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"Keine Macht für niemand"

Marcel Fürstenau, Berlin30. Juni 2006

Dieser Tage endete im Deutschen Bundestag und damit in der deutschen Politik eine Ära: das Gesicht der Grünen-Partei, Joschka Fischer, nahm Abschied von der Parlaments-Bühne.

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Um den Trennungsschmerz ein wenig zu lindern, schenkten ihm seine Partei-Freunde neben zwei Kisten Wein zwei CDs mit Musik der Anarcho-Rocker "Ton Steine Scherben". Eine Kombo, die in ihren wildesten Zeiten das musikalische Pendant zum Polit-Krawallo Joschka Fischer war. Radikale Texte, schlechtes Benehmen, prolliges Outfit - die ideale Mischung für den frühen Fischer, den Straßenkämpfer, den Polizisten-Verprügler, den Anti-Kapitalisten.

"Macht kaputt, was euch kaputt macht"

Die Kult-Band hat der Nachwelt so schöne Titel hinterlassen wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht". Programmatische Texte, die in den 1970ern und 80ern des vergangenen Jahrhunderts alles andere als spaßig gemeint waren. Und was Fischers Lieblingsgruppe in bewegten Zeiten brüllend beklagte, gilt ja noch immer: "Bomben fliegen, Panzer rollen, Polizisten schlagen, Soldaten fallen, die Chefs schützen, die Aktien schützen, das Recht schützen, den Staat schützen – vor uns! Macht kaputt, was euch kaputt macht!"

Die Welt hat Fischer dann doch nicht verbessert. Weshalb er es sich irgendwann anders überlegt hat. Der einstige Revolutionär Joschka Fischer wechselte ins Establishment. Das nannte man früher den "Marsch durch die Institutionen". Fischer hat diesen Gewalt-Marsch jetzt beendet. Und seine Grünen müssen ohne ihn zu Recht kommen. Mit "Ton Steine Scherben" zu sprechen: „Wir brauchen keinen starken Mann, denn wir sind selber stark genug. Wir wissen selber, was zu tun ist. Unser Kopf ist groß genug."

Alles ganz egal

Ganz schön listig, was sich Grünen-Chefin Claudia Roth da zum Abschied ihres Helden hat einfallen lassen. Verstaubte Agitprop-Songs für den Polit-Rentner Fischer. Will sie ihn damit an die gute alte Stein-Zeit erinnern oder ist es ein Seitenhieb auf den einst provozierenden Fundi, der sich mit den Jahren in einen machtgeilen Oberrealo verwandelte? Aber eigentlich ist das jetzt alles egal, denn für Fischer gilt ab sofort das uralte "Ton Steine Scherben"-Motto: "Keine Macht für niemand".