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Aus Bagdad nach Thüringen

Elisabeth Ihme 9. Mai 2014

Der Irak ist nach Kriegen und politischen Umstürzen gebeutelt. Doch im Land steckt großes wirtschaftliches Potential. Das Programm "Irak Horizonte" will Unterstützung leisten und bietet jungen Akademikern eine Chance.

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Irakerin Safa Al-Ameedee macht gerade ein Praktikum in Weimar (Foto: Elisabeth Ihme / DW)
Bild: DW/E.Ihme

Konzentriert blickt die 25-jährige Safa Al-Ameedee auf den Computerbildschirm. Sie trägt eine pinkfarbene Strickjacke, die schwarzen Haare locker hochgesteckt. Am PC entwirft sie ein Mehrgenerationenhaus für eine Thüringer Kleinstadt. Safa stammt aus Bagdad, wo Bombenanschläge, Entführungen und Straßensperren zum Alltag gehören. Im Irak hat sie auch Architektur studiert. Aktuell ist die Architektin für sechs Wochen in Weimar und macht ein Praktikum im Architektenbüro "PAD". In Thüringen will sie so viel wie möglich über die Arbeitsweise in Deutschland lernen. "Im Irak sind die Qualitätsstandards durch den Krieg und die schwierige Zeit danach auch in der Architektur auf ein sehr niedriges Niveau gesunken", sagt die junger Irakerin. So kümmere sich beim Hausbau, trotz der Hitze im Sommer, niemand um Dinge wie die Isolierung der Wände. "Hier in Deutschland muss man hingegen auf jedes Detail achten und sehr genau arbeiten", hat Safa schon nach kurzer Zeit festgestellt.

Irak Horizonte - Vom Krisengebiet in deutsche Büros
"Jedes Detail beachten und sehr genau arbeiten" - Safa Al-Ameedee macht bei ihrem Praktikum wertvolle ErfahrungenBild: DW/E.Ihme

Verbindungsleute nach Deutschland

Das Programm "Irak Horizonte" will irakische Akademiker, die im Berufsleben stehen, weiterbilden. Gleichzeitig soll es deutschen Unternehmen helfen, im Irak ein Netzwerk aufzubauen, sagt Rima Al-Tinawi vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag DIHK. "Der wirtschaftliche Erfolg im Irak hängt stark von persönlichen Kontakten mit den Einheimischen ab. Außerdem ist Englisch als Geschäftssprache nur zum Teil etabliert", fährt sie fort.

"Irak Horizonte" organisiert der DIHK gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut. In diesem Jahr bereits zum fünften Mal. Für die irakischen Akademiker heißt das: Acht Wochen Deutschkurs, dann Praktikum in einem Betrieb. Einige ehemalige Teilnehmer sind inzwischen bei deutschen Firmen im Irak angestellt. So werden sie zu Verbindungsleuten zum Hauptsitz der Unternehmen in Deutschland.

Ein neuer Stadtteil für 300.000 Menschen

Safa Al-Ameedees Weimarer Chef ist der Architekt Matthias Leesch. Er war schon dutzende Male im Nordirak, wo die Sicherheitslage stabiler ist. Seit 2007 erarbeitet sein Architektenbüro dort Stadtplanungskonzepte. "Man braucht schon eine gewisse Aufgeschlossenheit, wenn man im Irak arbeiten will. Vieles ist einfach anders als in Deutschland", erzählt der Weimarer Architekt. An den Straßen wird man an zahlreichen Checkpoints kontrolliert, der Verkehrspolizist trägt ein Maschinengewehr. Darüber hinaus sei die Umsetzung von Projekten manchmal schwierig, weil die irakischen Verwaltungsbehörden relativ bedeutungslos sind. "Die Gesellschaft ist nach wie vor stark von Stammesstrukturen geprägt. So haben Vertreter der Stammesführung häufig das letzte Wort. Auf der anderen Seite", sagt Leesch und holt Luft, "der Irak bietet mir Aufgaben, wo mein Architektenherz einfach höher schlägt." Denn durch die Landflucht wachsen die nordirakischen Städte rasant. So konnte der Architekt für die Stadt Dohuk einen ganzen Stadtteil für 300.000 Menschen entwerfen, mit Bahnhöfen, Autobahnzubringern, Stadtparks und öffentlichen Plätzen. In einem Gebiet, wo heute nichts als Steppe ist. Die Auftragslage ist also gut. Aber ein Hauptproblem sei, dass irakische Akademiker seit Jahrzehnten abwandern, so Leesch. Der Bedarf an Fachkräften vor Ort sei dadurch immens. Auch deshalb hofft er, auch in Zukunft mit der irakischen Architektin Safa weiter zusammenarbeiten zu können.

Archtiket Matthias Leesch (li.) und Safa Al-Ameedee (Foto: Elisabeth Ihme / DW)
Hängt am Irak: Architekt Matthias Leesch (li.) mit Safa Al-AmeedeeBild: DW/E.Ihme

Der Erdölexport macht einiges möglich

"Im Irak zu investieren, lohnt sich", sagt Rima Al-Tinawi vom DIHK. Auf rund acht Prozent wird das jährliche Wirtschaftswachstum geschätzt. Denn die Regierung nimmt für den Wiederaufbau des Landes viel Geld in die Hand, so die Handelsexpertin. Immerhin steht der Irak bei Erdölexporten weltweit auf Platz vier. Die Einnahmen aus dem Erdöl machen einiges möglich. So hat der DIHK in den letzten Jahren Büros in Bagdad und im nordirakischen Erbil eröffnet, um engere Kontakte zwischen deutschen und irakischen Unternehmen zu knüpfen. Chancen haben viele Branchen, denn Produkte "Made in Germany" genießen im Irak einen äußerst guten Ruf. Aus Deutschland werden vor allem Maschinen, Kraftwagen und Elektrotechnik in den Irak exportiert.

Selbstmordanschlag in Bagdad (Foto: AFP/AHMAD AL-RUBAYE)
Selbstmordanschlag in Bagdad - Die Sicherheitslage schreckt ausländische Investoren abBild: AFP/Getty Images

Die Sicherheitslage bleibt der Wermutstropfen

Während andere Nationen den Irak längst als lukrativen Geschäftspartner erkannt haben, zögern viele deutsche Unternehmen. Ein Beispiel: Während die Türkei jährlich Waren im Wert von rund neun Milliarden Euro in den Irak verkauft, flossen aus Deutschland 2012 Exporte im Wert von nur 1,3 Milliarden Euro. "Deutsche Unternehmen suchen typischerweise Exportmärkte, die langfristig stabil sind. Das Vertrauen in den Irak scheint trotz des großen Potentials noch gering", sagt Rima Al-Tinawi. Der Wermutstropfen bleibt die Sicherheitslage. Das könnte potentielle Investoren wahrscheinlich weiter verunsichern. Die jungen Akademiker des Programms "Irak Horizonte" beobachten das Geschehen in der Heimat von Deutschland aus. Die Architektin Safa Al-Ameedee würde in Zukunft gern mehr für deutsche Unternehmen im Irak arbeiten und später vielleicht ihren Master-Abschluss in Deutschland ablegen. Ob diese Wünsche sich erfüllen, hängt wohl auch davon ab, wie die Sicherheitslage sich weiter entwickelt.