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Ist ein "Grexit" beherrschbar?

Zhang Danhong24. August 2012

Auch wenn Kanzlerin Merkel will, dass Griechenland Teil der Euro-Zone bleibt - es mehren sich die Stimmen derer, die genau das Gegenteil fordern. Doch was wären die Folgen?

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Brennende Streichhölzer in den Farben europäischer Landesflaggen (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Stauke

Es gibt gute Argumente für und gegen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Fakt ist, dass das Land die mit den Geldgebern vereinbarten Konsolidierungsziele nicht annähernd erreicht hat. Wenn die Eurokrise auch eine Vertrauenskrise ist, dann könnte ein Stück Vertrauen zurück gewonnen werden, wenn die Geberländer die Konsequenz ziehen und Griechenland den Geldhahn zudrehen würden. Andererseits kann Athen die Sparvorgaben nicht einhalten, weil die Wirtschaft auch durch die rigide Sparpolitik viel stärker in die Rezession geraten ist als von allen erwartet. Und soll man der neuen Regierung nicht eine Chance geben, ihren Reformwillen unter Beweis zu stellen?

Bei den Überlegungen, Griechenland noch einmal entgegenzukommen oder zum Austritt zu zwingen, dürfte die alles dominierende Frage sein, ob ein Grexit beherrschbar ist. Fragt man die Experten nach ihrer Meinung, ist man danach verwirrter als vorher. Erstens sind sie ganz unterschiedlicher Meinung, zweitens kann keiner es genau vorhersehen, weil so etwas noch nie vorgekommen ist.

Da hofft der Crash-Prophet Max Otte "inbrünstig", dass man bald zu einem Grexit komme. Dem Deutschlandfunk sagte er: "Dann wird die europäische Politelite merken, dass es so schlimm gar nicht ist. Im Gegenteil, wahrscheinlich haben sich die Märkte sofort wieder beruhigt." Und da warnt der Chef-Wirtschaftsweise Wolfgang Franz vor einem möglichen Auseinanderbrechen der Währungsunion nach einem Austritt Griechenlands. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er: "Es ist abzusehen, dass an den Finanzmärkten sofort spekuliert würde, wer denn der nächste Kandidat für einen Austritt sein wird."

Der Wirtschaftsexperte Max Otte (Foto: DW)
Hofft auf einen "Grexit": Der Wirtschaftsexperte Max OtteBild: DW

Mögliche Kosten für Deutschland

Fangen wir mit den kalkulierbaren Kosten an: Das Münchner ifo-Institut rechnet mit einem Verlust für Deutschland von bis zu 82 Milliarden Euro, falls Griechenland zahlungsunfähig wird und aus dem Eurosystem ausscheidet. Das setzt sich zusammen aus den deutschen Anteilen an den zwei Hilfspaketen, EZB-Käufen griechischer Staatsanleihen und den Verbindlichkeiten der griechischen Notenbank gegenüber der Bundesbank.

Das Wirtschaftsmagazin "The Economist" geht von weiteren Kosten aus. Ein Nothilfeprogramm beispielsweise für die griechische Bevölkerung, das die Redakteure auf 50 Milliarden Euro veranschlagen. Der deutsche Anteil würde 17 Milliarden betragen. Deutsche Banken müssten ihre Hellas-Investitionen noch einmal abschreiben und bräuchten vielleicht wieder Hilfe vom Staat. Alles zusammen könnte die Rechnung für Deutschland 120 Milliarden Euro betragen, was 4,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Der Vorteil: Deutschland und die anderen Geberländer müssten nicht mehr Geld in ein Fass ohne Boden stopfen. Das Thema Griechenland wäre für eine Zeit lang erledigt. Es wäre ein Schnäppchen, wenn es bei diesen Kosten bliebe.

Unkalkulierbare Folgen für die Eurozone

Es könnte aber auch anders kommen, denn mit einem Grexit sind die Konstruktionsfehler des Euro nicht aus der Welt geschaffen. Spekulationen gegen die Gemeinschaftswährung würden nicht nur nicht aufhören, manche fürchten, dass sie erst richtig los gehen könnten. "Dann treten wir eine Lawine los, die für die Währungsunion gefährlich werden kann", warnt Wolfgang Franz.

Im Schatten einer Marktpanik könnte die Bundesregierung gezwungen sein, alle bisher von ihr abgelehnten Instrumente zur Krisenbekämpfung zuzulassen. Das fängt mit einer Banklizenz für den Rettungsfonds ESM an und hört mit den Eurobonds auf, die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihren Lebzeiten eigentlich nicht sehen wollte. Dabei hätte die eiserne Lady aus Berlin bei umfassender Haftungszusage nicht mal Zeit, eine effektive Kontrolle der Haushalte in den verschuldeten Ländern durchzusetzen. Das Risiko für die deutschen Steuerzahler würde ins Unendliche steigen.

Deshalb schlägt "The Economist" folgende Option vor: Wenn man schon dabei ist, den Euro-Stall auszumisten, möge man gleich alle Defizitsünder rauswerfen. Das würde Irland, Portugal, Spanien und Zypern betreffen. Die Kosten, die Deutschland in diesem Fall zu tragen hätte, beliefen sich auf 385 Milliarden Euro, was 15 Prozent des BIP entspricht.

In Zyperns Hauptstadt Nikosia steht eine Frau an einem Geldautomaten. (Foto: EPA/KATIA CHRISTODOULOU)
Zypern raus aus dem Euro? So will es zumindest "The Economist"Bild: picture alliance / dpa

Für das finanzstarke Deutschland, das gerade in sprudelnden Steuereinnahmen schwimmt, wäre auch das zu verkraften. Das Problem ist bloß: Wer gibt die Garantie, dass die Investoren dann Vertrauen in den Euro fassen. Was passiert mit Italien, das mit 120 Prozent die zweithöchste Schuldenquote in der Eurozone aufweist?

Ob Angela Merkel bei all diesen Horrorszenarien doch vor der Härte gegenüber Griechenland zurückschreckt? Wahrscheinlich bleiben die europäischen Politiker dem Basisszenario treu, das Experte Max Otte mit "herumeiern" beschreibt. Das heißt: "Griechenland macht ein paar kosmetische Korrekturen, wir geben wieder Geld." Man kann schließlich die Entscheidung auch über den Herbst hinaus verschieben. In der Zwischenzeit kann die Europäische Zentralbank die Griechen über Wasser halten - auf die EZB konnte sich die Politik bisher immer verlassen.