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Kein Plan B für die Rohstoffversorgung

Sabine Kinkartz11. Juni 2013

Ob Akkuschrauber oder Auto - ohne Metalle wie Kupfer oder Kobalt kommt heute kein Alltagsgerät mehr aus. Deutsche Firmen müssen Metallrohstoffe importieren, viele Konkurrenten nicht. Das schürt Unmut.

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Rohstoffe (Foto: USDA)
Bild: USDA, ARS, IS Photo Unit

Was haben Rohstoffe mit der Rente zu tun? Auf den ersten Blick sicherlich nichts, doch wer genauer hinschaut, kann durchaus Parallelen entdecken. Schon vor 40 Jahren wusste man, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden und dass das Rentensystem daher eines Tages in große Schwierigkeiten kommen würde. Trotzdem ist jahrzehntelang praktisch nichts passiert.

Ganz ähnlich könnte es mit der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie laufen. Die Risiken seien jedenfalls bereits absehbar, meint der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Schließlich habe Deutschland eine ausgeprägte Metall erzeugende und Metall verarbeitende Industrie und es gebe hierzulande keine nennenswerte Förderung von Metallrohstoffen. "Erze beispielsweise werden nicht mehr abgebaut, sodass die einzige inländische Rohstoffquelle die sogenannten Sekundarmetalle sind, also das, was wir also im Rahmen der Kreislaufwirtschaft in der Volkswirtschaft versuchen, immer wieder in die Produktion rückzuführen."

Ansammlung von Elektroschrott (Foto: Fotolia)
Immer mehr Elektroschrott wird recyceltBild: Fotolia/Eisenhans

Recycling allein ist keine Lösung

De facto heißt das, dass Metalle wie Aluminium und Kupfer zu praktisch einhundert Prozent nach Deutschland importiert werden müssen. Vor diesem Hintergrund fallen der Versorgungssicherheit und der Preisentwicklung eine große Bedeutung zu. Um fast das Dreieinhalbfache sind die Preise für Industriemetalle seit 1999 gestiegen. In der Metallerzeugung und -verarbeitung machen die Kosten inzwischen 57 Prozent des Produktionswertes aus. Bei der Herstellung von Metallerzeugnissen und im Maschinenbau sind es jeweils rund 40 Prozent.

In den Chefetagen deutscher Firmen lässt das die Alarmglocken läuten, wie aus einer aktuellen Umfrage des IW unter rund 2000 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes hervorgeht. "Auch ohne eine weitere Verschlechterung der Versorgungssicherheit sehen Industrieunternehmen in Deutschland sich mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen konfrontiert", sagt Michael Hüther.

China ist Monopolist für Seltene Erden

Jedes zweite Unternehmen ist der Meinung, dass Wettbewerber mit Sitz in Rohstoffländern Vorteile bei der Beschaffung von Rohstoffen haben. Genannt werden geringere Einkaufspreise, weniger Umweltauflagen, mehr staatliche Unterstützung sowie geringere Handelsschranken und Transportrisiken. "Damit hängt einfach auch zusammen, dass die Länder, in denen diese Rohstoffe vorliegen, natürlich auch wissen, dass sie hier handelspolitische Macht in den Händen halten", so Hüther.

Eine Macht, die Länder wie beispielsweise China immer wieder nutzen, wie der IW-Rohstoffexperte Hubertus Bardt erklärt. Das "Worst-Case-Szenario" für die Industrie sei dabei ein kurzfristiges Abreißen von Lieferketten. "China hat die Exporte von Seltenen Erden beispielsweise schon politisch genutzt, in dem es im Streit mit Japan um unbewohnte Inseln die Lieferung der Seltenen Erden eingestellt hat. Und das, obwohl Japan der größte Abnehmer dieser Stoffe für China ist", so Bardt. Das sei ein politisches Druckmittel und damit könnten Unternehmen extrem schlecht umgehen.

Kleine Unternehmen sind ratlos

Allerdings sind nach Erkenntnissen des Instituts der deutschen Wirtschaft auch viel zu wenige deutsche Unternehmen auf den Ernstfall tatsächlich vorbereitet. Einen "Plan B" für die Rohstoffversorgung gebe es viel zu selten. Zwar verfolgt die Mehrheit der großen und größeren mittelständischen Unternehmen Absicherungsstrategien und hat beispielsweise langfristige Lieferverträge mit einer größeren Zahl von verschiedenen Lieferanten abgeschlossen sowie eine höhere Materialeffizienz durchgesetzt. Bei kleineren Unternehmen hat jedoch jedes vierte seine Versorgungsrisiken gar nicht abgedeckt, beklagt IW-Direktor Hüther.

Die Unternehmen sollten ein besonderes Augenmerk auf ihre gesamte Wertschöpfungskette legen, fordert er. "Auffallend ist, dass viele Unternehmen zwar über ihre direkte Rohstoffversorgung Bescheid wissen, aber nicht über ihre indirekte, also darüber, welche Rohstoffe in ihren Vorprodukten stecken. Die Faustregel lautet: Je kritischer die Rohstoffe, desto schlechter ist der Wissensstand der Unternehmen."

Jeder dritte Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende könne nicht so genau sagen, ob und welche Rohstoffe in der eigenen Produktion gebraucht würden, zitiert Hüther aus der vorliegenden Unternehmensbefragung. Das gelte vor allem für Bauteile, die von Zulieferern eingekauft werden.

Angela Merkel und der Präsident von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew (Foto: Michael Sohn/AP/dapd)
Im Februar 2012 haben Deutschland und Kasachstan eine Rohstoffpartnerschaft vereinbartBild: AP

Forderungen an die Politik

Jenseits dessen, was die Unternehmen machen können, sind viele Risiken auf den Rohstoffmärkten allerdings nur vonseiten der Politik zu lösen. Nur mit internationalen Freihandelsabkommen könne gegen Protektionismus, Exportsteuern und andere markthemmende Tendenzen vorgegangen werden, resümieren die IW-Wissenschaftler. Die europäischen Länder sollten zudem ihre Politik in Sachen Rohstoffe und Energie besser koordinieren, um bei internationalen Verhandlungen mehr Gewicht zu haben. Grundsätzlich positiv werden beim IW die Rohstoffpartnerschaften eingeschätzt, die Deutschland mit Kasachstan und der Mongolei abgeschlossen hat. Bisher, so kritisiert Hubertus Bardt, ließen diese Partnerschaften allerdings noch "keinen praktischen Nutzen" erkennen. Das müsse sich natürlich ändern.