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Die letzten Worte Jesu Christi

6. April 2012

Feiertagsansprache von Bischof Franz-Josef Bode, Osnabrück

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(Foto:Felipe Dana/AP/dapd).
Bild: AP

Die letzten Worte eines Sterbenden sind für die Angehörigen immer von besonderer Bedeutung. Sie sind wie ein Vermächtnis. Deshalb sind den ersten Christen die letzten Worte Jesu am Kreuz so kostbar gewesen.

BBischof Dr. Franz-Josef Bode, Osnabrück (Foto: Katholische Hörfunkarbeit)
Bischof Dr. Franz-Josef BodeBild: Katholische Hörfunkarbeit

Nun gehört die Kreuzigung zu den grausamsten Arten der Todesstrafe. Sie ist nicht dazu angetan, in abgeklärter Gelassenheit der Nachwelt hehre Botschaften zu hinterlassen. Bei Jesus sind es mehr Schreie oder mit letzter Kraft gehauchte Worte. Dafür sind sie aber umso glaubwürdiger und herausfordernder.

Vor allem fordern uns diese Worte heraus, mit unseren eigenen Kreuzen leben zu lernen und anderen ihre Kreuze mit tragen zu helfen. Wir brauchen sie für die Gestaltung unserer persönlichen Zukunft, ja sogar für die Zukunft von Kirche und Gesellschaft. Hören wir auf einige dieser Worte Jesu am Kreuz.

Ein Erstes: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Wir können den Teufelskreis der Gewalt in uns und um uns nur aufbrechen durch die Vergebung. Ist es menschlich auch noch so verständlich, dass Unrecht nach gerechter Strafe verlangt: Letztlich entstehen neue Möglichkeiten nach vorn nur durch Vergebung, durch die Bereitschaft, einen ganz neuen Schritt zu tun, durch das Angebot der Versöhnung. „Sie wissen nicht, was sie tun.“ Jesus kennt die Abgründe der Menschen und ihre blinden Flecken. Nur Vergebung führt nach vorn.

Ein zweites Wort: „Frau, siehe deinen Sohn – Sohn, siehe deine Mutter“ (vgl. Joh 19,26 f.). Unter dem Kreuz sind nur wenige geblieben. Die besten Freunde, die Apostel, sind weggelaufen. Der Lieblingsjünger Johannes und die Mutter Jesu halten aus. Im letzten Moment ein Wort, das Gemeinschaft stiftet, eine neue Gemeinschaft, ein Wort neuer Familie, einer Kirche, die aus dem Leid Jesu als Frucht erwächst. Wie oft finden Menschen angesichts des Todeskampfes eines Angehörigen wieder zueinander?! Der gemeinsame Abschied enthält den Keim neuer, gemeinsamer Zukunft.

Ein drittes Wort. Jesus ruft laut: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Hier tritt er in eine neue Dimension seiner tiefen Leiderfahrung ein. Von den Menschen wendet sich sein Blick nun auf Gott – auf Gott, der ihn verlassen hat. Mit unzähligen Menschen schreit Jesus sein „Warum?“ heraus, das so oft ohne Antwort bleibt. Es gibt keine Verlassenheit des Menschen, die Jesus nicht mit durchgemacht hätte. In welchen Hader der Mensch auch gerät, der Gottmensch Jesus lässt ihn nicht allein. Dabei heißt dieses „Warum?“ eigentlich „Wozu?“. Es ruft nicht nach der Ursache, sondern nach dem Sinn. Ja, dieser Schrei ist sogar Gebet, über Jahrhunderte in der Tradition des Gottesvolkes Israel verankert.

Und dann sagt Jesus: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,35). Knapp und gewichtig ist dieses Wort. Es ist zu Ende, es ist vollbracht, das Entscheidende ist geschehen. Gott ist heruntergekommen bis ins tiefste Leid der Menschen und hält den Menschen nun von unten. Wie tief einer auch fällt, er fällt in Gottes Hände. Leiden und Tod haben ein Ziel trotz aller Sinnlosigkeit. Wer zugrunde geht, geht auch zum Grund, auf dem er Halt findet, durch den er zum Leben findet.

Das letzte Wort: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Jesus war bereit zu vergeben. Er hat geschrieen und gehadert, den Leidensbecher bis zur Neige getrunken. Nun gibt er sich in die Hände des Vaters, dem er absolut vertraut. Leid annehmen und den Händen des Größeren überlassen: Das ist die letzte Versöhnung mit sich selbst, mit der Wirklichkeit, mit Gott.

Gewichtige, herausfordernde Worte – vom Kreuz. Sie helfen uns, unsere eigenen Kreuze besser zu tragen und die der anderen besser mit zu tragen. Sie bereiten Ostern mit vor – damals wie heute.

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat die Hörfunkbeauftragte der Katholischen Kirche Dr. Silvia Becker