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Kein Platz für IS im Gazastreifen

Patrick Strickland / KK7. April 2015

Zwar haben die Erfolge der Terrorgruppe "Islamischer Staat" auch die Präsenz dschihadistischer Gruppen im Gazastreifen gestärkt. Doch durchsetzen können diese sich dort nicht. Sie scheitern am Widerstand der Hamas.

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Mitglieder der National Resistance Brigaden, Frühjahr 2015 (Foto: Dylan Collins)
Mitglieder der Nationalen Widerstandsbrigaden in Gaza-StadtBild: DW/D. Collins

Ein militärisches Trainingslager, versteckt in einem Industrieviertel von Gaza-Stadt. Junge Männer, Angehörige der islamistischen An-Nasser Salah al-Din-Brigade, sind mit Kampfübungen beschäftigt. Hoch über ihnen schweben israelische Drohnen und Aufklärungsballons, die das Geschehen beobachten. Auch wenn die Brigade islamistisch ist - sie lehnt jede Nähe zur Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) ab. Diese sei im Gazastreifen nicht aktiv, versichert Abu Sayyaf, ein Führer der Brigade.

Dass der IS sich in der Enklave niederließe, würden die bewaffneten Palästinensergruppen niemals zulassen. "Wir haben keine Angst vor dem IS, denn hier in Gaza würde man seine Präsenz niemals dulden", erklärt er hinter seiner schwarzen Maske. "Das würden wir verhindern." Zwar kontrolliert die islamistische Hamas den Gazastreifen seit 2007. Dennoch sind bewaffnete Gruppen aus dem gesamten politischen Spektrum - Islamisten, säkulare Nationalisten, Linke - in dem Gebiet aktiv.

Mitglieder der al-Nasser Salah al-Din Brigaden, Frühjahr 2015 (Foto: Dylan Collins)
Mitglieder der al-Nasser Salah al-Din BrigadenBild: DW/D. Collins

Entführungen und Drohungen

Nach dem Krieg gegen Israel im vergangenen Sommer berichteten mehrere Medien, der IS sei auch im Gazastreifen präsent. Im Februar entführte eine Gruppe, die behauptete, Verbindungen zum IS zu haben, den palästinensischen Journalisten Mohammed Omer und zwei weitere Personen in Gaza-Stadt. Die Drei wurden nach einiger Zeit wieder freigelassen.

Nur zwei Wochen zuvor hatten sich Salafisten vor dem französischen Kulturzentrum in Gaza-Stadt versammelt und ihre Sympathie für den IS und das Attentat auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" im Januar kundgetan. Im Dezember machten in Gaza mutmaßlich vom IS verteilte Flugblätter die Runde, in denen Frauen dazu aufgefordert wurden, nur solche Kleidung zu tragen, die in den Augen der Salafisten dezent sei.

Auf einem anderen Flugblatt wurden 18 lokale Dichter und Autoren des "Atheismus" beschuldigt. "Wir warnen die Schriftsteller und Dichter davor, weiter frevelhafte Äußerungen von sich zu geben und sich wie Atheisten zu benehmen", war dort zu lesen. "Wir geben diesen vom Glauben Gefallenen drei Tage Zeit, sich von ihren Worten und Taten zu distanzieren und sich neu zum Islam zu bekehren." Ein zuvor auf YouTube veröffentlichtes Video zeigte maskierte Milizen in Gaza, die ihre Verbundenheit zum IS demonstrierten. Und im Februar dieses Jahres erklärte der ursprünglich aus Gaza stammende Mudschahedin Shura Rat nahe Jerusalem, er habe sich verpflichtet "den IS zu unterstützen und seine Reihen zu stärken."

"Kein religiöser Krieg"

"Wir kämpfen hier in Gaza keinen religiösen Krieg", erklärt dagegen Abu Sayyaf. Er ist sicher, dass die dem IS verbundenen Truppen in Gaza nicht allzu populär sind. "In unserem Krieg geht es darum, besetztes Land zu befreien."

