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Irakische Übergangsverfassung unterzeichnet

8. März 2004

Nach zähen Verhandlungen hat der irakische Regierungsrat die Übergangsverfassung gebilligt. Dafür gab es internationales Lob. Dagegen hält sich die Zufriedenheit der Schiiten, der größten Bevölkerungsgruppe, in Grenzen.

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Bild: AP

Es scheint, als habe man am Ende die Unterzeichnung der Übergangsverfassung um keine Sekunde länger hinausschieben wollen. Überpünktlich, eine Viertel Stunde früher als geplant, hoben alle 25 Mitglieder des irakischen Regierungsrates die Hand für die Verfassung und setzten in einem feierlichen Festakt in Bagdad ihre Unterschrift unter das Dokument. Damit ist der Irak der vollen Souveränität einen Schritt näher gekommen.

Schweigeminute für Anschlagsopfer

Irak Verfassung unterzeichnet
Feierliche Unterzeichnung der ÜbergangsverfassungBild: AP

Die Zeremonie begann mit einer Schweigeminute zu Ehren der 181 Menschen, die am vergangenen Dienstag (2.3.04) bei Anschlägen während der schiitischen Aschura-Feiern in Bagdad und Kerbela starben. Nach der Unterzeichnung sparte der amtierende Ratsvorsitzende Mohammed Bahr nicht mit hoffnungsvollen Worten: "Wir sind dabei, einen neuen Irak aufzubauen". Die Übergangsverfassung sei der "erste Stein, auf dem ein neuer, freier und demokratischer Irak gebaut wird, mit Respekt vor den Menschenrechten". Bedeutungsschwere Worte fand auch der Kurdenführer Massud Barsani, der von der "Geburt eines neuen Irak" sprach. Kritik gab es allerdings von dem mächtigen Schiitenführer Ali Sistani. Er sieht die Übergangsverfassung als "Hindernis auf dem Weg zu einer dauerhaften Verfassung". Der Geistliche forderte, dass die endgültige Verfassung von einer direkt vom Volk gewählten Versammlung gebilligt werden müsse und nicht vom Regierungsrat, der von den USA eingerichtet worden war.

Zähe Verhandlungen

Wegen der Anschläge war die Zeremonie vergangene Woche auf Freitag (5.3.04) verschoben worden. Dann gab es erneut einen Aufschub: Schiitische Ratsmitglieder hatten unter anderem Einwände gegen Artikel 61, der den Kurden in Nordirak de facto ein Vetorecht gegen die noch auszuarbeitende endgültige Verfassung einräumt. Der Artikel sieht eine Ablehnung der Verfassung bei der geplanten abschließenden Volksabstimmung vor, falls zwei Drittel der Bürger in drei Provinzen gegen den Entwurf sind. Schiitische Politiker hatten befürchtet, dass die Kurdenparteien, die drei Provinzen im Nordirak kontrollieren, diesen Artikel benutzen könnten, um die Verfassung und damit auch die für die Schiiten darin vorgesehenen Privilegien zu verhindern. Letzendlich gab der Großayatollah Ali Sistani jedoch nach und die Schiiten akzeptierten den ursprünglichen Textentwurf.

Wieder Explosionen im Bagdad

Nur wenige Minuten vor der feierlichen Unterzeichnungszeremonie gab es im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad schwere Explosionen. In der Nähe einer Polizeistation in der Innenstadt von Bagdad seien nach Augenzeugenberichten mindestens vier Iraker verletzt worden, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Der Ort der Explosion lag etwa zwei Kilometer vom Sitz der US-Zivilverwaltung und des irakischen Regierungsrats entfernt. An einer Stelle sei eine Rakete in ein Haus eingeschlagen, berichteten Augenzeugen laut Nachrichtenagentur Reuters.

Wegen der Verfassungszeremonie herrschen in Bagdad besonders scharfe Sicherheitsvorkehrungen. Bereits am Sonntag (7.3.04) waren Raketen in der so genannten Grünen Zone in Bagdad eingeschlagen, wo die US-Besatzungstruppen und die Zivilverwaltung ihr Hauptquartier haben. Dabei wurde nach offiziellen Angaben niemand schwer verletzt. Dennoch zeigte sich auch US-Zivilverwalter Paul Bremer sichtlich erleichtert über die Unterzeichnung des Dokuments.

Wichtiger Schritt in die Unabhängigkeit

Die Übergangsverfassung bekennt sich zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit, und bezeichnet den Islam als eine - und nicht die einzige - Grundlage der künftigen Rechtsordnung. Geplant ist ein Föderalsystem, das es allen 18 irakischen Provinzen erlauben soll, zu selbstständigen Regionen zu werden. Damit öffnet sich für die Schiiten, die die Bevölkerungsmehrheit im Irak stellen, die Tür zu einer autonomen Region im Süden ähnlich der kurdischen Selbstverwaltung im Norden. Details müsste jedoch die künftige Nationalversammlung festsetzen.

Die Annahme der Verfassung gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zur irakischen Souveränität. Sie soll die Geschicke des Staates ab der geplanten Machtübergabe am 30. Juni 2004 regeln und bis zu der für Ende 2004 oder Anfang 2005 geplanten Parlamentswahl gelten. (stl)