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Keine freie Familienplanung

Sabine Ripperger14. November 2012

Mehr als 220 Millionen Frauen in Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Als einziges Mittel der Familienplanung bleibt oft die Abtreibung - so der Weltbevölkerungsbericht 2012.

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Mütter und Neugeborene in Manila (Foto: Getty Images)
Neugeborene in ManilaBild: Getty Images

Das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung ist in zahlreichen internationalen Vereinbarungen und Menschenrechtsabkommen festgeschrieben. Es ist "nahezu universell als unantastbares Menschenrecht anerkannt", sagte Werner Haug vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), als er in Berlin den Weltbevölkerungsbericht 2012 vorstellte. Doch die Wirklichkeit löst dieses Recht nicht ein: "In den vergangenen zehn Jahren haben wir global kaum Fortschritte in der Familienplanung erzielt. Auch die Zahl der Abtreibungen ist nicht weiter zurückgegangen."

Aktuellen Studien zufolge haben allein in den Entwicklungsländern heute 220 Millionen Frauen, verheiratete und nichtverheiratete, keinen Zugang zu modernen Methoden der Empfängnisverhütung, so UNFPA-Vertreter Haug. "Das heißt, dass fast ein Viertel aller Frauen, die zwischen 15 und 49 Jahren verhüten möchten und ihre Familien planen möchten, dies nicht können." Das verstoße gegen das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung.

Werner Haug (Foto: dpa)
Werner HaugBild: picture-alliance/dpa

Regierungen unterstützen nicht genug

Dass es für diese Frauen kaum Verhütungsmittel gebe oder sie diese nur schwer beschaffen könnten, sei aber nur einer von mehreren Gründen für diese Misere. Eine wichtige Rolle spiele auch, dass Regierungen die Familienplanung nur ungenügend politisch unterstützten. Außerdem verhinderten oft kulturelle und religiöse Normen, dass unverheiratete Frauen Verhütungsmittel bekommen - und manchmal sogar verheiratete.

Wenn Frauen kontrollieren können, wann sie eine Familie gründen, wann und in welchem Abstand und wie viele Kinder sie bekommen, dann sind sie im Durchschnitt gesünder. Sie haben auch bessere Ausbildungschancen und Erwerbsmöglichkeiten, so der Weltbevölkerungsbericht. Die Familienplanung darf nicht nur auf den Schultern der Frauen liegen - auch Jungen und Männer müssen einbezogen werden. Studien zeigen zudem, dass sich Investitionen in diesen Bereich lohnen: Sie helfen, die Armut zu reduzieren, die Gesundheit zu verbessern und fördern die Gleichstellung der Geschlechter.

Familienpolitik nicht nur für Wohlhabende

Auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel bezeichnete Familienplanung als Menschenrecht. Jeder Mensch müsse selbst entscheiden können, ob und wann er Kinder haben möchte. "Wir wollen, dass Familienplanung nicht das alleinige Privileg von wirtschaftlich gut situierten Menschen ist, sondern dass jeder Mensch die Chance auf seine eigene Lebensplanung hat."

Dirk Niebel (Foto: dpa)
Dirk NiebelBild: picture-alliance/dpa

Gerade junge Mädchen brauchen besondere Aufmerksamkeit, um sich vor ungewollten Schwangerschaften schützen zu können. Wenn sie die Schule abschließen, können sie danach leichter erwerbstätig sein und ihr eigenes Geld verdienen. Das wiederum verhindere Armut, betonte der Bundesentwicklungsminister. Gleichzeitig verwies er darauf, "dass sich 2011 unsere bilateralen Zusagen im Bereich reproduktive und sexuelle Gesundheits- und Familienplanung im Vergleich zu 2008 mehr als verdoppelt haben - auf über 93 Millionen Euro."

Erst im Juli 2012 haben der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, das britische Ministerium für Internationale Entwicklung, die Bill & Melinda Gates Stiftung und andere in London einen internationalen Familienplanungsgipfel ausgerichtet, bei dem Entwicklungsländer zwei Milliarden US-Dollar und Geberländer 2,6 Milliarden US-Dollar zugesagt haben. Diese Mittel sollen bis 2020 weiteren 120 Millionen Mädchen und Frauen in Entwicklungsländern ermöglichen, freiwillig Familienplanungsdienste in Anspruch zu nehmen.

Noch immer zu wenig Verhütungsmittel

Wer Abtreibung verhindern wolle, müsse sich für Familienplanung einsetzen, fordert Renate Bähr von der Stiftung Weltbevölkerung: "Die Zahl der Frauen, die Verhütungsmittel anwenden, ist von 1960 bis 2000 drastisch gestiegen, von zehn Prozent bis auf über 50 Prozent im Jahr 2000. In den vergangenen zehn Jahren aber sehen wir kaum einen Anstieg."

Renate Bähr (Foto: dpa)
Renate BährBild: picture-alliance/dpa

Das sei dramatisch für die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt, wo etwa ein Drittel des Bevölkerungswachstums auf ungewollte Schwangerschaften zurückgehe, betonte die Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung. Sie erinnerte daran, dass die internationale Gemeinschaft sich verpflichtet habe, bis 2015 allen Menschen ausreichend Aufklärung und Verhütung zu ermöglichen.

Den Familienplanungsbedarf aller Frauen in Entwicklungsländern in vollem Umfang zu decken und die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern - das würde insgesamt 8,1 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten. Derzeit werden rund vier Milliarden US-Dollar dafür ausgegeben.