1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kaum legale Wege nach Deutschland

Viktoria Kleber26. November 2013

Rund 24.000 Syrer sind seit Beginn des Bürgerkriegs vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland geflüchtet. Viele riskieren bei der illegalen Einreise ihr Leben, legale Wege gibt es kaum.

https://p.dw.com/p/1AMLc
Dutzende syrische Flüchtlinge stehen in der Türkei . Foto: Cem Genco
Syrische Flüchtlinge versuchen, von der Türkei aus in die EU zu gelangen.Bild: picture alliance/abaca

Es ist die griechische Küstenwache, die den Flüchtlingstraum vieler Syrer von der Einreise in die Europäische Union beendet. Vor den ostägäischen Inseln im Mittelmeer greift sie Flüchtlingsboote auf und sendet sie zurück in die Türkei. Von dort aus starten viele Syrer mit dem Boot, um in die EU zu kommen, seit die türkisch-griechische Landgrenze im Sommer 2012 geschlossen wurde.

Doch wer die Reise antritt, riskiert sein Leben: Seit August 2012 sind laut der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl 149 Menschen im Meer zwischen der Türkei und Griechenland gestorben, die meisten von ihnen syrische Flüchtlinge. "Dass sie diesen Weg wählen, zeigt, dass sie keine andere Chance mehr haben", sagt Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl.

Wer die EU über Griechenland erreicht und es bis nach Deutschland schafft, der darf fast immer bleiben: Mehr als 95 Prozent der Syrer, die einen entsprechenden Antrag stellen, erhalten nach Angaben des Bundesamts für Migration Flüchtlingsschutz oder andere Genehmigungen, um mindestens so lange in Deutschland zu leben, bis der Krieg in Syrien vorbei ist. Wer über andere EU-Länder einreist wie Bulgarien oder Italien, muss dorthin zurück. Denn laut Gesetz muss ein Zuwanderer in dem EU-Land Schutz beantragen, das er zuerst betreten hat. Wegen der schlechten Bedingungen für Flüchtlinge dort gilt das nicht bei Griechenland. Wenn die Syrer bei ihrer Flucht trotz Küstenwache das griechische Festland erreicht haben, können sie deshalb auf Hilfe in Deutschland hoffen.

Griechenlands Küstenwache fängt Flüchtlinge von der Türkei ab. Foto: AFP
Griechenlands Küstenwache fängt Flüchtlinge von der Türkei abBild: Giannis Politis/AFP/Getty Images

Kaum einer kommt legal

Etwa 2,2 Millionen Syrer sind seit Beginn der Aufstände vor zweieinhalb Jahren ins Ausland geflohen, davon rund 24.000 Menschen laut Bundesinnenministerium nach Deutschland. Die meisten von ihnen kamen hierhin, weil ein Teil der Familie im Land lebt. Wer einreise, der komme meist illegal, sagt Mesovic. Denn es gibt nur wenige legale Möglichkeiten.

Zum einen gibt es ein Programm der Bundesregierung. Es sieht die Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen vor. Sie werden vom UNHCR ausgewählt, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Wer bereits Familie in Deutschland hat, noch Kind ist oder schwer verletzt, hat bessere Chancen als andere. Rund 1000 von ihnen sind bereits eingetroffen, die Restlichen sollen bis zum Frühjahr 2014 ausgewählt werden und einreisen. Es sollten schon viel mehr von ihnen in Deutschland sein, doch das komplizierte Auswahlverfahren verzögert den Prozess.

Hohe Hürden für legale Einreise

Zum anderen haben neben dem Bund auch die Länder spezielle Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge. Sie richten sich ausschließlich an Syrer, die Familie in Deutschland haben und in einen der syrischen Nachbarstaaten geflohen sind - in den Libanon, Jordanien, in den Irak oder die Türkei. Doch Bernd Mesovic hält die Voraussetzungen für das Aufnahmeprogramm der Länder zu hoch: "Sie sind so gefasst, dass wir nicht glauben, dass überhaupt eine ernsthafte Zahl von Menschen diese Möglichkeit in Anspruch nehmen kann."

Denn die meisten Länder verlangen, dass die hier lebenden Verwandten alle Kosten für den Flüchtling tragen. Dazu müssen sie ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 2000 Euro und eine Krankenversicherung für die Einreisenden vorweisen. "Das können sich nur sehr privilegierte Syrer leisten", sagt Mesovic, "die meisten Syrer werden durch diese Bedingung ausgeschlossen." Die Zahlen geben ihm recht: 140 Flüchtlinge sind seit 2011 nach Angaben des Bundesinnenministeriums über diese Regelung der Länder eingereist.

Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer und verantwortlich für die Pressearbeit von PRO ASYL. Copyright: Pro Asyl
Bernd Mesovic von Pro Asyl kritisiert die Voraussetzungen für eine EinreiseBild: Pro Asyl

Politik sieht Handlungsbedarf

Die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und die Linke fordern, dass Deutschland angesichts der hohen Flüchtlingszahlen viel mehr Syrer aufnehmen sollte. "Alles andere ist in diese Situation völlig unangemessen", sagt Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Die Parteien verlangen eine Öffnung der EU-Grenzen für syrische Flüchtlinge.

Und auch der Bundesinnenminister selbst sieht Handlungsbedarf, aber nicht auf deutscher, sondern auf europäischer Ebene. "Ich glaube, dass weitere Aufnahme notwendig ist. Allerdings verlange ich, dass wir eine europäische Konferenz einberufen, denn es ist ein Thema, dass Europa gemeinsam beantworten muss", sagte Hans-Peter Friedrich (CSU) Anfang September - bis heute wurde keine solche Konferenz einberufen.

Solange die legale Einreise in die EU für Syrer mit hohen Hürden verbunden ist, setzen viele Menschen weiter auf die illegale Flucht. Wer das Geld aufbringen kann, der macht sich - auf eigene Faust oder mithilfe eines Schleusers - auf den Weg und hofft dann, dass die griechische Küstenwache in der Fluchtnacht nicht ganz so wachsam ist.