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"Es geht um Konfliktmanagement"

Diana Hodali12. Dezember 2014

Palästinenserpräsident Abbas gibt Israel die Schuld am Tod von Minister Ziad Abu Ein. Friedensforscherin Margret Johannsen glaubt aber nicht, dass Abbas das Sicherheitsabkommen mit Israel aufkündigen wird.

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Präsident Mahmoud Abbas zeigt ein Bild von Ziad Abu Ein (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/M. Torokman

Tausende Palästinenser haben an der Beerdigung von Ziad Abu Ein teilgenommen. Abu Ein, Leiter der palästinensischen Beobachtungsstelle für die israelische Sperranlage und die Siedlungspolitik, sowie davor Vizeminister für Gefangenenangelegenheiten, war zusammengebrochen, nachdem die Armee nördlich von Ramallah gewaltsam einen friedlichen Protestmarsch aufgelöst hatte. Fotos und Videoaufnahmen zeigen, dass der 55-Jährige zuvor von israelischen Soldaten geschubst und am Hals gewürgt worden war. Außerdem setzten die Sicherheitskräfte massiv Tränengas ein. Abu Ein verstarb kurze Zeit später. Der Vorfall hat die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern weiter verschärft.

Die Palästinenserführung hat daher bei einer Dringlichkeitssitzung über ein Ende der Sicherheitskooperation mit Israel beraten. Die Sicherheitskooperation, bei der sich regelmäßig israelische und palästinensische Sicherheitskräfte absprechen und Informationen austauschen, existiert seit den Oslo-Abkommen von 1993. Sie erlaubt der israelischen Armee unter anderem Razzien und Festnahmen im Westjordanland.

Margret Johannsen ist Nahost-Expertin und Friedensforscherin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).

DW: Frau Johannsen, ist das nur Rhetorik von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas oder besteht tatsächlich Ihrer Meinung nach die Möglichkeit, dass die Palästinenser das Sicherheitsabkommen mit Israel aufkündigen?

Margret Johannsen: Ich glaube nicht, dass diese Aufkündigung erfolgen wird. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) ist zu abhängig von externen Finanzzuflüssen.

Und diese sind an das Sicherheitsabkommen gebunden?

Die sind faktisch daran gebunden. Die Sicherheitskooperation stammt aus dem Oslo-Prozess. Sie hat eine lange Geschichte und hat vor allem das Ziel, der Fundamental-Opposition, insbesondere der Hamas gegen diesen Friedensprozess Paroli zu bieten. An dieser engen Zusammenarbeit hat Israel ein hohes Interesse. Die Siedler sollen geschützt werden, Gewalttäter sollen verfolgt werden. Es gibt also ein Interesse Israels an dieser Sicherheitskooperation, und wenn die PA das aufkündigt, dann wäre eine mögliche Konsequenz, dass Gelder aus den USA und die Unterstützung der palästinensischen Sache aufgekündigt werden.

Es ist auch gar nicht sicher, wie die EU reagieren würde. Das ist von großer Bedeutung, denn im Westjordanland, dort wo die Autonomiebehörde das Sagen hat, gibt es keine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung. Man ist also tatsächlich von diesen externen Geldern abhängig. Damit ist auch das Überleben der Autonomiebehörde und das von Mahmud Abbas verbunden. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass man das Sicherheitsabkommen aufkündigt.

Margret Johannsen von der Universität Hamburg (Foto: privat)
Margret Johannsen vom IFSH in HamburgBild: IFSH

Aber die palästinensische Bevölkerung ist in großen Teilen gegen das Abkommen, weil die PA am Erhalt der Besatzung durch Israel mitarbeitet, so lautet der Vorwurf.

Sowohl die Hamas als auch oppositionelle Gruppen, aber auch Teile der Bevölkerung betrachten diese Zusammenarbeit als Kollaboration mit dem Feind, mit den Besatzungstruppen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Polizei im Westjordanland von den USA ausgebildet und trainiert wurde. Insofern wäre eine Fortführung der Sicherheitskooperation ein Eingeständnis von Abbas, dass er nicht Herr im eigenen Haus ist. Aber auf der anderen Seite kann er es sich eben nicht leisten, dieses Abkommen aufzugeben. So ist das eben, wenn man nicht Herr seiner eigenen Beschlüsse und seines eigenen Territoriums ist. Ich halte diese Ankündigung zunächst einmal für eine Reaktion auf den Tod des Ministers, um das Volk zu beruhigen.

Die Stimmung im Land ist besonders seit dem Gaza-Krieg im Sommer sehr schlecht. Immer wieder eskalierte in den vergangenen Monaten die Lage, es kam zu vielen gewalttätigen Übergriffen. Es hat in der jüngsten Vergangenheit noch nicht einmal mehr pro forma Friedensgespräche gegeben. Wie kann man aus dieser verzwickten Situation wieder an den Verhandlungstisch kommen?

Es wird sicher keine Friedensgespräche geben, bis in Israel gewählt worden ist. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass man die Gemüter zunächst beruhigen kann, indem man eine neutrale Untersuchungskommission einsetzt - von den Vereinten Nationen zum Beispiel. Dadurch ginge Zeit ins Land und die anfängliche Aufregung würde sich legen.

Aber es scheint nicht um eine wirklich nachhaltige Lösung zu gehen. Abbas hat schon häufiger mit dem Abbruch von Verhandlungen gedroht, zum Beispiel, wenn die Siedlungsaktivitäten fortgesetzt würden. Sie wurden fortgesetzt, die Gespräche hat er nicht abgebrochen. Er hat dann andere Wege eingeschlagen, wie die Stärkung der palästinensischen Staatlichkeit. Das steht hoch auf seiner Agenda. Und damit kann er auch bei der Bevölkerung punkten, wie Meinungsumfragen zeigen. Aber insgesamt gibt es keinen großen Handlungsspielraum für einen Präsidenten, der ein Präsident von fremden Gnaden ist. Denn eine demokratische Legitimation hat er schon lange nicht mehr. Es haben immer noch keine Wahlen stattgefunden und er regiert per Dekret.