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IOC fühlt sich für Homophobie nicht zuständig

Jonathan Sachse20. November 2013

Die Rechte von homosexuellen Sportlern und Fans werden bei den Olympischen Spielen in Sotschi durch russische Gesetze eingeschränkt. Die Initiative Pride House sucht daher Unterstützer im organisierten Sport.

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Rußland - Homosexuellen Proteste gegen Putin (Foto: Lefteris Pitarakis)
Bild: picture-alliance/dpa

"Heute spielt Robby wieder Fußball für Galaxy in Los Angeles", berichtet Leviathen Hendricks. Er muss schlucken. Nach ein paar Sekunden Stille fährt er fort: "Wenn er das Spielfeld betritt, beginnen die Fans zu applaudieren." Der in London lebende US-Amerikaner Hendricks ist Sprecher der Federation of Gay Games. Der Sportverband trägt alle vier Jahre Wettbewerbe aus, an denen homosexuelle Sportler aus aller Welt teilnehmen. Ihn berührt die Geschichte des Fußballers Robby Rogers, der früher in der englischen Premier League spielte, sich Anfang 2013 outete, um gleichzeitig im Alter von nur 25 Jahren sein Karriereende bekanntzugeben.

Nur wenige Monate später wagte er sein Comeback in den USA. Rogers ging als erster Fußballprofi in die Geschichte der amerikanischen Fußballliga MLS ein, der offen über seine Homosexualität sprach. Das Video mit seiner Einwechslung und dem damit verbundenen Applaus der Zuschauer wurde auf der Website der US-amerikanischen Profiliga MLS in einem eigenen Artikel eingerahmt.

Angst vor Outing berechtigt?

"Ich denke, das ist ein fantastischer Beweis, dass diese Ängste, die viele homosexuelle Athleten mit sich herumtragen, oftmals nicht auf der Realität beruhen, die sie erwarten würde", meint Hendricks. Wer offen über seine Homosexualität spreche, so die Angst der Sportler, bringe seine Karriere in Gefahr und werde nicht mehr akzeptiert. Diese theoretischen Konsequenzen würden immer wieder verbreitet. Für Hendricks resultiert "diese Angst aus Dingen, wie wir sie jetzt aus Sotschi hören."

Leviathen Hendricks, Sprecher der Federation of Gay Games (Foto: Thomas Søndergaard/Play the Game/Quelle: Flickr, CC BY 2.0) via: DW/Andreas Sten-Ziemons
Leviathen HendricksBild: CC-BY-Thomas Søndergaard/Play the Game

In Sotschi in Russland werden vom 7. bis 23. Februar 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird immer wieder wegen der Wahl des Austragungsortes kritisiert. Ein Kritikpunkt: Homosexuelle, Bisexuelle und Transsexuelle würden in Russland zum Teil mit Straftätern gleichgesetzt.

Gesetz gegen "Homosexuellen-Propaganda"

Tatsächlich hat der russische Präsident Wladimir Putin im Sommer ein umstrittenes Gesetz gegen "Homosexuellen-Propaganda" unterzeichnet. Positive Äußerungen über "nicht traditionelle sexuelle Beziehungen" in Anwesenheit von Minderjährigen oder im öffentlichen Raum wie im Internet werden seitdem unter Strafe gestellt. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Geldbußen. Auch Ausländer werden eingeschlossen. Wer während der Olympischen Winterspiele für die Rechte von Homosexuellen in Russland demonstrieren möchte, muss harte Strafen befürchten.

Moskauer Polizei löst Schwulen-Demo auf (Foto: dpa)
Das umstrittene Gesetz gegen die "Homosexuellen-Propaganda" löste landesweit Proteste ausBild: picture-alliance/dpa

Leviathen Hendricks hat versucht, mit dem IOC darüber zu sprechen. Doch die Dach-Organisation der Olympischen Bewegung, welche in ihrer Charta den "Kampf gegen jede Form der Diskriminierung" als ein Ziel definiert, fühlt sich nicht verantwortlich. Das IOC argumentiert, das Gesetz sei erst nach der Vergabe der Olympischen Spiele erlassen worden. Hendricks meint, es müsse beim Vergabeprozess garantiert werden, dass die Menschenrechte "auch während der Olympischen Spiele" eingehalten werden.

Kein Versammlungsort für homosexuelle Athleten

Bei den vergangenen Olympischen Spielen 2010 in Vancouver und 2012 in London sowie bei der letzten Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine half Hendricks bei der Organisation eines sogenannten "Pride House" in den jeweiligen Austragungsorten. "Ein sozialer Raum, der ohne Akkreditierung für jede Person zugänglich ist", beschreibt Hendricks den Veranstaltungsort. Dort konnten sich Athleten, Fans und Journalisten treffen. Ausstellungen über homo-, bi- und transsexuelle Olympia-Athleten sowie Abendveranstaltungen zum Thema Homosexualität im Sport sollten für Toleranz und Gleichberechtigung werben.

Von etwa 12.000 Athleten bekannten sich 2012 in London nur 23 Sportler offen zu ihrer Homosexualität, sagt Hendricks. Die deutsche Fechterin Imke Duplitzer war eine von ihnen. Nach einem Wettkampf besuchte sie das Pride House. Sie erinnert sich: "Selbst wenn sich da in der Regel kein Sportler hin verirrt, ist es ein wichtiges Signal, dass es homosexuelle Sportler gibt."

Unterstützung durch Nationale Olympische Komitees?

In Sotschi wird es vermutlich kein Pride House geben. Das Landgericht Krasnodar untersagte im vergangenen Februar eine solche Initiative für die Winterspiele 2014. Nach diesem Urteil habe er in einem Brief beim IOC um Unterstützung gebeten, erklärt Hendricks. Eine öffentliche Reaktion habe das IOC aber nicht gezeigt. Man könne sich nicht um alle "speziellen Interessen" kümmern, hieß es in der kurzen Antwort an Hendricks.

"Wir haben jetzt verschiedene Nationale Olympische Komitees (NOK) angeschrieben", erläutert Hendricks die neue Strategie. In den Schreiben werde gefragt, ob man ein Pride House Event in den Gasthäusern der NOKs austragen könne. Eine Reaktion habe es aber bislang noch nicht gegeben. Mit einer Online-Petition erhoffen die Aktivisten sich, etwas mehr Druck auf die einzelnen Länder ausüben zu können. Es bleiben nur noch rund zweieinhalb Monate Zeit.