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Jordanien unter Druck

Diana Hodali23. Oktober 2012

Die regionalen Auswirkungen des Syrien-Kriegs sind in Jordanien deutlich zu spüren - besonders die Sicherheitslage hat sich verschärft. Aber die Regierung muss sich auch um die innenpolitischen Probleme kümmern.

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Paralamentarier sitzen im jordanischen Parlament (Foto: Xinhua /Landov)
Bild: picture alliance/landov

370 Kilometer lang ist die Grenze zwischen Syrien und Jordanien. Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges haben sie fast 200.000 syrische Flüchtlinge überquert - auf der Flucht vor Gewalt und auf der Suche nach Sicherheit. Doch es scheint als werde diese Grenze auch immer mehr von Schmugglern zum Transport von Drogen, Waffen und sogar von Kämpfern genutzt.

Am Montagmorgen (21.10.2012) wurde ein jordanischer Soldat an der Grenze getötet, weil er sich mit einer Gruppe Bewaffneter ein Feuergefecht lieferte. Einige Stunden zuvor hatten zudem die jordanischen Behörden nach Angaben der Regierung eine Reihe von Anschlägen mutmaßlicher Al-Kaida-Terroristen vereitelt. Die verdächtigen Jordanier sollen aus dem benachbarten Syrien Waffen ins Land geschafft und Angriffe auf Einkaufszentren und westliche Botschaften geplant haben. Zusätzliche Unterstützung, hieß es, hätten sie von Al-Kaida-Mitgliedern im Irak erhalten. Der Geheimdienst hat die elf Verdächtigen festgenommen.

Machtvakuum in Syrien als Gefahrenpotenzial

Dass die Al-Kaida in Jordanien aktiv ist, ist keine Neuigkeit. Seit Anfang der 90er-Jahre hat sich die Terrororganisation auch Jordanien als Ziel für Anschläge gesucht. Besonders deshalb, weil das Königreich 1994 den Friedensvertrag mit Israel geschlossen hat und ein strategischer Partner der USA ist. Allerdings gelten Al-Kaida und auch die Salafisten in Jordanien als schwach. "Der jordanische Geheimdienst ist einer der Effektivsten im Nahen Osten und stolz darauf, die islamistischen Gruppierungen im Land unter Kontrolle zu haben", sagt Ralf Erbel, Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Amman. Sogar ihre Finanzierung kontrolliere der jordanische Geheimdienst.

Aber die jordanische Regierung kann sich auf diesem Erfolg nicht ausruhen: Denn im kriegsgebeutelten Nachbarland Syrien ist ein Machtvakuum entstanden, das Al-Kaida versucht zu nutzen, um immer mehr Leute anzuwerben und auch zu trainieren. "Dort wo Staaten zusammenbrechen, entsteht für extremistische Gruppierungen wie Al-Kaida immer die Möglichkeit, sich zu etablieren - so auch in Syrien", sagt Ralf Erbel.

Die syrisch-jordanische Grenze (Foto: D. Buhlau)
Die Grenze zwischen Jordanien und Syrien ist porösBild: Doris Bulau

Die Jordanier hätten große Angst davor, so Erbel weiter, dass aus Syrien weitere Waffen und trainierte Kämpfer nach Jordanien kommen. In der Vergangenheit hatten Syrien und Jordanien die Grenze gemeinsam kontrolliert, aber mit dem zunehmenden Kontrollverlust der syrischen Regierung, ist das nicht mehr möglich. Die Grenze ist durchlässig geworden. Und genau das könnte zur Destabilisierung Jordaniens beitragen.

Die innenpolitischen Probleme Jordaniens

Die Gefahr, die von Gruppen wie Al-Kaida ausgeht, prägt dennoch nicht den politischen Alltag und die Probleme des Königreiches. Jordanien steht nämlich nicht nur von Außen unter Druck, sondern auch innenpolitisch. Und so ist einigen Beobachtern bereits der Verdacht gekommen, dass die offizielle Version der Ereignisse über die vereitelten Anschlagspläne zwar grundsätzlich plausibel sei, aber der Zeitpunkt der Regierung auffallend gut gelegen komme.

In Zeiten, in denen die Jordanier regelmäßig auf die Straße gehen und gegen soziale Ungerechtigkeit protestieren, in denen die Arbeitslosigkeit inoffiziell bei 30 Prozent liegt, das Frustpotenzial besonders unter den jungen Menschen sehr hoch ist und dann auch noch Sicherheitsprobleme herrschen, kann die jordanische Regierung eine Erfolgsmeldung brauchen. Mal abgesehen von den infrastrukturellen Problemen, die mit der Aufnahme der syrischen Flüchtlinge einhergehen. Denn immerhin leidet Jordanien unter massiver Wasserknappheit. Die Kritik an der Monarchie werde somit immer lauter, sagt Jordanien-Experte André Bank vom Giga-Institut für Nahost-Studien in Hamburg.

Ein Junge hinter dem Zaun im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien (Foto: Reuters)
200.000 Flüchtlinge aus Syrien sind in JordanienBild: Reuters

Neues jordanisches Wahlgesetz - reine Kosmetik

Und so sieht Bank das größte Destabilisierungspotenzial Jordaniens auch eher auf der formalen politischen Ebene und dem damit verbundenen Wahlprozess, an dem ein Großteil der Opposition nicht teilnehmen möchte, weil sie sich benachteiligt fühlt. Zwar wurde im Juli ein neues Wahlgesetz verabschiedet, doch die Änderungen sind rein kosmetischer Natur. An der Zusammensetzung des Parlaments wird sich wenig ändern. Die Mehrheit der insgesamt 150 Sitze bleibt für Einzelkandidaten reserviert, die meist ihren Stämmen verpflichtet sind und dem Königshaus nahe stehen.

Das verärgert vor allem die jordanischen Muslimbrüder. Ihre Partei, die "Islamische Aktionsfront" (IAF), gilt als am besten organisierte Kraft in Jordanien. Sie kündigten bereits an, die Wahl im Januar 2013 zu boykottieren. "Wenn man die gesamte Region betrachtet, dann partizipieren die Muslimbrüder-ähnlichen Parteien an der Politik. In Jordanien ist aber ein gegenteiliger Trend festzustellen, nämlich eine zunehmende Entfremdung zwischen der Monarchie und den Muslimbrüdern", sagt André Bank. Dabei hätte das veränderte Wahlgesetz eigentlich zum Ziel gehabt, die Muslimbrüder stärker zu binden und einzubeziehen.

Garant für Stabilität ?

Ungeachtet der politischen Krisen in den Nachbarstaaten gilt das Land für den Westen als "Insel der Stabilität" - ein Ort der Stabilität, der in der sich wandelnden Region bewahrt werden muss. "Ich würde daher nicht ausschließen", sagt André Bank, "dass die jordanische Regierung ein Interesse daran hat, gegenüber westlichen Akteuren und den Akteuren am Golf zu suggerieren, dass Jordanien möglicherweise destabilisiert wird und man jetzt dringend mehr Geld und mehr Waffen braucht." Und dass so bei nicht erfolgten Reformen in Jordanien noch mal ein Auge zugedrückt werde. "Das wäre nämlich genau das, wo ich sage, das hätte auch Stabilisierungspotential."