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IS bekämpfen, ohne Bürgerkriegspartei zu werden

Andreas Gorzewski11. September 2014

US-Präsident Barack Obama will den IS auch in Syrien angreifen. Doch eine militärische Einmischung in den Krieg könnte auch dem Assad-Regime nutzen. Den USA fehlt weiterhin eine umfassende Strategie.

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IS-Kämpfer im syrischen Rakka (Foto: AP)
Bild: dpa/AP Photo/Raqqa Media Center of the Islamic State

Nach dem von US-Präsident Barack Obama angekündigten Strategiewechsel muss die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS, früher ISIS) nun auch in Syrien mit US-Luftangriffen rechnen. Bislang hat die US-Luftwaffe die sunnitischen Extremisten nur im Irak bombardiert, in Syrien aber unbehelligt gelassen. Zusätzlich will die US-Regierung die als moderat geltenden Rebellen mehr als bisher aufrüsten und für den Kampf gegen IS trainieren. Möglichst viele Partner aus der NATO und dem Nahen Osten sollen das Vorgehen unterstützen. Dabei geht es Experten zufolge im Fall Syriens nur um Terrorbekämpfung - und nicht um eine Lösung für den dreieinhalbjährigen Konflikt.

Obama will nach Ansicht von Julien Barnes-Dacey von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) den IS-Einfluss zurückdrängen, ohne sich allzu tief in den syrischen Bürgerkrieg zu verstricken. US-Luftangriffe sollten den moderaten Rebellen zwar helfen, sich gegen die bislang meist überlegenen IS-Verbände zu behaupten. Eine Unterstützung dieser Rebellen, die sowohl gegenüber dem IS als auch gegenüber dem Regime von Baschar al-Assad die Kräfteverhältnisse verändern würde, sei jedoch nicht geplant. "Es gibt keine umfassende Strategie, den Rebellen zu einem entscheidenden Sieg in Syrien zu verhelfen", erläutert Barnes-Dacey im DW-Gespräch. Anders als im Irak wollten die USA in Syrien möglichst auf Distanz bleiben. Grund dafür sei, dass Obama der zersplitterten und geschwächten Opposition einen echten Sieg nicht zutraue.

Hilfe für Rebellen als Geste

Die angekündigte Militärhilfe ist dem schwedischen Syrien-Experten Aron Lund zufolge unter anderem eine politische Geste. Mit dieser Unterstützung, für die Obama die Zustimmung des US-Kongresses sucht, wende er sich an die Amerikaner und die Rebellen. "Das soll zeigen, dass er nicht nur die eine Seite bombardiert, sondern auch gegen Assad vorgeht", kommentiert Lund die Obama-Rede. Der US-Präsident hatte betont: "Im Kampf gegen IS können wir uns nicht auf ein Assad-Regime verlassen, das sein Volk terrorisiert, ein Regime, das seine verlorene Rechtmäßigkeit niemals wiedererlangen wird." Ein Vorgehen gegen die syrische Führung hat er allerdings nicht angedeutet.

Die Nationale Syrische Koalition (SNC) als Dachverband moderater Kräfte begrüßte die Ankündigung Obamas. Ob US-Luftangriffe auf IS-Ziele dem SNC und seiner Freien Syrischen Armee wirklich zugute kommen würden, ist jedoch offen. Im Ringen zwischen dem Assad-Regime, dem "Islamischen Staat" und anderen Rebellengruppen könnten auch die Assad-Truppen Nutznießer sein. Wenn der wachsende Druck der IS-Terrormiliz auf das Regime nachlässt, hat dieses umso mehr Kräfte für den Kampf gegen die gemäßigte Opposition frei. "Das ist vermutlich gut für Assad", bewertet Lund die möglichen Luftschläge gegen IS. Der syrische Präsident würde diese Angriffe außerdem für seine Propaganda instrumentalisieren. "Das hilft ihm, sich als Beschützer des Westens gegen den Terrorismus darzustellen", meint Lund. Wenn die USA die IS-Miliz anstelle der syrischen Regierungstruppen bombardierten, zeige das, wer als die eigentliche Gefahr für den Westen angesehen werde.

Ein IS-Kämpfer schwenkt eine Fahne über einem erbeuteten syrischen Kampfflugzeug (Foto: AP)
Vor zweieinhalb Wochen eroberten IS-Kämpfer den syrischen Militärflughafen TabkaBild: picture alliance/AP Photo

Kaum Protest gegen US-Vorgehen erwartet

Bereits im August 2013, nach dem Chemiewaffeneinsatz in der Nähe von Damaskus, schienen US-Luftangriffe in Syrien möglich. Damals wären jedoch Stellungen des Regimes ins Visier genommen worden. Präsident Obama hatte die Verwendung von Chemiewaffen zuvor als eine "rote Linie" definiert. Wenn diese überschritten würde, wollte Washington ursprünglich eingreifen. Gegen eine Intervention hatte damals unter anderem Russland protestiert. Moskau ist mit Damaskus verbündet und hat mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu Syrien mit seinem Veto blockiert. Die USA verzichteten schließlich auf Angriffe. Eine breite diplomatische Front gegen eine US-Intervention erwartet Barnes-Dacey im Fall der Terrorganisation IS nicht: "Es gibt einen internationalen Konsens über die Gefahr, die vom 'Islamischen Staat' ausgeht."

Der ECFR-Experte kritisiert, dass Obama vor allem aus der Perspektive der Terrorabwehr auf Syrien schaue: "Solange die politischen Gründe für das Wachsen des 'Islamischen Staates' nicht angegangen werden, kommt man nicht zur Wurzel der Problems." Allerdings scheint Washington neben einer klaren Strategie auch die Kraft für eine Lösung des Syrien-Krieges zu fehlen. "Das ist ein weiterer Versuch der USA, den Konflikt in Syrien zu managen, aber nicht, ihn beizulegen", urteilt Lund über Obamas Kurs gegen IS. "Ich bezweifle, dass die USA aktuell bereit sind, das wirtschaftlich, politisch und militärisch auf sich zu nehmen."

Ein Soldat der Freien Syrischen Armee vor einem Panzer in Deir el-Sor im Juni 2013 (Foto: Reuters)
Die Rebellen der Freien Syrischen Armee kontrollieren immer weniger Städte in SyrienBild: Reuters