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EU-Tierversuchsverbot

Luisa Frey15. Juli 2013

Eine neue EU-Verordnung bekräftigt ein Vermarktungsverbot von Kosmetika, bei denen Tierversuche in der Entwicklung oder Herstellung eingesetzt wurden. Trotzdem ist der Jubel von Tierschützern verhalten.

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Substanzen werden in ein Kaninchenauge geträufelt um zu sehen, ob die Substanz augenreizend wirkt. (Foto: Silke Bitz/Ärzte gegen Tierversuche e.V.)
Bild: Ärzte gegen Tierversuche e.V.

Am 11. Juli tritt eine neue EU-Kosmetikverordnung in Kraft. Mit ihr werden zahlreiche Richtlinien zu einem Gesetz zusammengefasst - darunter eine bereits seit März geltende Richtlinie, die Tierversuche in der Kosmetikindustrie verbietet. Auch die Vermarktung von so hergestellten Produkten ist verboten. So will die EU verhindern, dass Hersteller die Tierversuche einfach außerhalb der EU durchführen.

"Das Jahr 2013 ist ein Meilenstein, ein politischer Sieg," sagt dazu Irmela Ruhdel, Fachreferentin für Tierversuche beim Deutschen Tierschutzbund. Aber die Tierversuchsgegner haben ihr großes Ziel noch nicht erreicht: das völlige Verbot von Tierversuchen.

EU-Verordnung erlaubt viele Ausnahmen

Ein Laborant hält eine Labormaus (Foto: CTK /Rene Volfik)
Rund 12 Millionen Tiere werden jedes Jahr für wissenschaftliche Zwecke in der EU eingesetztBild: picture-alliance/CTK Rene Volfik

Sowohl Ruhdel als auch Silke Bitz, Biologin und Pressesprecherin der NGO Ärzte gegen Tierversuche, beklagen, dass die neue Regelung noch viele Lücken und Schlupflöcher aufweise. Leider gelte das Verbot nur EU-weit, sagt Bitz: "Wenn eine europäische Firma zum Beispiel nach China vermarkten möchte, dann führt sie nach wie vor Tierversuche durch, weil es dort von der Behörde verlangt wird".

Auch kritisiert sie, dass das Verbot nur für den kosmetischen Bereich gilt. Wenn ein Inhaltsstoff in anderen Produkten verwendet wird, etwa in Reinigungsmitteln, fällt er unter die Prüfvorschriften für Chemikalien. Dann muss er sogar im Tierversuch getestet werden. "Die Kosmetikindustrie darf dann trotzdem den Inhaltsstoff verwenden, wenn klar ist, dass er nicht für rein kosmetische Zwecke an Tieren erprobt wurde", fügt Ruhdel hinzu.

Auch gibt es Ausnahmen in der Verordnung. Tierversuche können von der Europäischen Kommission genehmigt werden, wenn bei einem wichtigen Bestandteil, der nicht durch einen anderen ersetzt werden kann, ernsthafte Bedenken bestehen, dass der Stoff gesundheitsschädigend sein könnte. Das gilt vorwiegend für krebserregende und reproduktionsschädigende Stoffe.

Mangelnde Alternativmethoden

Aber auch die Industrie ist mit der Rechtslage nicht zufrieden. "Noch längere Zeit werden für sehr wichtige Sicherheitsfragen keine alternativen Testmethoden vorliegen", sagt Birgit Huber, stellvertretende Geschäftsführerin des Bereichs Schönheitspflege beim Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). Die Regelung hemme die Innovationskraft bei der Kosmetikentwicklung.

Zwar forsche die deutsche Kosmetikindustrie seit vielen Jahren an der Entwicklung von Alternativmethoden und verzichte seit 1989 sogar freiwillig auf Tests mit Fertigprodukten. Aber noch immer sei die Entwicklung von Alternativmethoden nicht abgeschlossen und weitere Forschung nötig.

Tierschützer erkennen an, dass tierversuchsfreie Testmethoden zum Teil noch in der Entwicklung sind. Dennoch beklagt Bitz einen Mangel an Entschlossenheit, diese voranzutreiben. Das zeige sich auch an den zur Verfügung stehenden Investitionen. Flössen mehr Steuergelder in diese Forschungsbereiche, wären auch Fortschritte schneller sichtbar, behauptet die Tierschützerin.

