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Jerry Cotton: Mit 60 auf Verbrecherjagd

Klaus Deuse29. April 2014

Seit 60 Jahren gibt es sie an deutschen Kiosken: Jerry-Cotton-Romane sind mit über einer Milliarde verkaufter Hefte eine der erfolgreichsten Krimiserien der Welt. Der FBI-Agent "Made in Germany" gibt niemals auf.

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Film Still Jerry Cotton Der Mörderclub von Brooklyn
Bild: picture-alliance/dpa

Obwohl er mit 60 in die Jahre gekommen ist, denkt sein Verlag längst nicht daran, ihn in Rente zu schicken. Der FBI-Agent Jerry Cotton gehört noch immer zu den Zugpferden bei den Krimiheften aus dem Verlag Bastei-Lübbe. Bis heute wurden über eine Milliarde Exemplare der Romanhefte im deutschsprachigen Raum verkauft - im besten Sinne Unterhaltungsliteratur. Damit avancierte Jerry Cotton auch zur weltweit erfolgreichsten Krimi-Reihe. Das hätte sich Delfried Kaufmann, der "geistige Vater" dieser Figur, wohl kaum vorstellen können: 1954 kam mit dem Band Nr. 68 "Ich jagte den Gangster-Chef" der erste Cotton-Roman an die Kioske.

"Gestatten: Jeremias Baumwolle"

Delfried Kaufmann wollte - dem Vernehmen nach - mit "Jeremias Baumwolle" eigentlich eine Persiflage auf US-Krimis liefern. Die deutsche Leserschaft fand allerdings schnell Gefallen an diesem smarten FBI-Agenten, der seine Fälle immer in der Ich-Form erzählt. So wie in dem aktuellen Band 2965 mit dem Titel "Manhattan-Voodoo": "Phil und ich entdeckten die beiden Leichen, die in einem Abbruchhaus gefunden worden waren. Ein Mann und eine Frau, die augenscheinlich aus Tahiti stammten. Alles deutete auf einen Rache- oder Fememord hin. Den beiden waren die Zungen herausgeschnitten worden." Die detektivische Suche führt Jerry Cotton und seinen nach wie vor treuen Kompagnon Phil Decker zu einer Voodoo-Priesterin. Nach etwas mehr als 60 Seiten haben sie den Fall geklärt und die Mörder zur Strecke gebracht.

Cover Jerry Cotton Manhattan Vodoo 2965
Jerry Cotton Nr. 2965: Manhattan-Voodoo

Vorhersehbar und trotzdem spannend

"Cotton-Erfinder" Kaufmann blieb selbst für den in Offenbach residierenden "Jerry-Cotton-Fanclub" für lange Jahre ein Unbekannter. Erst 1998 gelang es einem Journalisten der "Welt", sein Incognito zu lüften. Thomas Schierack, der Vorstandsvorsitzende der Bastei-Lübbe AG, führt den anhaltenden Erfolg auf eine vorhersehbare, aber dennoch spannende Unterhaltung zurück. Bei Cotton-Heften handelt es sich um eine Lektüre, "die man in ein oder zwei Stunden lesen kann. Das ist etwas, was wahrscheinlich bei dem Leser ganz gut ankommt." Und die Leser scheinen davon nicht genug zu bekommen. Neben alten Romanen, die in einer Classic-Reihe wieder aufgelegt werden, erscheinen wöchentlich zwei neue Serien. Bis zu acht Autoren schreiben gleichzeitig weiter an dieser Erfolgsgeschichte.

Für die einen ist Cotton Kult, für die Literatursoziologie dagegen handelt es sich um lupenreine Trivialliteratur. Sätze wie "Du hast meinen Bruder Frank in den Tod gehetzt, Jerry Cotton. An seinem Grab schwor ich, ihn zu rächen. Ich schicke dich zur Hölle" können zwar keinen hohen literarischen Anspruch erheben, bedienen aber die Erwartung einer eingeschworenen Lesergemeinde. Engelbert Wichmann, ein Leser der ersten Stunde, erinnert sich noch gut, dass seine Mutter ihm diese "Schundhefte" am liebsten aus den Händen gerissen hätte. "Entweder las man damals die Abenteuer von Jerry Cotton heimlich unter der Schulbank oder abends mit der Taschenlampe."

Cover Jerry Cotton Game Over 2161
Jerry Cotton Nr. 2161 "Game Over"

Dem Zeitgeist angepasst

Die Zeiten haben sich längst geändert. Heute kauft sich der pensionierte Lehrer die Hefte ohne Scham am Kiosk. Bei der Suche nach einer Typisierung des Titelhelden stößt man auch heute noch auf "hart aber herzlich" und von durchschnittlicher Intelligenz. Eine Mischung, die den Leser nicht auf Distanz drängt. Und natürlich gehört zu Jerry Cotton der rote Jaguar. Ein Gefährt, das fast jedes Männerherz höher schlagen lässt. Oder anders formuliert könnte man Jerry Cotton auch als eine Art literarischen Fast-Food-Verschnitt von James Bond bezeichnen. Auch der 007-Agent scheint unsterblich.

Mit dem amerikanischen Schauspieler George Nader in der Titelrolle gelang Jerry Cotton Ende der 60er Jahre sogar der Sprung auf die große Kinoleinwand. Im Unterschied zu den Heften allerdings ohne größeren Erfolg. Hörspiele auf CD dagegen sind dagegen noch heute als kurzweilige Unterhaltung gefragt. Natürlich hat Jerry Cotton in seinen langen Ermittlungs-Jahren die Zeichen der Zeit nicht verschlafen. Mittlerweile, sagt Verlagsmanager Schierack mit einem Schmunzeln, trinkt und raucht der smarte Agent längst nicht mehr so viel wie früher. "Also auch da hat er sich der Zeit angepasst."

Im Visier: Heft Nummer 3000

Und so kämpft Jerry Cotton unerschrocken weiter gegen das organisierte Verbrechen. Am Ende des Jahres steuert er auf Heft Nummer 3.000 zu. Doch auch das dürfte absehbar nicht das letzte sein. Folgt man den Worten von Thomas Schierack, dann gelten für den G-Man im Dienste des FBI nämlich nicht die deutschen Regelungen für den Eintritt ins Rentenalter.

"Wir haben lange mit ihm gesprochen und vereinbart, dass weder mit 63 noch mit 67 Schluss ist. Er ist körperlich fit, geistig gesund. Die läuft so erfolgreich die Serie, dass wir hoffen, dass er die nächsten 15, 20 Jahre weiterhin an Bord ist."