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WikiLeaks am Ende?

Günther Birkenstock4. März 2013

Informant Bradley Manning steht in den USA wegen Geheimnisverrats vor Gericht, Mitgründer Julian Assange hat sich in einer Londoner Botschaft verschanzt - ist die große Zeit von WikiLeaks vorbei?

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Durch eine Lupe ist am auf der Internet-Seite von Wilileaks das Wort «Secret» zu sehen. Foto: Oliver Berg dpa
Bild: picture-alliance/dpa

In der vergangenen Woche erschien die Enthüllungsplattform WikiLeaks noch einmal in den Schlagzeilen. Diesmal aber nicht wegen der Veröffentlichung brisanter Informationen aus vertraulichen Dokumenten. Nach 1000 Tagen Haft hatte der wegen Geheimnisverrats angeklagte US-Soldat Bradley Manning zugegeben, dass WikiLeaks von ihm geheime Akten erhalten hat.

Der 25-Jährige hatte 2009 und 2010 als Geheimdienst-Analyst in Bagdad gearbeitet. Vor einem Militärgericht in den USA ist er angeklagt, illegal geheime Analysen aus Irak und Afghanistan, diplomatische Depeschen des US-Außenministeriums und weitere als vertraulich eingestufte Papiere und zwei Videos aus den Kampfgebieten übergeben zu haben. Die Internetplattform veröffentliche 2010 und 2011 Tausende Dokumente, nannte aber nie die Quelle. Der Fall gilt als die größte Enthüllung vertraulicher Informationen in der US-Geschichte.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat in Londons Botschaft von Ecuador Zuflucht gefunden (Foto: REUTERS)
WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat in Londons Botschaft von Ecuador Zuflucht gefundenBild: REUTERS

Alles dreht sich nur um Assange

Mannings Eingeständnis und Verfahren bringe WikiLeaks zwar kurzfristige Aufmerksamkeit, meint der Politik-Blogger und Netzspezialist Markus Beckedahl. Doch das Portal kreise derzeit viel zu sehr um sich selbst und seinen umstrittenen Mitgründer Julian Assange. "Eine Chance gibt es für WikiLeaks nur dann, wenn das Portal wieder zu seiner Kernaufgabe zurückkehrt. Es muss einen sicheren Ort schaffen, an dem Menschen Dokumente hochladen können, um auf Missstände hinzuweisen." Außerdem müsse die Plattform dafür sorgen, dass diese Information ohne Zensur im Netz erhältlich bleibe.

WikiLeaks-Mitgründer Julian Assange befindet sich seit Juli 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London. Das südamerikanische Land bot ihm Zuflucht vor dem Zugriff Schwedens, wo er sich wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs rechtfertigen soll, und der USA, die ihn wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente anklagen wollen.

Gesperrte Informationskanäle

2006 war WikiLeaks gegründet worden und hatte mehrfach mit spektakulären Veröffentlichungen für internationale Aufmerksamkeit gesorgt. Neben Informationen über Details des Irak-Krieges waren das vor allem Zehntausende diplomatischer US-Berichte über Regierungen und Politiker in aller Welt, die unter dem Namen "cablegate" bekannt wurden. Mehrfach wurden einzelne Seiten des Internetportals gesperrt. Seit September 2010 können dort keine Daten mehr hochgeladen werden. Damit war es vielen geheimen Informanten nicht mehr möglich, WikiLeaks auf sicherem Wege Daten zukommen zu lassen. Für Insider gebe aber nach wie vor Wege, um Assange und den Plattform-Mitarbeitern brisante Dokumente zuzuspielen, meint Markus Beckedahl.

WikiLeaks - ein Vorbild

Das größte Verdienst von Wikileaks sieht der Politik-Blogger darin, dass hier ein Trend gesetzt wurde, Originaldokumente zu veröffentlichen. Denn, so Beckedahl: "Journalistische Texte verändern immer. Durch die Originaldokumente können wir die Journalisten überprüfen, und das macht den Journalismus besser." Beckedahl hofft, dass eine neue Generation von Journalisten deshalb mehr Originale ins Netz stellt.

Portrait Markus Beckedahl
WikiLeaks hat einen wichtigen Trend gesetzt, meint Netzspezialist Markus Beckedahl

Der Netzspezialist sieht aber auch kritische Punkte an der Vorgehensweise von WikiLeaks. Durch manche Enthüllungen seien Menschen in Gefahr geraten. "Man hätte zum Beispiel mehr Sorgfalt darauf verwenden müssen, Namen von Personen, die in repressiven Systemen leben und mit der US-Botschaft geredet haben, aus dem Text herauszunehmen." Das sei WikiLeaks wegen der Fülle von Informationen nicht möglich gewesen.

Vielfältige Nachahmer

Die demokratische Grundidee von WikiLeaks aber ist für Beckedahl vertretenswert. Inzwischen sei das Instrument "Enthüllungsportal" von vielen aufgenommen worden. "Es gibt eine Vielzahl von sogenannten Leaking-Plattformen, auch bei traditionellen Medien. Zeit-Online oder auch die WAZ-Gruppe bieten so etwas an." Außerdem seien neue spezialisierte Portale gegründet worden, wie beispielsweise "Balkanleaks": "Die sorgen im Balkanraum für Furore, weil sie mit derselben Funktion arbeiten wie WikiLeaks, aber sie tun es mit journalistischer Begleitung , sie weisen in diesen Ländern auf Missstände und Korruption hin."

Auch der ehemalige WikiLeaks-Mitarbeiter Daniel Domscheit-Berg hat im Jahr 2011 ein neues Internetportal gegründet. Seine Plattfom "Openleaks" ist jedoch eher ein Vermittler zwischen Interessengruppen als ein offenes Informationsportal. In die Fußstapfen von WikiLeaks konnten und wollten die Openleaks-Gründer nicht treten, meint Markus Beckedahl. "Es geht darum, eine Plattform zur Verfügung zu stellen, die andere Organisationen und Medien nutzen können. Derzeit scheint es so zu sein, dass Openleaks vor allem Beratung und Schulung anbietet."

Keine Verräter, sondern Helden

Die Sache selbst, das Aufdecken von Missständen durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente, sei im Grunde nichts Neues, sagt Markus Beckedahl. "Aber WikiLeaks hat der Welt gezeigt, wie 'Whistleblowing' im 21. Jahrhundert aussehen kann."

Foto:AP Photo/Ben Margot
Der geheime Watergate-Informant Mark FeltBild: AP

Informanten habe es in der Geschichte viele gegeben. Einige seien berühmt geworden, von anderen habe man nie erfahren, so Beckedahl. "Diejenigen, die den Watergate-Skandal aufgedeckt haben, waren große Helden in den USA, und sie werden bei Debatten zu diesem Thema immer noch als Experten eingeladen."