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Gericht lässt Neustart von Reaktoren zu

Julian Ryall, Tokio / mgr22. April 2015

Zwölf Atomgegner wollten das Wiederanfahren zweier Atomreaktoren unbedingt verhindern. Doch das japanische Gericht entschied anders. Wie es jetzt weitergeht mit ihrem Kampf, berichtet Julian Ryall aus Tokio.

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Luftaufnahme der Atomanlage Sendai in Japan (Foto: AP Photo/Kyodo News)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Sie sei "bitter enttäuscht", sagte Aileen Mioko-Smith, als sie das Gerichtsgebäude von Kagoshima am Mittwochmorgen (22.04.2015) verließ. Dann verkündete sie ihren Mitstreitern das Urteil: Ihr Antrag auf einstweilige Verfügung, um das Wiederanfahren von zwei Reaktoren des Kernkraftwerks Sendai der Kyushu Electric Power Co. zu stoppen, wurde abgelehnt. Aufgeben will die altgediente Anti-Atom-Kämpferin deshalb jedoch noch lange nicht.

"Es ist bedauerlich und ein wenig überraschend - vor allem angesichts der Gerichtsentscheidung vom 14. April", sagte Mioko-Smith der DW. Dabei war Kansai Electric Power Co. verboten worden, zwei Reaktoren des Kernkraftwerks Takahama wieder hochzufahren. "Wir hatten gehofft, dass sich das heutige Urteil an dieser früheren Entscheidung orientiert", erklärte die Aktivistin der Kyotoer Nichtregierungsorganisation "Green Action Japan". "Wir glauben, dass das Gericht einen Fehler gemacht hat."

Anti-Atom-Proteste in Japan (Foto: AP Photo/Eugene Hoshiko)
In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Japaner immer wieder gegen eine Rückkehr zur Atomkraft ausBild: picture-alliance/AP Photo/E. Hoshiko

Gefahr für die Sicherheit?

Zwölf Anwohner des AKW Sendai hatten eine einstweilige Verfügung beantragt: Die Anlage sei nicht angemessen gesichert, um im Falle eines größeren Erdbebens oder eines Vulkanausbruches zu bestehen. Auch die Effektivität existierender Evakuationspläne für lokale Bürger sei ein Grund zur Sorge gewesen, fügte Mioko-Smith hinzu.

Der Vorsitzende Richter, Ikumasa Maeda, entschied jedoch, dass die neuen Sicherheitsstandards für das AKW ausreichten und nach Beratungen mit entsprechenden Experten zusammengestellt worden seien. Der Betreiber hätte das größtmögliche Erdbeben in der Region genau vorhergesagt und in die Berechnungen einbezogen. Deshalb sei der Neustart der Reaktoren rechtmäßig.

Dem widerspricht Mioko-Smith: Kyushu Electronic habe vielmehr Durchschnittswerte von Erdbeben in seine Bewertung einbezogen. Lektionen aus dem Unglück von Fukushima im März 2011 habe man nicht gelernt: "Es gibt kein ausreichendes Verständnis dafür, wie Erdbeben funktionieren und die Wissenschaft ist sicher nicht weit genug, um mit Sicherheit vorherzusagen, welche Auswirkungen künftige Erdbeben in einer Region haben werden."

Obwohl wissenschaftliche Experten im Auftrag der Anwohner all diese Punkte aufgezeigt hätten, hätte das Gericht laut Mioko-Smith "sich entschieden, dies zu ignorieren".

Menschen stehen vor Tanks mit kontaminiertem Wasser im AKW Fukushima (Foto: REUTERS/Kyodo/Files)
Wegen der hohen Strahlenbelastung ist es bis heute gefährlich, sich nahe des AKW Fukushima aufzuhaltenBild: Reuters

Ein Sieg für die Regierung

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils begrüßte die japanische Regierung die Entscheidung. Ministerpräsident Abe buhlt seit Monaten um öffentliche und rechtliche Unterstützung für seine Politik#, derzufolge die nach der Atomkatastrophe von Fukushima abgeschalteten Meiler wieder in Betrieb genommen werden sollen, sobald sie von den Aufsichtsbehörden für sicher befunden wurden.

Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga sagte auf einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag, dass die Regierung alles dafür tun werde, dass das AKW Sendai noch im Juni wieder in Betrieb geht.

Derzeit sind alle 48 Reaktoren im Land aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Zu groß ist die Sorge in der Bevölkerung. Energie-Experten zufolge hat Japan jedoch angesichts steigender Heizkostenrechnungen für Haushalte und Industrie sowie hoher Kohlendioxid-Emissionen kaum eine andere Wahl als die Reaktoren wieder hochzufahren.

Mangel an Alternativen

"Die Politik der japanischen Regierung ist seit einiger Zeit ziemlich eindeutig", sagt Dr. Kaoru Yamaguchi, Wirtschaftswissenschaftler beim Tokioter Institute of Energy Economics. "Sie glauben, dass es im Interesse Japans ist, Atomenergie wieder einzuführen und zu nutzen bis es eine brauchbare Alternative gibt." Aktuell würde es für die nächsten 20 oder 30 Jahre als Zwischenlösung gesehen bis etwa erneuerbare Energien ausreichend nutzbar seien. "Mir scheint das ein vernünftiger Ansatz", so Yamaguchi im Gespräch mit der DW.

Schließlich zahlten die Betreiber der AKW auch große Summen an die lokalen Behörden und würden Arbeitsplätze anbieten. "Auch wenn es also Leute gibt, die sich gegen den Neustart der Reaktoren stellen, gibt es andere Gemeinden, die die Wiedereinführung unbedingt wollen", meint Yamaguchi.

Miyoko-Smith und die anderen Anwohner des AKW Sendai gehen derweil die nächsten rechtlichen Schritte an, um die Pläne der Regierung zu vereiteln. "Ich habe mit unseren Anwälten gesprochen und wir bereiten jetzt ähnliche einstweilige Verfügungen in benachbarten Präfekturen vor", kündigte die Aktivistin an. Denn Simulationen hätten gezeigt, dass ein Unfall im AKW Sendai auch die zehntausenden Bewohner in den umgebenden Regionen beeinträchtigen würde. "Dieser Streit ist nicht noch nicht vorbei, noch lange nicht."