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Kampf um die Nutzerdaten

Kay-Alexander Scholz7. Februar 2013

Einmal im Jahr wird in Berlin über das wichtigste IT-Thema des Jahres diskutiert. Dieses Jahr stand "Big Data" ganz oben auf der Agenda. Die Meinungen darüber gingen weit auseinander. Ist es ein Fluch oder Segen?

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Detailansicht einer Computer-Festplatte mit Platine und Prozessoren
Big DataBild: picture alliance/JOKER

Unternehmen wie Facebook und Google machen es erfolgreich vor. Ihre Geschäftsmodelle basieren nicht mehr auf Hard- und Software, sondern auf Daten ihrer Nutzer. "Daten werden neben Kapital, Arbeitskraft und Rohstoffen zum vierten Produktionsfaktor", sagte Dieter Kempf, Präsident von Bitkom, dem einflussreichsten Hightech-Verband in Deutschland. Kempf sagte dies auf der Konferenz "Big Data - Goldmine oder Dynamit?", die anlässlich des europaweiten "Safer Internet Day" in dieser Woche in Berlin stattfand. Große Datenmengen seien eigentlich nichts Neues. "Neu aber ist die gleichzeitige Rolle des Verbrauchers als Konsument und Produzent, also als Prosumer", so Kempf. Wer zum Beispiel Facebook nutzt, gibt Informationen über seine Präferenzen preis, die Grundlage des Werbegeschäfts sind.

Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom (Foto: Bitkom)
Dieter Kempf: "Daten werden zum vierten Produktionsfaktor"Bild: Bitkom/Daniela Stanek

Doch das allein erklärt "Big Data" noch nicht gänzlich. Das "Hype-Thema des Jahres", wie Holger Kiesker von der Firma Forrester es nannte, ist eine Folge des technologischen Wandels der letzten zehn Jahre. "Wir leben in Zeiten einer Datenexplosion", so Kiesker. Pro Minute würden weltweit 170 Millionen E-Mails versandt oder 1500 neue Blog-Einträge publiziert. Und es entstehen zum Beispiel durch Mobilkommunikation und Social Media immer mehr Daten. Derzeit gäbe es drei Zettabyte an Daten im Web - das ist eine "3" mit 21 Nullen, so Kiesker.

Das Gold liegt in der Analyse

Herkömmliche Datenverarbeitung stößt derzeit schlicht an ihre Grenzen. "Big Data" beschreibt Technologien, die Datenmengen strukturieren, analysieren und daraus - im Idealfall sogar in Echtzeit - neue Erkenntnisse gewinnen. Diese Erkenntnisse, die unter dem Stichwort "Analytics" laufen, sollen Prognosen über zukünftige Ereignisse möglich machen. "Mein Navigationsgerät im Auto könnte mir anhand der Daten aus den Autos vor mir Warnungen geben, wenn es plötzlich auf der Autobahn glatt werden sollte", erklärt Kempf eine mögliche Anwendung.Wohin das alles führen kann, hat schon der US-Film "Minority Report" aus dem Jahr 2002 gezeigt. Hier war es der Mordkommission möglich, einen Mörder festzunehmen, bevor dieser zur Tat schreiten konnte. Zwar waren es im Film noch Menschen, deren Zukunftsvisionen den Ermittlern halfen. In der realen Zukunft könnte nun "Big Data" diese Rolle übernehmen. Nichts anderes muss man jedenfalls vermuten, wenn man Berichte über manche Forschungsprojekte liest. Ein Gesundheitskonzern zum Beispiel will mit Big-Data-Analytics erfahren, wer von seinen Patienten demnächst ins Krankenhaus muss. Diskutiert werden auch Möglichkeiten, vorhersagen zu können, welcher Twitter-Nutzer möglicherweise ein Psychopath ist.

Szene aus dem Film "Minority Report" mit Tom Cruise (Foto: Mary Evans Picture Library)
Blick in die Zukunft? Szene aus dem Film "Minority Report" mit Tom CruiseBild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Diskussion um Googles Datenbrille

Auf der Konferenz in Berlin wurden Beispiele aus der Pharmaforschung, der Agrarwirtschaft oder der Steuerung von Energienetzen vorgestellt. Der Tenor der Wirtschaftsvertreter war, dass damit der Alltag komfortabler würde. Nach einer Frage aus dem Publikum kam dann die Diskussion auf eine Anwendung, die schon vor ihrer Einführung zu Kontroversen unter Datenschützern führt.Im kommenden Jahr will Google seine spezielle Datenbrille auf den Markt bringen. Damit soll man sozusagen einen Smartphone-Bildschirm vors Auge projiziert bekommen. Während eines Stadtspaziergangs soll das Gesehene aufgezeichnet und mit allen im Netz verfügbaren Daten verkoppelt werden können. Das beträfe dann allerdings nicht nur Daten zu den Kirchen einer Stadt, sondern auch mittels Gesichtserkennung Personendaten. Google könnte somit seine Kunden sozusagen durch die Augen seines Kunden sehen.

Eine Frau trägt Googles geplante Datenbrille: Google Project Glass
Googles geplante Datenbrille: "Google Project Glass"Bild: picture alliance/ZUMA Press

Datenschutz in Deutschland kulturell wichtig

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, stimmte dem Eindruck zu, dass mit einer Google-Brille "wohl eine neue Qualität von 'Big Data' erreicht würde". Genaues kann man natürlich erst sagen, wenn das Produkt auf dem Markt ist. Durch derartige Anwendungen entstehe eine umfassende Datensammlung über eine Person, die als Profil gespeichert werden kann.

Peter Schaar, Bundesbeauftragter Datenschutz und Informationsfreiheit (Foto: AP)
Peter Schaar: "In Deutschland genießt der Datenschutz eine hohe Wertschätzung"Bild: AP

Umso wichtiger sei es, über das Thema "Big Data" aktuell eine öffentliche Debatte anzustoßen. "Ich bin für 'Big Data', weil ich die Chancen sehe, aber wir müssen die Vorteile so verknüpfen, dass sie gesellschaftskompatibel sind", forderte Schaar. "Die Werte einer Gesellschaft müssten berücksichtigt werden und dazu gehöre in Deutschland - stärker als in vielen anderen Staaten - nun einmal eine hohe Wertschätzung des Datenschutzes.

"Grenzen setzen"

Noch weiter ging Gerd Billen, der Vorsitzende der Verbraucherzentralen in Deutschland, in seinen Aussagen. "Es ist Zeit für eine Ethikkomission, es braucht einen öffentlichen Diskurs, da die Technologien hohe Risiken bergen", forderte Billen. "Wir müssen lernen, dass wir es im Internet mit Unternehmen zu tun haben."

Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner, schloss sich den Forderungen insoweit an, dass bei Big-Data-Anwendungen "Grenzen definiert werden müssen". Eine massenhafte Auswertung von Daten dürfe es nur bei effektiver Anonymisierung geben. Außerdem unterstütze sie die vorgesehenen EU-Regelungen, wonach Nutzer ein Recht auf Löschung ihrer Daten erhalten sollen und diese zu einem anderen Anbieter mitgenommen werden können. Verbraucher müssten die Kontrolle über ihre Daten bekommen.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (Foto: dpa)
Die Nutzer sollen ein Recht auf die Löschung ihrer Daten haben - Verbraucherschutzministerin Ilse AignerBild: picture-alliance/dpa