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IWF-Chefin: Eurokrise noch nicht vorbei

Hilke Fischer13. Mai 2014

IWF-Chefin Lagarde mahnt eine lockere Geldpolitik und mehr Reformen an. Zudem berge die Ukraine-Krise unkalkulierbare Risiken für die Eurozone. In der EU stoßen die Ratschläge Lagardes nicht überall auf Gegenliebe.

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Griechische Flagge auf einer Fähre bei Piraeus (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Bild: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images

Die positiven Nachrichten aus der Eurozone mehren sich: Portugal verlässt den Rettungsschirm, Griechenland wagt sich wieder mit einer Anleihe an den Kapitalmarkt, in Spanien wächst die Wirtschaft so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Trotzdem - die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, warnt im Interview mit dem Handelsblatt: "Das heißt noch nicht, dass die Krise vorbei und unsere Mission erfüllt ist." Noch immer stocke der Kreditfluss im Bankensektor, Unternehmen in den Krisenländern haben es deutlich schwerer, Kredite zu bekommen, als Betriebe in wirtschaftlich stärkeren Eurostaaten.

Zudem bringen die dauerhaft niedrigen Inflationsraten zusätzliche Risiken mit sich. "Die Geldpolitik in Europa sollte deshalb weiterhin Wachstumsimpulse geben", so Lagarde. Soll heißen: Die Europäische Zentralbank müsse die Zinsen weiter senken oder durch Ankäufe von Wertpapieren zusätzliches Geld in den Markt pumpen. Der Rat der EZB hatte sich am vergangenen Donnerstag (08.05.2014) trotz anhaltend niedriger Inflation dagegen entschieden, den Leitzins für die Euro-Zone zu senken, allerdings in Aussicht gestellt, ab Juni tätig zu werden.

Für einen nachhaltigen Aufwärtstrend in der Eurozone müsse zudem die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Staaten verbessert werden, so Lagarde. Dazu könnten Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten beitragen: "Wir müssen es schaffen, aus geteilten Arbeitsmärkten in einigen Ländern, die gerade junge Leute aussperren, wieder einen einheitlichen Markt zu machen." Rentenreformen sollten weiter vorangetrieben werden, auf den Produkt- und Dienstleistungsmärkten müssten Barrieren und Restriktionen abgebaut werden.

Christine Lagarde (Foto: REUTERS/Brendan McDermid )
Mahnt zu mehr Reformen: Christine LagardeBild: Reuters

Das Problem einer nach wie vor sehr hohen Arbeitslosigkeit in der Eurozone sieht auch Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI): "Die Entwicklung hat noch immer große Risiken, weil die Arbeitslosigkeit erst sehr langsam zurückgeht - das könnte dazu führen, dass die Reformprozesse abbrechen." Die Wettbewerbsfähigkeit müsse verbessert werden, da stimmt Bräuninger der IWF-Chefin zu: "Das ist der richtige Weg und da sind auch schon die richtigen Prozesse angestoßen worden." So stiegen Löhne vielerorts nur sehr langsam. Dass die Inflationsrate in der Eurozone nach wie vor sehr gering ist, sieht er im Gegensatz zu Lagarde aber nicht als weiteres Problem, sondern als Resultat dieser Prozesse.

Unkalkulierbare Gefahren durch Ukraine-Krise

Neue Unsicherheiten in Bezug auf die wirtschaftliche Erholung Europas ergeben sich Lagarde zufolge durch die Ukraine-Krise. Die Krise sei eine Gefahr, "die man nur sehr schwer messen oder deren Ansteckungsgefahr für andere Länder man kaum vorhersagen kann", so die IWF-Chefin. Betroffen seien der internationale Handel, die ausländischen Direktinvestitionen und möglicherweise auch die Energieversorgung Europas.

Trotz aller geopolitischen Risiken hat der IWF der Ukraine Kredithilfen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar zugesichert. "Damit sollen lange bestehende Probleme in der Ukraine überwunden werden." Das Land brauche jedoch weit mehr als 17 Milliarden, sagte Lagarde mit Blick auf andere potenzielle Geber: "Die internationale Gemeinschaft hat da gar keine Wahl. Wir können nicht einfach sagen, die Lage ist zu brenzlig, deshalb geben wir im Moment kein Geld."

Folker Hellmeyer, der Chefanalyst der Bremer Landesbank, ist da kritischer. "Ich bin über diese Aufforderung nicht erstaunt", so Hellmeyer. Fakt sei aber, dass Deutschland und die Europäische Union für die Ukraine gar kein Mandat hätten, da die Ukraine weder Nato- noch EU-Land sei. Zudem sei die Situation in der Ukraine viel prekärer als in Griechenland während der Schuldenkrise. "Die Lösung dieses Problems wird extrem teuer, wenn wir uns dessen annehmen", so Hellmeyer. "Und dafür kann ich keine legale Begründung für Deutschland und für Europa erkennen."

Gefechte bei Kramatorsk (Foto: Scott Olson/Getty Images)
Lagarde: Die Ukraine-Krise hat Auswirkungen auf den internationalen HandelBild: Getty Images

Kritik an Einmischung des IWF

Der IWF als selbsternannter Hüter der Weltwirtschaft stößt mit seinen Ratschlägen und Forderungen häufig auf Kritik. Christine Lagarde hatte die Europäische Zentralbank in den vergangenen Monaten schon mehrfach zu einer aktiveren Geldpolitik aufgefordert. EZB-Chef Mario Draghi zeigte sich davon nach der Ratssitzung am Donnerstag (08.05.2014) genervt: "Wir sind laut Vertrag unabhängig, deshalb sollten die Leute vorsichtig sein." Wenn die Ratschläge als Bedrohung der EZB-Unabhängigkeit aufgefasst würden, sei die Glaubwürdigkeit der Zentralbank langfristig beschädigt, so Draghi.

Auch innerhalb der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission, die die Verhandlungen mit den wirtschaftlich in Schieflage geratenen Eurostaaten führt, stellt sich der IWF immer wieder quer: So forderte er einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland und kritisierte das harte Sparprogramm, das dem Land - nicht zuletzt auf Druck der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel - verordnet wurde.

Mario Draghi (Foto: DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images)
Genervt: EZB-Chef Mario DraghiBild: Getty Images

Dass der Zwist zwischen IWF und der Eurozone die Finanzmärkte verunsichert und letztlich die wirtschaftliche Erholung in Europa bremst, glaubt HWWI-Forscher Bräuninger allerdings nicht: "Die Märkte wissen ja, dass es unterschiedliche Positionen zu verschiedenen Dingen gibt. Man kann nicht so tun, als ob es diese unterschiedlichen Positionen nicht gäbe. Aus meiner Sicht ist es besser, das offen zu diskutieren - so kann man Transparenz reinbringen."