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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Anja Fähnle3. März 2015

Witze, Kommentare, Berührungen - in Deutschland ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz weit verbreitet. Doch nur Wenige kennen ihre Rechte.

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Ein Männlicher Kollege steht hinter einer vor dem Computer sitzenden Kollegin, zeigt mit der einen Hand auf den Bildschirm und berührt mit der anderen Hand ihre Schulter, Foto von Dan Race/fotalia
Bild: Dan Race - Fotolia.com

Was heißt sexuelle Belästigung? Schon den Begriff verstehen Frauen oft anders als Männer. Und Frauen "erkennen" sexuelle Belästigungen eher als Männer. Sie sehen "aufreizende oder pornographische Bilder", "anzügliche Bemerkungen" und "unerwünschte Berührungen" am Arbeitsplatz eher als sexuell belästigend an als Männer. Das offenbart das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrums Duisburg (SUZ) im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Viele Verhaltensweisen, die vom Gesetzgeber klar als sexuelle Belästigung definiert sind, werden aber gar nicht als solche erkannt und zwar weder von Frauen noch von Männern. Eigenen Maßstäben zufolge werteten nur sieben Prozent der Männer und 17 Prozent der befragten Frauen Vorfälle am Arbeitsplatz als sexuelle Belästigung.

Frauen werden eher physisch, Männer eher verbal belästigt

Infografik Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Erfahrungsebene, Quelle: Anti-diskriminierungsstelle des Bundes

Knapp jede fünfte Frau (19 Prozent, Männer 12 Prozent) ist schon einmal gegen ihren Willen von Kollegen berührt worden. "Wir hatten zuletzt einen Beitrag von einer Frau, die in der Gastronomie arbeitet, dort von einem Gast angegangen wurde und die sich dann bei ihrer Chefin beschwert hat", erzählt die Netzfeministin und Bloggerin Anne Wizorek im DW-Interview. Die Vorgesetzte habe in dem Vorfall allerdings keinerlei Problem gesehen und der betroffenen Frau gekündigt, berichtet Wizorek. Diese und ähnliche Geschichten bekommt die Initiatorin von #Aufschrei und des Blogs kleinerdrei.org oft zu hören.

"Das reicht von: die Frau ist die einzige Frau im Meeting und wird dazu verdonnert, Kaffee zu kochen, anstatt sich inhaltlich zu beteiligen bis hin, dass sie im Kundenmeeting zu den Kunden nett sein soll, um einen Auftrag zu bekommen", berichtet die Bloggerin. Ihre Aufgabe sei es dann, den betroffenen Frauen zu helfen, diese Geschichten zum Beispiel auf dem Blog kleinerdrei.org sichtbar zu machen. Und "weil Sexismus ein strukturelles Problem ist, müssen wir uns als Gesellschaft darum kümmern", sagt Anne Wizorek.

"Viele Menschen leiden unter dieser Form der Diskriminierung"

Infografik Umfrage: Verursacher/in sexueller Belästigung, Quelle: Antidiskriminierungs-stelle des Bundes

Laut Umfrage finden sexuelle Belästigungen überwiegend im Büro oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen statt. Doch über ihre eigenen Rechte sind die Beschäftigten der Umfrage nach nur wenig informiert. Den meisten Befragten war nicht bekannt, dass ihr Arbeitgeber sie aktiv vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen muss. 70 Prozent gaben an, in ihrem Betrieb keinen Ansprechpartner zu kennen. "Was nützt einem der Notausgang, wenn man nicht weiß, wo er ist?", sagte dazu die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, bei der Vorstellung der Studie zum Auftakt des Themenjahres "Gleiches Recht. Jedes Geschlecht." Sexuelle Belästigungen könnten traumatische Folgen für die Betroffenen haben, so Lüders, und dagegen müssten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden schützen.

Damit diese Wissenslücken gestopft und sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz weniger werden, hat die Antidiskriminierungsbehörde eine Expertenkommission unter der Leitung des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit ins Leben gerufen. Bis Ende des Jahres sollen nun Empfehlungen an die Politik gegeben werden. "Viele Menschen leiden unter diesen konkreten Formen der Diskriminierung", so Wowereit. Die Netzfeministin geht noch einen Schritt weiter. Sie fordert: "Wir sollten eine Gesellschaft schaffen, in der Frauen sich nicht wehren müssen und in der sexuelle Belästigung nicht als normal empfunden wird."