Ein Hautmodell in einer Schale (Foto: Bundesinstitut für Risikobewertung)
Ein Hautmodell: So werden Tierversuche im Labor ersetztBild: Bundesinstitut für Risikobewertung

Ergebnisse nicht auf Menschen übertragbar?

Wenn Inhaltsstoffe im Tierversuch getestet werden, dann sei es ein unkalkulierbares Risiko, die Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen, argumentiert die Biologin Bitz weiter. "Man weiß nie, ob der Mensch zufällig gleich oder völlig anders reagiert." Sie befürwortet hingegen Zellforschung im Labor, mit sogenannten in vitro-Modellen.

In Deutschland werden diese in der "Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch" (ZEBET) am Bundesinstitut für Risikobewertung geprüft. Mitarbeiter Michael Oelgeschläger hält die Übertragbarkeit von Zellkultursystemen auf einen Gesamtorganismus grundsätzlich für problematisch. Vor allem, wenn dabei embryonale Stammzellen von Mäusen zum Einsatz kommen, um Versuchzellen zu erzeugen.

In den vergangenen Jahren gebe es deshalb Bemühungen, humane Zellen zu benutzen, sagt Oelgeschläger. Schon jetzt gibt es Hautmodelle für den Nachweis von hautreizenden oder -ätzenden Substanzen. "Es ist eines der besten Beispiele für einen kompletten Ersatz von Tierversuchen durch einen in vitro-Ansatz", so der Biologe.

Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, aus Stammzellen von Erwachsenen sogenannte pluripotente Stammzellen zu generieren, aus denen sich dann verschiedene menschliche Zelltypen herstellen lassen. Der ZEBET-Mitarbeiter hält diesen Weg für zukunftsweisend: "Sie sind leichter verfügbar und stellen keine deutliche ethische Problematik dar."

Die Auflagen zur Zulassung tierversuchsfreier Methoden seien allerdings noch immer schwierig zu erfüllen, kritisiert Tierschützerin Ruhdel. Oelgeschläger hält dem entgegen, dass auch die Zulassungsverfahren strengen Prüfungen standhalten müssen: Zuerst prüfen Wissenschaftler die neuen Methoden, indem sie ihre Wiederholbarkeit und Relevanz untersuchen. Danach müssen die neuen Techniken gesetzlich genehmigt werden. Am besten ist es dabei für Forscher und Industrie, gleich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einzubinden. "So wird auch eine weltweite Anerkennung des Verfahrens gewährleistet", so der ZEBET-Experte.

Tropfen auf heiβen Stein

Rund zwölf Millionen Tiere werden jedes Jahr für wissenschaftliche Zwecke allein in der EU eingesetzt - davon die allerwenigsten in der kosmetischen Forschung: Nicht einmal 0,02 Prozent, knapp 2.000 Tiere pro Jahr.

Studentin im Labor (Foto: Hochschule Ostwestfalen-Lippe)
Wird die Kosmetikindustrie Vorreiter für die Entwicklung tierversuchsfreier Methoden?Bild: Hochschule OWL

Damit könne die Kosmetikindustrie sogar zur Triebkraft für die Entwicklung neuer Alternativmethoden werden, meint Tierschützerin Ruhdel: "Diese tierversuchsfreien Methoden können dann auch für andere Chemikalien, Medikamente und für weitaus mehr eingesetzt werden. Das wird auch die Tierversuchszahl in anderen Bereichen reduzieren."

Das Verbot für Kosmetika sei "nur ein Tropfen auf einen heißen Stein", bedauert Bitz von den Ärzten gegen Tierversuche. "Unser eigentliches Ziel ist die Abschaffung aller Tierversuche". Dieser Wunsch wird politisch allerdings schwer durchzusetzen sein. Tierversuche gelten vor allem in der medizinischen Grundlagenforschung als unverzichtbar. Und daran wird sich auch in absehbarer Zeit wohl wenig ändern.