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Ist Organspende im Islam erlaubt?

5. Oktober 2011

Eine Organtransplantation kann lebensrettend sein. Dennoch ist die Bereitschaft zur Spende wegen ethischer Bedenken in vielen Ländern sehr gering. In den islamischen Ländern kommen religiöse Vorbehalte hinzu.

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Eine Hand hält den Koran(Foto: ap)
Im Koran gibt es keinen Text zur OrganspendeBild: AP

Organspende ist ein heikles Thema in den islamischen Ländern, denn über diese moderne Form der Medizin gibt es keine Texte im Koran. Dazu kann es nur aktuelle Rechtsprechungen der islamischen Gelehrten geben, die sogenannten Fatwas. Und diese können sich stark unterscheiden, je nachdem, ob sie ein Befürworter oder Kritiker der Organspende herausgibt.

Unversehrtheit und Eigentum

Diejenigen, die die Organspende ablehnen, beziehen sich auf Koranverse und beharren vor allem auf dem religiösen Grundprinzip der Unversehrtheit des menschlichen Körpers, erläutert der Islamwissenschaftler Mohammed Ghaly von der niederländischen Universität Leiden die Argumente der Kritiker: "Sie sind der Meinung, dass der Körper auch nach dem Tode beschützt werden soll. Solche Formulierungen finden wir im Koran oder in den Aussagen einiger Propheten." Deshalb würden die Kritiker behaupten, dass die Entfernung der Körperteile nicht angebracht sei: Vor allem nicht, wenn jemand – wie nach dem Tod – schutzlos sei, erklärt Ghaly.

Eine Organspendebox(Foto: dpa)
In vielen islamischen Ländern ist die Zahl der Organspenden in den letzten Jahren gestiegenBild: picture-alliance/dpa

Diskussionen gibt es auch über des eigentlichen "Eigentümer" des menschlichen Körpers. Im Islam gilt: Der einzige Herrscher und Beschützer von allem ist Allah. Bezogen auf die Organspende ergebe sich für die Kritiker laut Islamwissenschaftler Ghaly folgendes Argument: "Man kann nur etwas spenden, was man besitzt. Aber der Mensch ist nicht der Eigentümer seines Körpers, sondern sein Schöpfer, also Gott, so Ghaly.

Aufklärungsarbeit dringend notwendig

Allerdings gibt es im Koran kein absolutes Verbot bezüglich des Umgangs mit dem toten Körper, sagt Saim Yeprem, Professor für islamische Theologie an der Marmara-Universität Istanbul. Im Islam lege man das dann so aus: Wenn es zu einer Sache kein absolutes Verbot gebe, dann sei sie erlaubt. Viele Menschen, die dieses Prinzip der Rechtsprechung nicht kennen, würden an der Richtigkeit der Organspende zweifeln, sagt Yeprem. Deshalb sollten die Menschen richtig informiert werden: "Wenn die Gesellschaft ein Bewusstsein dafür entwickelt, wenn kundige Theologen und Akademiker die Menschen aufklären, dann würde die Anzahl der Organspenden ansteigen", ist Yeprem überzeugt.

Denn die Organspende ist in islamischen Ländern durchaus erlaubt und wird praktiziert. Dabei sollte der gesetzliche Rahmen berücksichtigt werden. Auch einige Bedingungen sollten erfüllt sein, sagt Yeprem. Die Organspende dürfe keinen kommerziellen Nutzen haben. Außerdem dürfe sie nicht den ethischen Regeln und den Grundprinzipien des Islam widersprechen.

Aus dem Dickicht der Fatwas

Auf die wichtigsten religiösen Regeln bezüglich der Organspende haben sich die Teilnehmer der Internationalen Konferenz Islamischer Gelehrter 2008 geeinigt. Sie haben entschieden, dass die Organtransplantation nach dem Tod keine Respektlosigkeit gegenüber dem Toten bedeutet. Die Organspende soll vielmehr als ein Zeichen von Mitgefühl gesehen werden. Auch Lebendspenden sind möglich. Allerdings muss der Nutzen für die Empfänger größer sein, als der mögliche Schaden für die Spender.

Deutscher Organspendeausweis (Foto: dpa)
Auch in Deutschland soll Aufklärung die Spendenbereitschaft erhöhenBild: picture alliance/dpa

Die ersten Diskussionen über die Organspende in islamischen Ländern hätten bereits in den 50er Jahren begonnen, sagt Mohammed Ghaly. Bisher seien tausende Fatwas diesbezüglich verfasst worden. Dabei hätte die Mehrheit der Muftis eine positive Einstellung zum Thema. Es gebe aber durchaus regionale Unterschiede, so der Islamwissenschaftler.

"Ich habe den Eindruck, dass südasiatische Länder der Organspende eher ablehnend gegenüberstehen, insbesondere Muslime in Pakistan und Indien." Denn früher seien dort einige Fatwas herausgegeben worden, die die Organspende verboten haben. Diskussionen über das Thema würden dort auf schwierigem Terrain stattfinden, fügt der Islamwissenschaftler hinzu.

Mit gutem Beispiel voran

In Saudi Arabien ist die Organspende wiederum weit verbreitet, sagt Ghaly. "Saudi Arabien gehört auf diesem Gebiet zu den modernsten islamischen Ländern. Sie haben der Organspende zugestimmt." In den 70er und 80er Jahren seien dort Fatwas herausgegeben worden, die die Organspende erlauben. Diese Fatwas sind später auch umgesetzt worden. Die Ergebnisse sind heute sichtbar. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist die Zahl der Organspenden dort in den letzten Jahren stetig gestiegen. Auch die Türkei gehört zu einem der islamischen Ländern, in dem in den letzten Jahren immer mehr Organspenden durchgeführt wurden.

Autoren: Basak Özay/Basak Sezen
Redakteur: Blagorodna Grigorova