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Geschmiert wird in ganz Europa

Bernd Riegert3. Februar 2014

Der erste Bericht der EU-Kommission zur Korruption in den Mitgliedsstaaten beweist wieder einmal: Korruption ist in der EU weit verbreitet. Besonders die Krisenstaaten und der Osten haben ein großes Problem.

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Cecilia Malmström
Eine Hand wäscht die andere: EU-Kommissarin Malmström will das verhindernBild: picture alliance/AA

Eine Rangliste, aus der man ersehen könnte, welches Land der Europäischen Union das korrupteste ist oder welches am besten gegen Bestechung, Schmiergeld und unlautere Einflussnahme vorgeht, sucht man im dickleibigen Untersuchungsbericht der EU-Kommission vergebens. Die EU-Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, weigerte sich, Schulnoten für die 28 Mitgliedsstaaten zu vergeben. "Das ist eine offene Analyse über die Korruption in jedem einzelnen Mitgliedsstaat, welche Gesetze es gegen Korruption gibt und wie sie in der Praxis angewendet werden. Außerdem machen wir Vorschläge, was jeder Mitgliedsstaat verbessern kann." Aus der EU-Kommission heißt es aber, nach Lektüre der 28 Einzelberichte werde schnell klar, dass es ein Gefälle zwischen Nord und Süd sowie zwischen West und Ost gebe. Die östlichen und südlichen Mitgliedsstaaten leiden mehr unter Korruption als die im Norden. Ein Land, in dem alles stimmt, gibt es aber auch nicht, sagt Cecilia Malmström: "Der Bericht zeigt klar, dass das Ausmaß von Korruption von Mitgliedsland zu Mitgliedsland unterschiedlich ist. Er zeigt aber auch, dass alle Mitgliedsstaaten betroffen sind. Es gibt keine Zonen in Europa, die frei von Korruption wären."

Deutschland nicht ohne Makel

Schweden, Finnland, Dänemark und Deutschland gehören zur Spitzengruppe bei der Korruptionsbekämpfung, aber selbst in Deutschland sind den Prüfern von der EU-Kommission einige Probleme aufgefallen. Die Vorschriften zur Bestechung und Bestechlichkeit von Amts- und Mandatsträgern sollten verschärft werden, empfiehlt die Kommission. Deutschland brauche Regeln für Politiker, die nach dem Ausscheiden aus dem Amt in die Wirtschaft wechseln. Es müsse vermieden werden, dass ein Politiker genau in einem Unternehmen anheuert, dem er zuvor möglicherweise in seinem Amt geholfen habe. Der Fall des ehemaligen Kanzleramts-Ministers Ronald Pofalla, der mutmaßlich zur Deutschen Bahn wechseln will, lässt grüßen. Auch zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung seien noch Fragen offen, so die EU-Kommission. Ausdrückliches Lob gibt es für den Siemens-Konzern, der nach Bestechungsskandalen, ein vorbildliches System zur Kontrolle von Korruption im eigenen Unternehmen eingeführt habe, so die Brüsseler Beamten.

"Ernste Situation in Bulgarien"

Am unteren Ende der Skala sieht EU-Kommissarin Cecilia Malmström die üblichen Verdächtigen. In Griechenland, Rumänien und Bulgarien seien Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oder Schmiergeld-Zahlungen im Gesundsheitswesen massive Probleme, schreibt die EU-Kommission in den Länderberichten. Für Bulgarien, das immer wieder von Korruptionsskandalen auf der nationalen Ebene erschüttert wird, hat die Kommissarin eine wenig konkrete Botschaft. "Die Situation in Bulgarien ist sehr, sehr ernst. Unsere Botschaft an Bulgarien ist: Ja, es gibt ein Problem, aber was kann man jetzt tun, um die Lage zu verbessern? Das Problem gibt es in vielen Mitgliedsstaaten. Wie können wir und die Staaten miteinander besser zusammenarbeiten, um Wege zu Bekämpfung der Korruption zu finden?" Die EU-Kommission will die Länderberichte jetzt breit angelegt diskutieren. Konkrete Gesetzgebung oder gar Strafen sind nicht geplant. Dafür ist die Brüsseler Behörde auch gar nicht zuständig. Innenpolitik ist Sache der 28 Mitgliedsstaaten.

Bulgarien Proteste gegen die Regierung 05.12.2013
Proteste gegen angeblich korrupte Regierung in Bulgarien (Dez. 2013)Bild: BGNES

120 Milliarden Euro Schaden pro Jahr

Cecilia Malmström hofft auf Einsicht, denn durch Korruption entstehe jedes Jahr in der EU ein wirtschaftlicher Schaden von 120 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union. Die europäischen Bürger machen sich keine großen Illusionen und sehen sich eigentlich von Korruption umzingelt. Das zeigen zwei Meinungsumfragen, die die EU-Kommission am Montag ebenfalls vorgelegt hat. "76 Prozent der Europäer denken, dass Korruption in ihrem Land weit verbreitet ist. Über 50 Prozent meinen sogar, dass die Korruption in den letzten Jahren zugenommen hat", sagte EU-Kommissarin Malmström und forderte die Mitgliedsstaaten wiederholt auf, nun auch zu handeln. Den Korruptionsbericht hatten die Staaten schließlich selbst angefordert. Ihnen wird nicht gefallen, dass die Kommission in über der Hälfte der Staaten undurchsichtige Praktiken bei der Finanzierung der politschen Parteien festgestellt hat. Die Kommission schätzt, dass jeder vierte öffentliche Auftrag im Straßen- oder Gebäudebau mit Korruption zu tun haben könnte.

"Transparency International" fordert Konsequenzen

Infografik Korruptionswahrnehmungsindex Transparency International 2013
Anders als die EU hat "Transparency International" keine Scheu vor Ranglisten

Die Korruptionsbekämpfung in Europa ist bereits hinlänglich untersucht. Neben der EU-Kommission haben auch der Europa-Rat in Straßburg, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Vereinten Nationen Analysen und Empfehlungen vorgelegt. Einschlägig bekannt ist auch der Korruptionsindex, den die Nichtregierungsorganisation "Transparency International" vorlegt. Die Fakten an sich seien also nicht neu, so Ronny Patz vom Brüssler Büro von "Transparency International". Jetzt komme es darauf an, was man aus ihnen mache, so Patz gegenüber der DW. "Die Kernfrage wird natürlich sein, inwieweit in den nächsten Wochen und Monaten die Mitgliedsstaaten auf die Empfehlungen der EU-Kommission reagieren. Daran messen wir den Erfolg dieses ersten Korruptionsberichts. Er soll ja alle zwei Jahre vorgelegt werden. Dann wird man sehen, ob es wieder die gleichen Themen sind, wenn nichts passiert."

Im April will "Transparency International" einen Korruptionsbericht zu den Institutionen der Europäischen Union selbst vorlegen, die jährlich ebenfalls viele Milliarden Euro an öffentlichen Aufträgen vergeben. Die EU ist im Bericht von Cecilia Malmström nicht untersucht worden. "Wir können uns ja nicht selbst kontrollieren. Das müssen andere tun, wie etwa der Europäische Rechnungshof."