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Menschenrechte China

Cao Haiye/Zhang Ping10. Dezember 2012

Vor zwei Jahren wurde der Friedensnobelpreis an den inhaftierten Schriftsteller Liu Xiaobo verliehen. Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen sehen seitdem keine Verbesserung der Lage in China.

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Demonstrant mit Maske "Verbrechen des Umsturzes der Staatsgewalt in Hongkong" (Foto: AP)
Bild: AP

Liu Xiaobo bekam als erster Chinese den Friedensnobelpreis, er saß damals seit knapp einem Jahr in Haft. Ende 2009 war Liu wegen "Aufwiegelung zur Subversion" zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Menschenrechtsaktivist Hu Jia noch im Gefängnis, im Juni 2011 wurde er nach drei Jahren Haft freigelassen. Bei seiner Heimkehr parkten vor seiner Haustür schon die Dienstwagen der Sicherheitsbeamten, die ihn weiterhin kontrollieren sollten. Zum diesjährigen Tag der Menschenrechte hinderten sie ihn daran, das Haus zu verlassen, denn er hatte eine publikumswirksame Aktion in der Nähe der Wohnung von Liu Xia angekündigt. Sie ist die Frau von Liu Xiaobo und steht unter Hausarrest.

 "In vielerlei Hinsicht hat sich die Situation verschlechtert", sagt der 39jährige Hu Jia, der sich seit Jahren unter anderem für Rechte von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken einsetzt. Andere prominente Fälle wie die von Ai Weiwei  und Chen Guangcheng bestätigen diese Einschätzung.

Porträt des Bürgerrechtlers Hu Jia (Foto: dpa)
Aktivist Hu Jia muss am Menschenrechtstag zuhause bleibenBild: picture alliance/dpa

So ließ die Pekinger Polizei den Künstler Ai Weiwei im letzten Jahr drei Monate lang verschwinden. Danach wurde ihm ein Prozess wegen angeblicher Steuerhinterziehung gemacht. Bis heute darf er sich nicht frei bewegen. Ebenfalls unter Hausarrest stand der blinde Aktivist Chen Guangcheng, der Zwangsabtreibungen angeprangert hatte und dafür vier Jahre ins Gefängnis musste. Nach der Freilassung im Jahr 2010 wurden ihm und seiner Familie das Zuhause zum Gefängnis. Im April 2012 gelang es ihm, in die US-Botschaft zu fliehen. Jetzt lebt Chen mit seiner Familie in New York.

Arbeitslager und "schwarze Gefängnisse"

Der China-Experte von Amnesty International, Dirk Pleiter, sieht die Lage in China mit Besorgnis. "Seit der Verurteilung von Liu Xiaobo können wir keine Verbesserung der Situation jener feststellen, die sich regierungskritisch  betätigen oder sich wie Liu Xiaobo für die Menschenrechte engagieren." Weiterhin könnten Bürger aus politischen Gründen inhaftiert werden. Dazu werde entweder das Strafgesetzbuch herangezogen oder eine administrative Anordnung. "Diese Situation hat sich nicht verändert", so der Amnesty-Experte.

Rechtsexperten in China kritisieren die "Umerziehung durch Arbeit", eine spezielle Form der Administrativhaft. Es gibt Überlegungen in der Partei, hier Reformen durchzuführen, aber bislang ohne konkrete Ergebnisse. Nach jetziger Rechtslage dürfen die Behörden Bürger bis zu vier Jahren ohne Rechtsverfahren einsperren. Vor kurzem wurde ein junger Dorfbeamter in Chongqing zu zwei Jahren "Arbeitserziehung" verurteilt, weil er Beiträge im Internet weitergeleitet hatte, die politische Reformen forderten. Der Fall löste auch in China Empörung aus, was aber keine Folgen hatte.

"Jugendhotel" in Peking das als "schwarzes Gefängnis" diente (Foto: DW)
Dieses "Jugendhotel" in Peking diente bis mindestens 2008 als "schwarzes Gefängnis"Bild: Zhou Shuguang

Auch Bürger, die keine politischen Motive haben, sind vor Schikanen nicht sicher. Beschwerdeführer, die sich von den Behörden in ihren Heimatprovinzen ungerecht behandelt fühlen und nach Peking fahren, um dort eine Petition einzureichen, werden oft von speziellem Sicherheitspersonal abgefangen und in die Heimat zurückgeschickt. Vor der Abreise werden sie teilweise in die sogenannten "schwarze Gefängnisse" gesteckt. Das Problem ist seit Jahren bekannt, es gab auch Verfahren gegen einzelne Wächter wegen Körperverletzung oder Totschlags.

Anfang Dezember öffneten zwei berüchtigte "schwarze Gefängnisse" in Peking ihre Tore und entließen Tausende Gefangene. Dirk Pleiter von Amnesty International befürchtet, dass es bei derartigen Einzelmaßnahmen bleibt und dass das grundsätzliche Problem damit nicht gelöst ist. "Dafür wäre es notwendig, dass Häftlingen das Recht eingeräumt wird, unmittelbar nach einer freiheitsberaubenden Maßnahme Zugang zu einem Anwalt ihrer Wahl zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Anfang des Jahres hat der Nationale Volkskongress es den Behörden leichter gemacht, Personen für längere Zeit ohne Zugang zur Außenwelt zu inhaftieren."

Zensur und Druck gegen Christen

Auch bei der Religionsausübung hat die Regierung den Druck verstärkt. Mitglieder der papsttreuen Untergrundkirche bekamen das in den letzten Jahren deutlich zu spüren. Ihre Gottesdienste wurden verboten, Geistliche unter Kontrolle gestellt. Selbst ihre Kollegen in der offiziell anerkannten patriotischen Kirche wurden verstärkt unter Druck gesetzt. Ein hochrangiger Priester im Bistum Shanghai kündigte im Juli seinen Rücktritt vom Amt in der patriotischen Kirche an und ist seither nicht mehr zu erreichen. Vermutlich steht er unter Hausarrest.

Chorsänger in einer Pekinger "Hauskirche" (Foto: DW)
Christen in China, ob "patriotisch" oder papsttreu, stehen unter DruckBild: picture-alliance/ANN

In den Medien des Landes erfährt man über diese Vorfälle kaum etwas. Die Presse steht unter strenger Zensur, viele meinen, noch strenger als vor einigen Jahren. Die Verlagsgruppe Nanfang Media Group, die als der mutigste Zeitungsverleger Chinas galt, verliert seit einiger Zeit Redakteure und Kommentatoren, weil sie nicht mehr unter der verstärkten Zensur arbeiten wollen. Bekannte investigative Journalisten wurden gezwungen, ihre Redaktion zu verlassen, nachdem sie Skandale enthüllt hatten. 

Bob Fu, Vorsitzender der in den USA ansässigen Menschenrechtsorganisation China Aid, sieht für die Verschlechterung der Menschenrechtslage in China die Politik des Westens mit verantwortlich. "Amerikanische und  europäische Unternehmen haben immer engere Geschäftsbeziehungen mit China. Angesichts ihrer starken Lobbyarbeit wird es immer schwieriger für die jeweilige Regierung und das Parlament, sich für die Menschenrechte in China einzusetzen."

Für Hu Jia besteht der Unterschied zu früher darin, dass das Regime in der Vergangenheit noch versucht habe, sich zu rechtfertigen. Jetzt aber suchten die Machthaber gar nicht erst nach Begründungen für Maßnahmen wie seine Überwachung. Hu Jia zitiert seine Aufpasser, die ihm mehrfach erklärt hätten: "Das Land gehört doch der Kommunistischen Partei."