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Kein absoluter Schutz

Marcel Fürstenau, Berlin 19. Dezember 2008

An der Bundesratsentscheidung über das umstrittene BKA-Gesetz gab es vorab von vielen Seiten Kritik. Unter anderem beklagen sich Anwälte, Ärzte und Journalisten, die unter Umständen Informationen preisgeben müssen.

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Die Lauschenden, eine Bronzeskulptur von Karl-Henning Seemann, an der Außenwand der Musikhochschule in Freiburg.(Foto: AP)
Das BKA darf zukünftig leichter mithören - ein Lauschangriff auf Anwälte, Ärzte und Journalisten?Bild: AP

Es soll das schärfste Schwert im Anti-Terror-Kampf sein: das "Gesetz zur Bekämpfung von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt". Am Freitag (19.12.2008) hat das BKA-Gesetz die letzte Hürde genommen. Die Zustimmung der Länderkammer, des Bundesrates, galt nach langem Streit als sicher. Bereits am Donnerstag hatte der Bundestag den im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromissen zugestimmt.

Das BKA wird damit erstmals präventive Aufgaben übernehmen. Bislang durfte es erst tätig werden, wenn Straftaten bereits begangen wurden. Umstritten war vor allem die Möglichkeit zur geheimen Ausspähung privat genutzter Computer, die so genannte Online-Durchsuchung.

Kritiker lehnen aber auch andere Regelungen ab. Etwa die Aufweichung des absoluten Schutzes für so genannte Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Ärzte und Journalisten. Sie können mit Hilfe des Gesetzes zur Telekommunikations-Überwachung und im Rahmen des BKA-Gesetzes belauscht und zur Herausgabe von Informationen gedrängt werden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Zwei Anwälte (Foto: AP)
Anwälte sehen den Vertrauensschutz in GefahrBild: AP

Ulrich Schellenberg ist Rechtsanwalt und Notar. Zu seinen Markenzeichen gehören Diskretion und Vertraulichkeit - von Berufs wegen. Schellenbergs Mandanten müssen sich darauf verlassen können, dass Privates privat bleibt. Doch dafür kann der Advokat nicht mehr garantieren. Denn Anwälte genießen im Zweifelsfall nur noch einen relativen Schutz vor Durchsuchungen und verdeckten Ermittlungen. Besser haben es da etwa Geistliche, Abgeordnete und Strafverteidiger. Ihnen gegenüber besteht ein absolutes so genanntes Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot.

Das sei eine absolute Zwei-Klassen-Regelung, meint Schellenberg: "So wie die Geistlichen sich als Seelsorger um den religiösen Gewissens-Konflikt kümmern, so ist die Anwaltschaft aufgerufen, sich um den weltlichen Gewissens-Konflikt zu kümmern. Wir sprechen mit Leuten, die ein Problem haben. Und dieses Problem möchten sie mit einem Anwalt besprechen, und zwar unter dem Siegel der Vertraulichkeit", meint er.

Vertraulichkeit in Notlagen

Schellenberg, der auch Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltsverein ist, wirft dem Gesetzgeber vor, Politik gegen die Bürger zu betreiben. Es gehe nicht um Privilegien für bestimmte Berufsgruppen, sondern um die Gewissheit, sich in Notlagen anderen Menschen anvertrauen zu können.

Ärztinnen vor Röntgenfotos (Foto: AP)
Von schweren Krankheiten soll der Staat nichts erfahrenBild: AP

So sieht es auch der Vorsitzende des "Hartmann-Bundes", Kuno Winn, der die Interessen der Ärzte und ihrer Patienten vertritt. Wenn beispielsweise jemand HIV-positiv sei oder eine andere schwere Krankheit habe, erzähle er das nicht jedem. Die Patienten sollten sicher sein und, dass der Patient, wenn er die Praxis betritt und mit dem Arzt spricht, absoluten Vertrauens-Schutz genieße, so Winn. Aber genau dieser Schutz sei "jetzt schon durchlöchert".

Journalisten fühlen sich eingeschüchtert

Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, wirft der Politik vor, den Ermittlungsbehörden und insbesondere dem BKA einen Blanko-Scheck auszustellen. Schon ohne die neuen Befugnisse habe es seit den 90er Jahren rund 200 Ermittlungs-Verfahren gegeben, ohne dass es zu einer einzigen Anklage gekommen sei.

Spektakulär war die Durchsuchung der Redaktions-Räume des Magazins "Cicero" im Jahre 2005. Der Vorwurf: Beihilfe zum Geheimnis-Verrat. Anlass war ein Artikel über die Aktivitäten eines Terroristen. Dabei zitierte der Autor auch aus einem als geheim eingestuften Bericht des Bundeskriminalamtes. Zwar urteilte das Bundesverfassungsgericht, das staatliche Vorgehen sei verfassungswidrig gewesen. Doch habe der Fall Spuren hinterlassen, bedauert Journalisten-Funktionär Konken. Das nunmehr eingeschränkte Zeugnis-Verweigerungsrecht schüchtere die Kollegen weiter ein.

"Farce in einer Demokratie"

Konken: "In den Redaktionen verspüren wir natürlich schon Ängste, weil man nicht mehr weiß, wo man sich mit Informanten treffen soll. Und es kann doch eigentlich nicht sein, dass wir jetzt schon Seminare anbieten und Informations-Broschüren herausgeben, in denen Tipps stehen, wie ich mich vor der Online-Durchsuchung oder Überwachung schützen kann." In einer Demokratie sei derlei jedenfalls eine "Farce", sagt der Journalist.

Ende November verabschiedeten Anwälte-, Ärzte- und Journalistenvertreter eine gemeinsame Resolution und forderten die Politiker auf, das BKA-Gesetz abzulehnen. Doch auch nach der zu erwartenden Zustimmung des Bundestates wollen sie ihren Kampf nicht aufgeben.