Abu Khaled ist ein Kommandeur der Nationalen Widerstandsbrigaden, der bewaffnete Arm der im linken Spektrum angesiedelten "Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas". Er sagt: "Der palästinensische Widerstand mischt sich in die Angelegenheiten anderer Araber nicht ein".Außerdem sei Palästina für den IS kein fruchtbares Gebiet. "Die einzelnen Widerstandsgruppen sind hier miteinander verbunden. Unser Feind ist die israelische Besatzung. Deswegen bekämpfen wir einander nicht."

IS-Kämpfer im syrischen Rakka, 7.8. 2014 (Foto: AP)
IS-Kämpfer im syrischen RakkaBild: picture-alliance/AP Photo/Raqqa Media Center

"Seit der Machtübernahme 2007 ist die Hamas scharf gegen andere Widerstandsgruppen vorgegangen und hat ihre Unabhängigkeit stark eingeschränkt", sagt Benedetta Berti, Sicherheitsanalystin beim israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien. Obwohl salafistische Gruppen in Gaza nur sehr beschränkt präsent gewesen seien, habe das rasche Wachstum des IS und ähnlicher Gruppen in gewissem Maß zum Erstarken bereits bestehender salafistisch-dschihadistischer Gruppen geführt, so Berti. IS und ihm ideologisch nahestehende Gruppen lehnten den Nationalismus der Hamas ab. Die Hamas wiederum sei nur dem bewaffneten Kampf gegen Israel verpflichtet.

"Zweige eines giftigen Baumes"

Spannungen zwischen der Hamas und streng salafistischen Gruppen reichen bis in das Jahr 2009 zurück. Damals bekämpften die Sicherheitstruppen der Hamas die salafistische Gruppierung Schund Ansar Allah im südlichen Gazastreifen. Nachdem die Gruppe im Gazastreifen ein Kalifat ausgerufen hatte, töteten die Hamas-Sicherheitstruppen deren geistlichen Führer Abdel Latif Moussa und Dutzende seiner Kämpfer.

Mitglieder der Nationalen Widerstandsbrigaden in Gaza-Stadt, Frühjahr 2015 (Foto: Dylan Collins)
Mitglieder der Nationalen Widerstandsbrigaden in Gaza-StadtBild: DW/D. Collins

Der israelische Premier Benjamin Netanjahu versucht, die Unterschiede zwischen Hamas und dem IS kleinzureden. "IS und Hamas sind Zweige ein und desselben giftigen Baumes", erklärte er im vergangenen September während einer Rede vor den Vereinten Nationen. "Wenn es um die letzten Ziele geht, ist der IS Hamas, und die Hamas ist der IS."Joshua Landis, Direktor des Zentrums für Nahost-Studien an der Universität von Oklahoma, erklärt, Netanjahu wolle seine Feinde zu Feinden Amerikas erklären. Darum stelle er die beiden auf eine Stufe - "und das zu einer Zeit, da die Beziehungen zwischen Israel und den USA getrübt sind."

Allerdings weist die Hamas selbst auf ihre Distanz zum IS hin. "Wir versichern, dass der IS im Gazastreifen nicht existiert und die Sicherheitskräfte die Lage voll unter Kontrolle haben", erklärte Eyad al-Bozum, Sprecher des Innenministeriums von Gaza, im vergangenen Dezenber dem arabischen Nachrichtensender Al-Mayadeen. Zwar räumte Al-Bozum ein, dass es dem IS nahestehende Gruppen in Gaza gebe. Es sei allerdings unmöglich, die genau Zahl seiner Kämpfer oder Unterstützer anzugeben. "Militärisch kann keine dieser Gruppen die Hamas ernsthaft herausfordern", sagte Al-Bozum. "Sowohl was Ausrüstung und Kämpfer angeht, ist die Hamas durchgehend stärker".