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Katerstimmung in München

Olivia Fritz20. Mai 2012

Es hätte die Party des Jahres werden sollen – am Ende feierten nur die englischen Fans. Nachdem die Bayern das Finale der Champions League gegen Chelsea verloren haben, ist die Enttäuschung riesig.

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Ein enttäuschter Bayernfan. (Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach)
Bild: Reuters

Diese Niederlage wird schwer zu verdauen sein. Für Spieler, für Verantwortliche, für Fans. Den großen Traum verspielt. Das Finale im eigenen Stadion verloren. Kein Titel in dieser Saison. Dreimal mussten die Münchener Spieler zusehen, wie die anderen jubelnd die Trophäen in die Höhe reckten: Meisterschale, DFB-Pokal und jetzt auch noch den Champions-League-Pokal. "Koan Titel", resümierte die Presse. Vom "Drama dahoam" war zu lesen. Natürlich stand Matchwinner Didier Drogba im Mittelpunkt, der mit seinem Treffer zum 1:1 kurz vor dem Abpfiff seinen FC Chelsea noch im Rennen hielt und anschließend den entscheidenden Elfmeter verwandelte.

"Drogba ist der ungnädige Henker der Deutschen", titelte die italienische Tuttusport. "Drogba bricht den Bayern das Herz", war in der La Republica zu lesen. Auch FIFA-Chef Joseph Blatter gratulierte dem Sieger. "Ein Bravo dem unglaublichen Didier Drogba", twitterte er. Und in England huldigten sie dem Vater des Erfolgs – dem russischen Oligarchen und Vereinsvesitzer Roman Abramowitsch. "Milliardenfacher Dank! Abramowitsch erfüllt sich seinen Herzenswunsch!"

Chelsea feiert größten Triumph der Vereinsgeschichte

Während die Chelsea-Spieler bis in den frühen Morgen ausgelassen feierten und ihren Fans am Teamhotel die Champions-League-Trophäe präsentierten, herrschte bei den Bayern-Fans Entsetzen. Den ganzen Tag über war die Euphorie spürbar gewesen: In der Stadt, im Stadion, beim Public Viewing und im nahe gelegenen Olympiastadion. Doch die große Freude schlug um – in tiefe Trauer. "Die Leute, die Fans gingen da her, niedergeschlagen, traurig", beschrieb es Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Die meisten Fans gingen sofort nach Hause – zurück blieben die rund 30.000 Anhänger des FC Chelsea.

Chelsea-Fans feiern. (Foto: REUTERS/Paul Hackett)
Chelsea-Fans feierten die ganze NachtBild: Reuters

Immerhin blieb es weitgehend friedlich. 140 Festnahmen habe es nach Polizeiangaben gegeben, kleinere Einsätze, aber keine nennenswerte Straftaten oder gar Schwerverletzte. Auch die Rückreise der deutschen und englischen Fans war unproblematisch. Die Mannschaft des FC Chelsea verließ bei sonnigem Frühlingswetter den Finalort München und flog zurück, um am Stadion am Nachmittag mit ihren Fans zu feiern.

"Besser daheim geblieben"

Nach feiern war den Bayern-Spielern nicht zumute, dennoch gab es ein Bankett und die obligatorische Reden. ""Das ist einer dieser Abende, an denen man sich fragt, ob man nicht besser daheim geblieben wäre", sagte Rummenigge. "Es ist eine Rede, die ich in diesem Stil nie führen wollte und möchte. Wir haben eine Chance verpasst. Es wäre möglich gewesen, dieses Finale zu gewinnen." Man müsse sich hinterfragen, warum man nicht gewonnen habe.

Todunglücklich hockte Arjen Robben, der im Spiel einen Elfmeter verschossen hatte, auf seinem Stuhl. "Am liebsten würde ich jetzt eine Woche auf einer unbewohnten Insel verbringen", gestand er zu später Stunde. Bayern-Präsident Uli Hoeneß, dessen größter Traum zerplatzt war, fehlten fast die Worte. "Das ist ein Drama, unfassbar. Ich habe überhaupt noch keine Orientierung und keine Erklärung", sagte er während des Banketts und redete sich in Rage, denn es ist bereits das zweite Jahr ohne Titel in Folge – keine Option für den FC Bayern. "Auf Dauer habe ich keine Lust auf Platz zwei. Das ist kein Zustand, den ich akzeptiere. Vielleicht hat der FC Bayern nicht genug Spieler, die so etwas erzwingen wollen." Konsequenzen kündigte er aber nicht an, er müsse alles erstmal sacken lassen.

Chelsea-Stürmer Didier Drogba umarmt bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger und Arjen Robben. (Foto: REUTERS/Michael Dalder)
Sieger und Verlierer: Drogba (2.v.l.) meint es gut, doch Robben (l.) und Schweinsteiger (r.) sind untröstlich.Bild: Reuters

Wunden lecken vor der EURO

"Unfassbar" fand es DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, dass die Bayern aus ihrer Überlegenheit kein Kapital schlagen konnten. "Fußball ist leider nicht immer gerecht." Kritisch äußerte sich auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer über die Mauer-Taktik der Engländer: "Wenn das die Zukunft des Fußballs ist, ist das eine Katastrophe." Chelseas Trainer Roberto Di Matteo war das freilich egal: "Wir hatten einfach mehr Glück als der FC Bayern."

Es wurde wieder einmal bewiesen: Am Ende gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft. Das sah sogar die englische Presse ein. So hieß es im Daily Telegraph: "Champions kümmert es nicht, wie sie gewinnen." Es gibt nur einen Trost, der den dreimal geschlagenen Bayern-Spielern bleibt: Sie haben bald noch einmal die Chance, die Könige Europas zu werden – bei der EURO in Polen und der Ukraine. Jetzt heißt es, Wunden zu lecken und sich auf das nächste Ziel zu konzentrieren. Er sei überzeugt, dass alle Spieler auch vom Kopf her so frei sein werden, dass sie ihre Höchstleistung bringen können, sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Tag danach. "Wir werden sie auffangen. Es ist gut, aus seinem direkten Umfeld herauszugehen und in unsere Familie, die Nationalmannschaft zu finden."